«Trainspotting» – Spritztour durch die Jugend

Heroin, Überdosis, «Lust for Life»: Danny Boyles «Trainspotting» gehört zu den prägendsten Filmen der Neunzigerjahre. Nun kommt mit «T2» der Nachfolger ins Kino.

Die Neunziger hatten echte Drogenprobleme. Und sie hatten «Trainspotting».

(Bild: © Universal Studios)

Heroin, Überdosis, «Lust for Life»: Danny Boyles «Trainspotting» gehört zu den prägendsten Filmen der Neunzigerjahre. Nun kommt mit «T2» der Nachfolger ins Kino.

Der deutsche Filmuntertitel bezeichnete sie als «Neue Helden». Und meinte damit:

  • Sick Boy, ein wasserstoffblonder, bösartiger Frauenheld, 
  • Spud, der das kleine Glück stets vergeblich sucht, weil er sich viel zu nett und zu dämlich anstellt, 
  • Tommy, der seine Freundin liebt und Fussball und überhaupt Sport, und der doch am tiefsten fällt, 
  • Begbie, ein cholerischer Alkoholiker mit dem Hobby, Kneipengäste zusammenzuschlagen, und
  • Mark Renton. Ein Fiesling, der seine Freunde abzockt, aber eben doch ein sympathischer Fiesling ist. 

In dem abgeranzten Vorort von Edinburgh, in dem sie in den späten Achtziger-, frühen Neunzigerjahren abhängen, hält das sogenannte echte Leben nichts als drögen Alltag bereit. Job, Familie, Häuschen, schliesslich Tod. Oder aber etwas ganz anderes. «Ich entschied mich, nicht dieses Leben zu wählen», hört man Renton aus dem Off sagen, während in der Eröffnungssequenz die Helden vor der Polizei davonrennen und Iggy Pop «Lust for Life» rasselt. «Ich entschied mich für etwas anderes. Und der Grund? Es gibt keinen Grund. Wer braucht schon Gründe, wenn man Heroin hat?»

Heroin. Vor 25 Jahren war die Droge der Horror, vor dem sich Eltern fürchteten. Auch in der Schweiz: In den Neunzigern gehörte Zürich mit Platzspitz und Letten zu den Städten mit dem offensichtlichsten Drogenproblem Europas, Schulen und Gesundheitsministerien lancierten Aufklärungskampagnen, der wachsenden Zahl an Drogentoten war mit blosser Repression nicht mehr beizukommen.

Und dann kam, mitten in dieses Klima, «Trainspotting». Mit Sätzen wie diesem: «Nimm den besten Orgasmus, den du je hattest, nimm ihn mal 1000, und du bist noch nicht einmal nah dran.»

«Wir wollten auf keinen Fall die Gesundheitswarnungen der Regierung verfilmen.»
Regisseur Danny Bolye 

Den Roman «Trainspotting» schrieb der britische Autor Irving Welsh 1993 als Chronik seiner Jugendjahre. Und als Erinnerung an eine Zeit, als er aus London, wo er sich an einer höheren Wirtschaftsschule langweilte, öfters zurück nach Edinburgh fahren musste, weil wieder ein alter Freund an einer Überdosis oder an Aids gestorben war.

Als Regisseur Danny Boyle drei Jahre später den Stoff verfilmte, brach die Entrüstung los. Der Film verführe zum Drogenkonsum, empörten sich britische Medien, er glorifiziere, anstatt zu verdammen, er mokiere sich über die «Just Say No»-Kampagnen der Regierung, anstatt sie mitzutragen.

Völlig falsch waren die Vorwürfe nicht. «Wir wollten auf keinen Fall die Gesundheitswarnungen der Regierung verfilmen», kommentierte Danny Boyle. Aber «Trainspotting» ist weder Sozialstudie noch ein subversives Heldenepos. Wegen des Heroinrauschs verhungern Babys und vegetieren ehemals vor Kraft und Lebenslust strotzende Freunde dahin. Aber neben dem Sprachwitz, den der Film grosszügig von Welshs Vorlage übernimmt, schafft Boyle auch eine Gegenkultur um Sex, Saufen, Fussball und Musik, in der die Restkohle des überbordenden Nihilismus des Punk ebenso glimmt wie das Versprechen der Kleinganoven vom einen grossen Wurf, der ihre ziellosen Leben sanieren soll.

Und nicht zuletzt stimmte das Timing: Buch wie Film entstanden in der Blase von «Cool Britannia», als New Labor und Britpop, die Young British Artists sowie ein gegenwartsgerecht aufgemöbelter James Bond dem Königreich neuen Glamour verliehen.

Quentin Tarantinos «Pulp Fiction» – dem anderen grossen Kultfilm jener Jahre – nicht unähnlich, verstand sich Boyle exzellent auf den Einsatz von Songs. Ob Hauptfigur Renton im Rausch zu Lou Reeds «Perfect Day» nach dem Kick fast ins Grab fällt oder zur Dancehymne «Born Slippy» sich entscheidet, seine Freunde zu bescheissen und ein neues Leben zu beginnen – die Bilder von «Trainspotting» gewinnen erst mit der Soundspur ihre ikonische Kraft.

Kein britischer Film der letzten 20 Jahre hinterliess einen derartigen Eindruck. Keiner – bis vielleicht auf den, der jetzt kommt: «T2». Der Nachfolger, 20 Jahre danach.

Andere Drogen beherrschen die Gegenwart, und auch das Königreich ist nicht mehr dasselbe. «Wir sind der Abschaum der Erde», herrschte Renton damals einen Kumpel an, als dieser ihn fragte, ob er nicht ein stolzer Schotte sei. «Manche hassen die Engländer. Ich nicht. Die sind einfach nur Wichser. Wir aber liessen uns von Wichsern kolonialisieren. Wir haben es nicht mal fertiggebracht, uns von einer anständigen Kultur kolonialisieren zu lassen.»

Ob das im Zeitalter von Brexit und einer erstarkten schottischen Nationalbewegung noch immer so klingt – ab Donnerstag kann man es in den Basler Kinos sehen. 

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«T2» läuft ab Donnerstag, 16. Februar, im Kultkino und im Pathé.

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