Tor zur modernen Bildungswelt

Mit dem neuen Diplom «International Baccalaureate» will sich das Basler Gymnasium am Münsterplatz im internationalen Bildungswettstreit profilieren und Kinder von Expats anlocken – eine Strategie, die auch auf Skepsis stösst. Moribus et litteris sacrum» steht in goldenen Lettern auf dem schwarzen Medaillon über dem schweren Holztor, das ins Gymnasium am Münsterplatz führt und durch das […]

«Der Charakterbildung und Gelehrsamkeit geweiht»: Das Motto des Gymnasiums am Münsterplatz gilt nur noch bedingt. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Mit dem neuen Diplom «International Baccalaureate» will sich das Basler Gymnasium am Münsterplatz im internationalen Bildungswettstreit profilieren und Kinder von Expats anlocken – eine Strategie, die auch auf Skepsis stösst.

Moribus et litteris sacrum» steht in goldenen Lettern auf dem schwarzen Medaillon über dem schweren Holztor, das ins Gymnasium am Münsterplatz führt und durch das einst so grosse Namen wie Johann Rudolf Wettstein und Jacob Burckhardt schritten.

Früher, also vor 1997, als diese Schule am schönsten Platz Basels noch Humanistisches Gymnasium hiess und Latein Pflichtfach war, hätte jeder Schüler und – ab 1968 – jede Schülerin diese Worte spielend übersetzen können. Heute muss man dem einen oder der anderen, die Spanisch oder Philo­sophie/Psychologie/Pädagogik als Schwerpunktfach gewählt haben, vielleicht etwas helfen: «Der Charakterbildung und Ge­lehrsamkeit geweiht», heisst der Sinnspruch auf Deutsch.

Zumindest von der Pforte herunter scheint der stolze humanistische Geist der Vergangenheit nachzuklingen. Vielleicht aber passen die pragmatischen Zeilen neben dem Eingang besser zur heutigen Zeit: «Zutritt nur für Berechtigte – Access for authorized only», wehrt ein weisser Schriftzug auf grauem Hintergrund Nicht­berechtigte ab. Dieses Schild habe mit Abschottung nichts zu tun, betont der Rektor Eugen Krieger. «Wir versuchen damit lediglich zu verhindern, dass allzu viele Touristen in den Unterricht platzen.»

Und doch hat die Zweisprachigkeit des Schildes auch etwas Sinnbildliches: Wo einst das klassische Sprachduo Griechisch und Latein das Selbstverständnis des mit 423 Jahren ältesten Basler Gymnasiums prägte, ist es neu eine Kombi­nation von Deutsch und Englisch, mit der sich die Schule vom gymnasialen Mainstream abhebt.

Gut fürs Studium im Ausland

Vor elf Jahren führte das Gymnasium am Münsterplatz als erste Basler Staatsschule den sogenannten Immersionsunterricht ein – die Möglichkeit, verschiedene Schulfächer in englischer Sprache zu besuchen und eine zweisprachige Matur zu absolvieren. Die Gymnasien Leonhard und Kirschgarten folgten dem Beispiel.

Seit einem Jahr nun geht die altehrwürdige Schule als fünftes staatliches Gymnasium in der Schweiz mit dem «International Baccalaureate» (IB) wiederum einen Schritt weiter. Gegenüber der zweisprachigen Matur hat das IB-Diplom den Vorteil, dass es international anerkannt ist und damit den Absolventen den Zugang zu einer ausländischen Uni wesentlich erleichtert.

Rektor Krieger freut sich über den erfolgreichen Einstand von IB. Die Zahl der Anmeldungen ist stark gestiegen. «Gut ein Drittel der Schülerinnen und Schüler bewirbt sich um einen Platz in einer IB-Klasse.» Dazu kommt eine wachsende Zahl von Quereinsteigern aus Privatschulen. Und es kommen auch immer mehr Kinder von Expats: Mittlerweile seien es 10 bis 15 Prozent pro Jahrgang, so Krieger. «Die deutschsprachigen Schüler profitieren von den englischsprachigen Expats, und für diese wiederum hat die Eingliederung in diese Klassen eine integrative Funktion.»

Der Spagat zwischen der altphilologischen Tradition und dem Fachunterricht in der Wissenschafts-Weltsprache Englisch kommt selbst in der traditions­verbundenen Fördervereinigung HG 400 gut an. «Wir begrüssen eine Massnahme, die den eigenständigen Charakter der Schule stärkt», sagt HG-400-Präsident Sebastian Burckhardt, um dann aber gleich anzufügen, dass ihm eine Aufwertung des Lateins mehr am Herzen gelegen wäre.

Weniger traditionalistisch veranlagte Ehemalige finden dagegen lobende Worte für die Entwicklung: «Damit hat das ehemalige HG einen guten und spannenden Weg gefunden, sich als Schule mit einem eigenständigen Profil zu positionieren», sagt etwa Tobit Schäfer, SP-Grossrat und Ex-HGler.

In der Schülerschaft stösst diese Entwicklung aber auch auf Skepsis. «Die Schulleitung richtet sich sehr nach den Bedürfnissen der IB-Klassen, während die Wünsche der Nicht-IBler in zweiter Priorität behandelt werden», sagt Armin Cem Kieser, Drittklässler mit Schwerpunktfach Spanisch und designierter Co-Präsident des SchülerInnenparlaments. Als Beispiel nennt er die Neueinrichtung des Biologieraums – eine Massnahme, von der zwar alle profitieren, die unter dem Strich aber auf die Strategie ausgerichtet sei, die Bedürfnisse der Expats zu befriedigen. Andere Verbesserungswünsche wie etwa die Einrichtung von genügend Spinds würden dagegen auf die lange Bank geschoben.

Trotz dieser Kritik scheinen sich die Schüler auf dem Münsterplatz wohl zu fühlen: «Das Bildungsniveau ist gut, und unter uns Schülern herrscht eine tolle Atmosphäre», sagt Kieser. Also alles halb so schlimm?

Skilager sorgt für Unmut

Eigentlich schon, wenn nur das mit den Skilagern nicht wäre. Ein Dorn im Auge vieler ist der Plan der Schulleitung, die Skilager in der vierten Klasse nur noch als Alternative zur Theaterwoche anzubieten und in der fünften Klasse zugunsten einer Probematur ganz ab­zuschaffen. Eine von Kieser lancierte Petition wurde von gut zwei Dritteln der Schüler unterschrieben. «Wir versuchen nun, zumindest das Skilager in der fünften Klasse zu retten.»

Rektor Krieger kann den Widerstand gegen die ­geänderte Praxis nicht ganz nachvollziehen: «In der ersten bis dritten Klasse bleiben die Skilager, wie auch an an­deren Basler Gymnasien üblich, be­stehen.» Und: Gut die Hälfte der Oberstufenschüler sei den fakultativen Skilagern bereits in der Vergangenheit freiwillig ferngeblieben.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.03.12

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