Es gibt eine Strategie gegen Telefonterroristen: deren Zeit stehlen.
Ja, ich gebe zu: Ich gehöre zum alten Eisen. Das ist leicht daran zu erkennen, dass bei mir zu Hause hinter dem roten Sofa ein Telefon mit Festnetzanschluss vor sich hindöst. Ab und an wird es von meiner Mutter aus dem Schlummer gerissen.
Viel häufiger aber suchen und finden mich andere Menschen auf meiner Festnetznummer. Freundliche Menschen. Menschen, die sich ehrlich für mich und meine Meinung interessieren, die ich dann auf einer Skala von «stimme ich absolut zu» bis «stimme ich gar nicht zu» kundtue. Andere wollen mir helfen, Geld zu sparen. Zum Beispiel beim Festnetztelefon.
Eine Firma habe ich inzwischen ganz besonders ins Herz geschlossen. Je nach Mitarbeiterin oder Mitarbeiter heisst sie «Gesundheitszentrum Schweiz» oder auch «Schweizer Gesundheitszentrum». Wer will sich schon mit Details aufhalten?
Die Anrufenden haben mich mit ihrer treuen Art (zehn Anrufe an einem Abend) gewonnen. Und mit der erfrischenden Gesprächsführung. Originalzitat: «Ich komme zu Ihnen nach Hause und haue Ihnen eine rein!» Kennen Sie jemanden, der bei so einem Satz in der höflichen Sie-Form bliebe? Eben.
Ich weiss nicht, wie viel Zeit mir schon von solchen Anrufen gestohlen worden ist. Letzte Woche aber hat mir ein Freund einen Tipp gegeben. Seither freue ich mich noch mehr auf das Klingeln meines Telefons. Und wenn jemand mit mir über meine Krankenkasse sprechen will, dann sage ich: «Fein, auf Ihren Anruf habe ich gewartet! Einen Moment, ich hole meinen Terminkalender.» Lege nicht auf, dafür das Telefon wieder hinter das rote Sofa. Und stehle auch einmal ein bisschen Zeit.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 08.11.13