Basile, 17, erzählt, wie er von Erwachsenen wegen seiner dunklen Hautfarbe angepöbelt wird und wie er Steitereien aus dem Weg geht.
In den nächsten Tagen wird sich herausstellen, welchen Weg Basile in Sachen Ausbildung gehen wird. Er hat soeben die Aufnahmeprüfung für die Handelsmittelschule gemacht. Und hofft nun, bestanden zu haben. «Es muss einfach klappen», sagt er. Sonst, nein, sonst weiss er auch nicht wie weiter. Die Lehre als Detailhandelsfachmann bei einem Grossverteiler hat er nach einem halben Jahr abgebrochen. «Ich merkte, dass dieser Beruf nicht mein Ding war, zudem kam ich mit den Leuten nicht zurecht.» Er habe irgendwie nicht dorthin gepasst, sagt er. Seither jobbt er in einem Kino.
Beleidigende Sprüche
Basile ist 17 Jahre alt und lebt zusammen mit seiner Mutter – einer Lehrerin – und seiner 10-jährigen Halbschwester in Biel. Seine Mutter ist Schweizerin, sein Vater stammt aus dem Kongo. Das Paar trennte sich, als Basile noch ein Kleinkind war. Schon früh hat er gespürt, sagt er, «dass ich anders war». Ein sogenannter Mischling eben, für manche ein «Negerkindli». Herzig, wenn sie klein sind. Doch jetzt, seit Basile ein Jugendlicher ist, schlägt ihm immer wieder unverblümter Rassismus entgegen. «Du spürst zu 100 Prozent die Vorurteile mancher Leute.» Mehrheitlich von Erwachsenen, sagt er. «Ich stehe oder gehe irgendwo, mache nichts Böses und höre beleidigende Sprüche.» Erst kürzlich wieder im Zug.
Es hatte noch viele freie Plätze, als ein älterer Herr das Abteil betrat. Er sah Basile und setzte sich ihm gegenüber. «Er starrte mich ständig an, murmelte vor sich hin und schüttelte den Kopf». Zuerst dachte Basile, der Mann habe einfach einen schlechten Tag, doch dann hörte er das Wort «Neger» und «Scheissausländer». Basile wollte wissen, was das Problem sei. Jetzt sei man schon so weit, antwortete dieser, dass man im Zug neben Negerkindern hocken müsse. Früher hätte man so einen wie ihn abgemurkst. «Ich bin ein friedliebender Mensch», sagt Basile, «aber immer ist es nicht einfach, ruhig zu bleiben.» Er blieb ruhig und wechselte den Platz.
Rassismus ist ein Thema, das Basile beschäftigt. Ansonsten interessiert er sich nicht besonders für Politik. Wenn, dann eher, wenn es sich um grössere Sachen wie Freiheit oder Umwelt handelt. So will er auch später, wenn er stimmberechtigt wird, je nach Vorlage am Urnengang teilnehmen oder nicht.
Gratiseintritt gegen einen Bühnenauftritt
Das GA der SBB zu besitzen bedeutet Basile viel. Es gibt ihm die Freiheit, die er braucht. «Biel ist eine kleine Stadt, und meine Freunde wohnen nicht alle hier, sondern auch in Zürich, Basel und Bern.» Einige von ihnen sind Farbige wie er, aber viele seien auch Weisse. «Ich mag es nicht, wenn Farbige oder Ausländer selber auf Rassisten machen», sagt er. Solche gingen auf das gleiche Niveau herunter wie die, von denen sie angefeindet würden. «Dann dreht man sich im Kreis, es hört nie auf.»
Ebenso wenig mag er Typen, die zur Unterhaltung auf Streit aus sind. Die gibt es wirklich, sagt er. «Solche, die Schlägereien cool finden.» Trotzdem fühlt er sich insgesamt sicher: «Ich glaube, wenn du den Auseinandersetzungen aus dem Weg gehst, passiert dir auch nichts.» Basile will Spass haben mit seinen Freunden. «Wir treffen uns in einer Stadt, gehen vielleicht Kleider anschauen, hocken irgendwo hin, und am Abend gehen wir zusammen in einen Club.» Geld brauche er dafür nicht viel. In manchen Clubs lassen sie ihn gratis rein. «Gegen einen Bühnenauftritt», sagt er.
Basile tanzt – «mein Hobby», und er singt – «meine Leidenschaft». Sein Freundeskreis ist eine Gruppe von Leuten, die wie er Musik macht und tanzt. «Nein, das ist keine Band, das ist eine eigene Sache.» Er ist sich gewohnt, der älteren Generation zu erklären: «Wir machen R ’n’ B – ein paar Rapper, ein paar Singer – und wir tanzen.» Jerk? «Das war mal», sagt der 17-Jährige; ein paar seiner Kollegen machten immer noch mit bei den «Battles», doch für ihn und andere sei die Zeit der «cool guys» eher vorbei. Damals habe er auch noch BJ geheissen. «Aber jetzt – mit dem Alter wird man seriöser.»
Eine gute Kindheit
So hat Basile auch etwas abgeschworen, was bei vielen Jugendlichen offenbar ziemlich angesagt ist: Hustensirup, zum Drink gemixt. «Sie denken, damit seien sie cool, doch es ist eine gefährliche Droge.» Was das betrifft, sei er gut aufgeklärt worden, sagt Basile. Neben seinem Kindergarten gab es einen kleinen Park, und oft seien Spritzen im Gebüsch gelegen. Dadurch waren Drogen schon früh ein Thema, «ich habe Leute gesehen, die wegen Drogen völlig fertig waren». Nein, diese Zukunft ist für Basile keine.
Hin und wieder ein Drink, das ist ok für ihn, aber kein Komasaufen; auch hat er schon an einem Joint gezogen – «welcher 17-Jährige hat das nicht schon probiert?» Vielen gehe es nur darum, dazuzugehören, anderen vielleicht wirklich, um zu vergessen. «Aber mir geht es gut, ich hatte eine gute Kindheit.»
Manchmal denke er, sagt Basile, er wäre gerne wieder ein kleines Kind – so ganz ohne Sorgen. Aber dieses Alter jetzt habe auch sein Gutes: «Ich kann fast wie ein Erwachsener leben, muss aber noch nicht so viel Verantwortung tragen wie einer.» Er bedankt sich höflich für das Gespräch und macht sich auf den Weg zum Bahnhof. Man drückt ihm die Daumen, wünscht ihm von Herzen, es möge klappen mit der Aufnahmeprüfung.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12