Teil dich glücklich

Über Tauschbörsen wie Skillharbour in Basel können Menschen ihre Talente mit anderen teilen. Ganz im Sinne des Trends Shareconomy: Leihen statt kaufen. Sogar Rentner kann man sich leihen.

«Warum sollen wir unsere Mitmenschen nicht teilhaben lassen?» Skillharbour-Gründerin Graziella Michel. (Bild: Nils Fisch)

Biete Kochkurs, suche Unterricht in Luxemburgisch. Über das Sharing-Plattformen Skillharbour in Basel tauschen Menschen Geräte und Talente. Ganz im Sinne des Trends Shareconomy: Teilen statt besitzen.

Sushi zubereiten. Eine Webseite erstellen. Sich ohne GPS-Gerät und Landkarte orientieren. Fähigkeiten, die den Alltag bereichern oder einfach nur Spass machen. Angeboten werden sie von Mitgliedern der gerade gegründeten Basler Internetplattform Skillharbor. Nicht gegen Geld, sondern im Tausch. Wer etwa von Nutzerin Malou «Letzebuergisch für Anfänger» lernen möchte, muss selbst etwas anbieten, egal wem. Der Zeitaufwand wird in einer eigenen Währung verrechnet, den sogenannten Skillhours.

Mit der Idee folgt Skillharbour einem Trend, der unter dem Namen Shareconomy oder Sharity immer beliebter wird. Teilen statt besitzen, leihen statt kaufen. Gib mir deine Bohrmaschine, ich bring dir Bier mit. Und die Säge, die beinahe das gesamte Jahr unangetastet im Keller steht, kann man doch prima für ein paar Franken verleihen. Wer leiht, statt kauft, kann sparen. Und sogar die Umwelt schonen wie beim Carsharing. Die Shareconomy profitiert von der Cloud. Sie vereinfacht die Vernetzung über Smartphones, Tablets und Computer. Immer mehr Start-ups entdecken das Thema für sich.

So wie das Ehepaar Graziella und Beat Michel von Skillharbour. «Wir haben alle Talente, warum sollten wir unsere Mitmenschen nicht davon profitieren lassen», sagt Graziella Michel (43), eine ehemalige Werberin. Die Idee zu einer Onlineplattform, die genau dies verspricht, kam ihr vor zwei Jahren in Hamburg. Im Januar diesen Jahres ging die Website online.

Dazwischen lagen Monate der Schufterei. Unterstützung bekam Michel in der Basler Startup Academy am Picassoplatz. Dort hat sie ein Büro, tauscht sich aus mit anderen Gründern und Spezialisten aus Fachbereichen wie IT und Recht. «Die Aufnahme in die Academy hat uns Mut gegeben weiterzumachen», sagt sie. «Wir wissen ja nicht, ob die Idee auch andere toll finden – oder nur wir.»

Ein Auto und den Parkplatz dazu

Die Sharing-Idee ist in Basel unter anderem Namen bereits seit beinahe zwei Jahren bekannt. Bei der Zeittauschbörse tauschen die Basler ebenfalls Talente und Dienstleistungen. Die für eine Leistung aufgewendete Zeit wird zentral verwaltet und kann dann abseits vom realen Marktwert eingelöst werden. Eine Stunde Haareschneiden ist dann genauso viel wert wie eine Stunde Online-Marketing: 60 Minuten.

In der Schweiz gibt es mehr als 20 Firmen, die sich auf das Teilen und Leihen spezialisiert haben. Jacando vermittelt Nebenjobs: Umzugshelfer, Französischunterricht, Elektriker. 120 Franken bezahlt einer für das Zurückschneiden von drei Obstbäumen und ein paar Sträuchern. Kommt ein Auftrag zustande, zahlt der Jobber eine Provision an Jacando. Parku vermittelt freie Parkplätze, Sharoo zu bestimmten Zeiten unausgelastete Autos. Der Online-Marktplatz RentaRentner verhilft älteren Menschen zu einer Beschäftigung und einem Zubrot. Einen Schrank montieren, babysitten, auf einem Campingplatz helfen. Renter bieten ihre Fähigkeiten selbst an oder gehen auf Gesuche ein. Bei Sharely inserieren die Nutzer Bohrmaschine, Snowboard und Spielekonsole stunden- oder tageweise zum Verleih.

Schweizer Wohlstand als Hindernis

Der zu beobachtende Trend ist eigentlich eine Rückbesinnung. «Früher wurde alles, was man zum Leben brauchte, im Kreis der Familie und der Dorfgemeinschaft geteilt», heisst es in der Studie «Sharity. Zukunft des Teilens» des Gottlieb-Duttweiler-Instituts, Forschungsstätte und Denkfabrik aus Rüschlikon. Der zunehmende Wohlstand führe dazu, dass die Menschen immer mehr einsam konsumierten, schreiben die Autoren Karin Frick, Mirjam Hauser und Detlef Gürtler. Gleichzeitig prophezeien sie einen Boom der Shareconomy.

«Wer teilt, spart Geld, tut etwas Gutes für die Umwelt, erlangt mehr Flexibilität, stärkt die Gemeinschaft wie auch sein Verantwortungs- und Selbstbewusstsein und fühlt sich gut, als Teil einer Bewegung für eine bessere Welt», schreiben die Verfasser. Die wissenschaftliche Untersuchung klingt an dieser Stelle wie ein Werbetext. Bei der Befragung von mehr als 1100 Schweizern und Deutschen kam heraus: Frauen teilen mehr als Männer, Jüngere lieber als Ältere. Ganz oben auf der Dinge der beliebteste Tausch- und Leihobjekte stehen Werkzeug, MP3s, Getränke, Arbeitsleistungen und Erfahrungen aller Art. Kaum überraschend ist, was die Befragten lieber für sich behalten möchten: Geschäftsideen, Passwörter, Computer, Zahnbürste und Unterwäsche. Die Studie fand auch heraus: Die Deutschen stehen dem Teilen aufgeschlossener gegenüber als die Schweizer.

Kritiker werfen der Shareconomy vor, Dinge zu kommerzialisieren, die zuvor gratis waren.

Um das zu ändern, hat sich im November der Verband Sharecon gegründet, auch die Basler von Skillharbour sind dort Mitglied. Sharecon wolle die bestehenden Initiativen der Schweiz vernetzen und den Dialog mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft suchen, sagt Mitgründerin Stella Viktoria Schieffer (26). Die Schweiz sei später dran als die USA oder auch Deutschland. «Es geht den Schweizern sehr gut, es funktioniert alles. Es gibt keinen Druck, extra Geld zu verdienen, anders als in manchen anderen Ländern», sucht sie eine Erklärung hierfür. Ohne Nutzer verdienen die Firmen aber kein Geld.

Stellvertreter-Shopping

Kritiker werfen der Shareconomy vor, Dinge zu kommerzialisieren, die zuvor gratis waren. Die Leute schätzten Professionalität und Vertrauen und seien bereit, dafür etwas zu bezahlen, entgegnet Schieffer. Ihr eigenes Start-up heisst BringBee und vermittelt Menschen, die für andere miteinkaufen. Ob Lebensmittel oder ein Ikea-Regal, BringBee kassiert vom Besteller drei Franken zuzüglich 2,5 Prozent des Einkaufspreises. Der Einkäufer bekommt vom Besteller zehn Prozent des Einkaufswert, mindestens aber fünf Franken. 2013 als Website gestartet, haben sich bisher nach eigenen Angaben 1500 Nutzer registriert, wovon ein Drittel aktiv sei. Das Start-up kooperiert mit Ikea Spreitenbach und der Brauerei Burgdorfer und plant weitere Zusammenschlüsse.

So weit ist die Baslerin Graziella Michel noch nicht. Sie will Skillharbour erst einmal bekannter machen und neue Mitglieder anlocken. Bisher hat das sehr junge Unternehmen 100 angemeldete User, erst zwei Talent-Tauschs wurden abgeschlossen. Andere Anfragen seien bereits gestartet, aber noch nicht abgeschlossen worden, sagt Michel. Die Besichtigung des aargauischen Regionalflugplatzes Birrfeld beispielsweise könne erst bei besserem Wetter stattfinden. Auch Fahrradtouren und Orientierungskurse machen bei wärmeren Temperaturen mehr Spass. Geld wirft die Firma noch keines ab. Weil der Dienst für Nutzer gratis bleiben soll, sucht Michel Partner zur finanziellen Unterstützung. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob auch andere die Idee toll finden. Und ob sich das Teilen und Leihen in der heutigen Gesellschaft neu etablieren kann.

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