Stromflut, tiefe Marktpreise, unrentable Kraftwerke und hohe Schulden belasten den Stromkonzern Alpiq: 2012 resultierte erneut ein Milliardenverlust. Um zu genesen, will die Alpiq weiteren Ballast abwerfen.
Nach einem Defizit von 1,3 Milliarden im Jahr 2011 verbuchte die Alpiq im Geschäftsjahr 2012 einen neuerlichen Verlust von 1,1 Milliarden Franken. Das zeigen die heute an der Bilanz-Medienkonferenz präsentierten Zahlen. Die Alpiq ist das Fusionsprodukt aus Oltener Atel und Westschweizer EOS.
Mit der Fusion und mit starker Expansion baute sie sich zum Schweizer Marktleader im europäischen Stromgeschäft auf. Die Wende von der Gewinn- in die Verlustzone resultierte aus der europäischen Wirtschaftskrise. Diese senkte die Nachfrage nach Strom, bewirkte Überkapazitäten an Kraftwerken und drückte die Preise auf dem Strommarkt in den Keller.
Abschreiben und schrumpfen
Die Defizite ergaben sich einerseits aus dem sinkenden Betriebsgewinn; die Einnahmen sanken unter anderem, weil sich ein langfristiger lukrativer Vertrag für Stromlieferungen im Umfang von schätzungsweise fünf Milliarden Kilowattstunden (kWh) nach Italien nicht erneuern liess.
Andererseits verbuchte die Alpiq Sonderabschreibungen auf ihren unrentablen Kraftwerken und Kraftwerkbeteiligungen. Davon entfiel der Löwenanteil auf Gaskraftwerke in Spanien, Italien und Frankreich sowie auf Wasserkraftwerke, welche die EOS vorab im Wallis betreibt. Diese Wertberichtigungen summierten sich in den letzten zwei Jahren auf mehr als drei Milliarden Franken.
Um ihre Schulden abzubauen, hat die Alpiq in den letzten Jahren Ballast abgeworfen, indem sie die internen Kosten senkte und Beteiligungen abstiess: Zuerst verkaufte sie ihre Beteiligung an der Edipower, die in Italien Gaskraftwerke betreibt. Einen Anteil von 15 Prozent ihres Pumpspeicher-Projekts Nant de Drance trat sie an die Basler IWB ab. Ihr Anteil an der Bündner Repower ging an die Axpo und den Kanton Graubünden.
Einen Teil ihrer Installationsfirma AAT verkaufte die Alpiq an die Vinci Energie; aus diesem Verkauf resultiert der grösste Personalabbau. Insgesamt verkleinerte die Alpiq ihren Personalbestand 2012 um 30 Prozent auf noch 7900 Mitarbeitende, während ihr Umsatz lediglich um 9 Prozent auf noch 12,7 Milliarden Franken abnahm.
Weniger Schulden, neue Anleihe
Mit den Veräusserungen konnte die Alpiq ihre Schulden um 0,7 Milliarden auf noch 3,9 Milliarden Franken vermindern. Weitere Verkäufe von Firmenteilen sollen folgen mit dem Ziel, die Schulden bis Ende 2014 um insgesamt 1,5 bis 2 Milliarden Franken zu senken, bestätigte Alpiq-Präsident Hans Schweickardt.
Auf der andern Seite will die Alpiq ein «nachrangiges Darlehen» von 0,8 bis 1,0 Milliarden Franken aufnehmen, das als Eigenkapital angerechnet wird und damit zur finanziellen Konsolidierung beitragen soll. Die Hälfte davon werden die inländischen Hauptaktionäre übernehmen, also die Westschweizer Kantone, der Kanton Solothurn, die Baselbieter Energiegenossenschaften EBM und EWB sowie die Industriellen Betriebe Aarau.
Eine Kapitalerhöhung hingegen lehnte der Verwaltungsrat ab; dies wohl deshalb, weil der französische Staatskonzern EDF, der mit 25 Prozent an der Alpiq beteiligt ist, kein weiteres Geld in diesen Schweizer Konzern stecken will.
In anderen Umständen
Rezession, Energiewende und die Förderung von erneuerbarer Energie erschüttern und verändern die Stromversorgung. «Die alten Marktmechanismen sind ausser Kraft gesetzt», sagte die neue Alpiq-Konzernchefin Jasmin Staiblin in ihrem Ausblick. Ein Wandel, der für die Industrie seit Jahren Realität sei, erfasse nun auch die Stromkonzerne. Dieser Wandel «vom Tanker in ruhigem Meer zum Segelschiff auf windiger See», so formulierte Staublin bildhaft, biete für die Alpiq aber auch Chancen. Darum blicke sie optimistisch in die Zukunft.
Und zu ihrem persönlichen Zustand, welcher ihr kurz nach Amtsantritt einen Mutterschaftsurlaub bescheren wird, sagte die Konzernchefin lakonisch: «Die Alpiq befindet sich in anderen Umständen. Ich auch.»