Wenn der FC Basel am Samstagabend auswärts auf den FC Lausanne-Sport trifft, erwarten die Zuschauer Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. In einem Stadion, das in der Super League seinesgleichen sucht. Das Stade Olympique de la Pontaise wurde vor 63 Jahren eröffnet, rechtzeitig zur Fussball-Weltmeisterschaft in der Schweiz.
Bald sind die Tage dieses zugigen, aber durchaus charmanten Relikts aus einer anderen Zeit gezählt. Im Sommer 2019 erhält der Fussballverein eine neue Bleibe, das Stade de la Tuilière mit 12’000 Plätzen, das dereinst mit der Metro-Linie M3 erschlossen werden soll.
Dann ist die Pontaise Geschichte und der FC Lausanne-Sport um ein Problem erleichtert: «Momentan zieht es in Lausanne 8000 Menschen zum Eishockey, zum Fussball lediglich 3000. Man muss anerkennen, dass es mit der Pontaise schwierig ist, mehr Menschen zu begeistern. Das zukünftige Stadion wird das ermöglichen», sagt David Thompson der Westschweizer Zeitung «Le Temps».
Der Engländer Thompson ist neuer Präsident des FC Lausanne-Sport, seit sein Vorgänger Alain Joseph Mitte November seine Aktien an den Chemiekonzern Ineos mit dem CEO und Verwaltungsrat Jim Ratcliffe abgetreten hat. Ratcliffe hat Ineos 1998 gegründet und ist Milliardär geworden, die «Bilanz» hat ihn in der Liste der 300 Reichsten in der Schweiz als «Chemiebaron aus Rolle» bezeichnet. 2010 hat die Firma unter anderem aus steuertechnischen Gründen ihren Firmensitz von England nach Rolle im Kanton Waadt verlegt, 60 der 110 Schweizer Angestellten arbeiten dort.
Das Unternehmen stellt chemische Produkte aus Öl her und setzt laut «Finanz und Wirtschaft» mit 17’000 Mitarbeitern weltweit 50 Milliarden Dollar um. Einen Teil des Geldes steckt Ineos in den FC Lausanne-Sport. Weitere Mittel fliessen in den Lausanne HC, den Hockeyclub, bei dem Ineos Hauptsponsor und Thompson Verwaltungsrat ist.
«Trotz gewisser Unsicherheiten habe ich den Eindruck, dass wir bald wieder das grosse Lausanne erleben können.»
Von den Hockeyanern wollen die Fussballer lernen. Nicht nur in puncto Attraktivität, bei der die Eismänner am Genfersee die Nase vorne haben, sondern auch in Sachen Vereinsstruktur. Eine der ersten Aufgaben der neuen Führung ist die Suche nach einem Sportdirektor. «Wir wollen drei oder vier neue Spieler mit viel Erfahrung finden, um die Mannschaft zu verstärken. Vor allem brauchen wir aber einen Sportdirektor. Dieser soll das Gesicht des Vereins sein, ähnlich wie Jan Alston beim Lausanne HC», sagt Thompson in «Le Temps» weiter.
Nach Josephs Abgang, der sechs Jahre Vize- und zuletzt vier Jahre lang Präsident war, ist vorderhand Fabio Celestini das Gesicht des Vereins. Seit bald drei Jahren ist der 42-Jährige Trainer, er hat mit den Waadtländern Höhen und Tiefen erlebt und sich in dieser Saison im Mittelfeld der Tabelle festgesetzt. Zur Zukunft mit der Kaufkraft des neuen Besitzers sagt Celestini in «Le Temps»: «Wie alle Anfänge einer Geschichte ist auch dieser aufregend. Trotz gewisser Unsicherheiten habe ich den Eindruck, dass wir bald wieder das grosse Lausanne erleben können.»
Das grosse Lausanne war sechs Mal Meister und erreichte 1965 den Viertelfinal des Cupsieger-Cups. Der neue Besitzer Ratcliffe will Lausanne wieder an diese Erfolge heranführen. Und der neue Präsident Thompson sagt zwar, dass in der Schweiz der Weg nach ganz oben schwierig sei. Es erscheine ihm aber möglich, sich in den nächsten vier bis fünf Jahren unter den ersten drei, vier Mannschaft zu platzieren.
Der Erwerb des FC Lausanne-Sport ist für Ratcliffes Ineos der «erste grosse Schritt in den Fussball der Topklasse». Bei den Junioren des Team Vaud war Ineos schon vorher engagiert. Und im Geschäft mit den Junioren will das Unternehmen auch weiterhin tätigt sein. Geplant sind Nachwuchsakademien in Botswana und Namibia, deren beste Spieler über Lausanne den Weg in den europäischen Fussball finden sollen.
Balsam für den gebeutelten Westschweizer Fussball
Das Projekt ist ambitioniert. Vor allem, weil es in Ländern angesiedelt ist, die bisher kaum namhafte Spieler für den europäischen Fussball hervorgebracht haben. Aber es ist ein Hinweis darauf, dass es Lausannes neuem Besitzer mit dem Engagement im Sport Ernst ist, wenngleich dahinter auch unternehmerische Interessen stehen. Dass Ineos zudem im Eishockey, Rugby, Volleyball und bei der Jugend des Team Vaud engagiert ist, ist ein weiterer Hinweis auf ein längerfristiges Engagement.
Das ist Balsam für den gebeutelten Fussballanhang in der Westschweiz, die durch die Investoren Marc Roger und Bulat Tschagajew durchgerüttelt wurde. Die Super League verlor durch Konkurse Servette Genf (2004) und Neuchâtel Xamax (2012). Beide Clubs kämpften sich durch die Niederungen der Amateurligen zurück und belegen aktuell die ersten beiden Plätze der Challenge League.
Von dieser Liga ist Lausanne weit entfernt. Fünf Punkte trennen die Waadtländer vom FC Luzern und dem Abstiegsplatz, auch dank des überraschenden 2:1-Erfolgs gegen den FC Basel in Runde 7. Und wenn Celestinis Equipe am Samstag der nächste Coup gegen den Meister gelingen sollte, schnuppert sie an den Europacup-Plätzen. Der Präsident David Thompson wird dann erstmal in neuer Funktion im Stadion sein.
FC Basel: Status quo bei den Abwesenden
Vier Spieler des FC Basel reisen nicht mit zum Spiel am Samstag gegen den FC Lausanne-Sport: Ricky van Wolfswinkel ist im Aufbau, Kevin Bua und Geoffroy Serey Dié sind nach Muskelverletzungen noch nicht bereit und Omar Gaber noch immer krank. Trainer Raphael Wicky erwartet ein «kompliziertes Spiel» gegen einen Gegner, der sich nach einem schwachen Saisonstart gefangen hat: Lausanne steht nach 16 Runden auf dem sechsten Rang, mit 16 Punkten und einem Torverhältnis von 25 zu 30.
Das erste Aufeinandertreffen der laufenden Spielzeit hat der FC Basel verloren. Das 1:2 im St.-Jakob-Park war Anfang September die erste von zwei Niederlagen in Folge, die für den FCB der Tiefpunkt der Saison waren.
Mögliche Aufstellung des FC Basel in Lausanne: Vaclik – Lang, Suchy, Akanji, Petretta – Xhaka, Zuffi – Steffen, Fransson, Elyounoussi – Ajeti.