Es gibt Traumata im Leben, die kann man nicht überwinden. Andere sollte man irgendwann hinter sich lassen. Mein Französisch-Trauma gehört sicherlich zu Letzteren.
Es war 1999, als meine Französischlehrerin zu mir sagte: «Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.» Es war ihre Reaktion auf meine korrekte Antwort. Vor der versammelten Klasse, versteht sich. Danach habe ich nur noch ungenügende Französischprüfungen geschrieben und auf die Frage «Parlez-vous français?» konsequent mit einem leicht panischen Kopfschütteln geantwortet.
Irgendwann hat mich doch der Ehrgeiz übermannt. So schwer kann das doch nicht sein, dachte ich mir. Und fuhr nach Toulouse.
Mein Aufenthalt begann damit, dass ich verwirrt auf meinem Zugsitz sass und nicht verstand, weshalb alle ihre Sachen packten und hinausstürmten (der Zug wurde wegen eines verlassenen Gepäckstückes evakuiert) und endete damit, dass ich einem griesgrämigen Sicherheitsbeamten in seiner Sprache erklärte, weshalb ich eine rosa bemalte Betonsperre fotografierte und dass ich deshalb noch keine Terroristin bin.
Charme einer Kleinstadt
Wie es zu diesem Sprachwandel gekommen ist? Dank Toulouse, dank dieser kleinen, überschaubaren Stadt aus rosa Backsteinbauten, deren Einwohner einen immer anzulächeln scheinen und auch wildfremde Menschen ansprechen, ohne aufdringlich zu wirken (bei mir wars im Kino und auf der Parkbank), dank der Café-Betreiber, die geduldig erklären, dass «coffee to go» auf Französisch «café à emporter» bedeutet und dank der Buchhandlung «Ombres blanches», in der man stundenlang in der «Bandes dessinées»-Abteilung schmökern will.
Auch wenn es am Anfang Überwindung braucht, um nur schon einen französischen Satz zu sagen – die Stadt lockt mit so vielen Schönheiten, dass man es einfach versucht: Brioche, Chocolatine oder Croissant framboise, die den morgendlichen Café au lait erst so richtig gut machen (die besten fand ich in der Boulangerie Saint Georges), die kleinen Boutiquen, die von Veilchenbonbons über Tee bis zu Plakaten alles Mögliche anbieten oder die Zapfhähne in der Studentenkneipe, bei der man sich zwischen allerlei Bieren entscheiden muss.
Einfach auf die Parkbank sitzen
«Aber ich geh trotzdem lieber nach Paris», können Sie jetzt sagen. Klar, aber Sie verpassen was: Die viertgrösste Stadt von Frankreich, die trotzdem den Charme einer Kleinstadt versprüht. Die für den Winter erträgliche Temperaturen verspricht. Die dank dem Hauptsitz von Airbus mindestens viermal in der Woche von Easyjet direkt ab Basel angeflogen wird.
In deren Rathaus man Gefahr läuft, heiraten zu wollen, nur um etwas länger in diesem wunderschönen Hochzeitssaal bleiben zu können. In dieser Stadt gibt es eine schwarze Madonna, die von Yves Saint Laurent eingekleidet wurde (in der Notre-Dame de la Daurade) und die Reichen (zumindest Monsieur Bemberg) vermachen Toulouse einen Kunstschatz, der von Monet über Rodin und Matisse bis zu Picasso reicht (die Fondation Bemberg).
Wer Hunger bekommt, findet in Toulouse ein frisch zubereitetes Sandwich für weniger als fünf Euro und Glace in der Form einer Rose (Amorino).
Zwar kann man in der Garonne nicht schwimmen, dafür bietet sie eine schöne Promenade für Spaziergänge. Wie auch der Canal du Midi, der von hier bis zum Mittelmeer führt. Der Kanal, der fast auf der ganzen Länge von Alleen gesäumt ist, schlängelt sich als grüner Streifen durch die ganze Stadt. Und wer vom Spazieren genug hat, setzt sich einfach auf eine Parkbank und beobachtet das Treiben in der «ville en rose» mit all ihren netten Menschen.
Erfahren: Für den Canal du Midi lohnt sich eine Fahrradtour. Fahrradstationen sind in der ganzen Stadt verteilt. Einmal anmelden, losfahren, bei der nächsten Station einfach wieder einchecken.
Erstaunen: Georges Bemberg vermachte der Stadt 1100 Kunstwerke. Zu sehen gibt es sie in der Fondation Bemberg – in einem Palast aus der Renaissance.
Erleben: Etwas ausserhalb von Toulouse gibt es die Cité de l’Espace, einen Erlebnispark mit Planetarium und Raumfahrt-Simulatoren.
Einkaufen: Am Sonntagvormittag bei der Cathédrale Saint Aubin Markt, wo es neben frischen Lebensmitteln auch Essstände und einen kleinen Flohmarkt gibt.