Es dauerte drei Jahre, bis M. P.* realisierte, dass sie das Opfer in dieser Geschichte war. Auf das, was die 57-Jährige erlebte, weisen im Haus heute zwar nur noch ein paar weisse und braune Flecken hin. Aber das Desaster ist gebündelt in zwei Aktenordnern, die vor ihr auf dem Tisch liegen.
«Oh Gott», rutscht es M. P. raus, während sie die Geschichte vom Kauf ihrer Wohnung erzählt. «Ich weiss gar nicht, wo anfangen.» Die vielen Seiten in den Ordnern belegen den Frust, den M. P. mit der Immobilienfirma Immro AG erlebte.
Diese ist bekannt als die aggressivste und umtriebigste Firma auf dem Basler Immobilienmarkt (die TagesWoche berichtete). Sie hinterlässt häufig aufgebrachte Mieter und erzürnt Käufer. Eine davon ist M. P.
Zu Beginn: Volles Vertrauen
Ihre Geschichte beginnt 2012, als sie krank im Bett liegt und Inserate im Internet durchscrollt. Damals lebte M. P. noch in Graubünden, suchte aber eine Wohnung in der Region Basel. Bei einer Anzeige für eine Wohnung in Binningen, beste Lage, blieb sie hängen.
Die musste sie kriegen. Und sie kriegte sie.
«Wenn Sie eine Wohnung unbedingt haben wollen, überlegen Sie nicht lange. Denn Sie wissen, dass der nächste Käufer schon wartet.» Der Immobilien-Firma habe sie volles Vertrauen geschenkt. Heute sagt sie: «Firmen wie die Immro/Stadthaus AG meinen, sie könnten sich in der Situation eines überhitzten Immobilienmarktes alles erlauben.»
Die vier Wohnungen im Haus wurden alle etwa zum gleichen Zeitpunkt von der Immro AG verkauft. Die Stadthaus AG, die mit der Immro AG eng verbandelt ist, vereinbarte mit den neuen Eigentümern Werkverträge, die festlegten, was noch gemacht werden muss.
Eine Heizung, die keiner kennt
Nach dem Kauf lief zunächst alles gut. Bis die Stockwerkeigentümer das erste Mal die Heizung warten lassen mussten. Die Sanitärfirma, die kam, hatte das Modell der Firma «Bösch» noch nie gesehen. Auch mehrere andere Firmen, die der Hausverwalter kontaktierte, wussten damit nichts anzufangen.
Die Sanitärfirma, die das Gerät im Auftrag der Immro AG installierte, existierte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Also gab es auch niemanden, der sagen konnte, woher die Heizung kam. Der Verwalter habe empfohlen, eine komplett neue Heizung zu installieren, da es dieses Modell in der Schweiz offiziell nicht zu geben schien.
Wie konnte es sein, dass die Immro/Stadthaus AG ein Heizungssystem in dem Haus installierte, das sämtlichen Sanitärfirmen aus der Region unbekannt war?
M. P. begab sich auf Spurensuche.
Sie rief bei der Firma Bösch im österreichischen Vorarlberg an. Dort habe man ihr gesagt: Unmöglich, dass das beschriebene Modell in einem Wohnhaus in der Schweiz installiert wurde. Bösch ist eine Zulieferfirma von Elco, die in der Schweiz Heizsysteme verkauft. Es stellte sich heraus, dass das Gerät im Haus von M. P. auch von Elco vertrieben wird – aber unter einer anderen Typennummer.
«Diese Firma will mit minimalem Aufwand einen maximalen Preis erzielen.»
Die Recherche von M. P. dauerte etwa zwei Wochen und sie hatte sich gelohnt. Das Rätsel war gelöst, die Firma Elco konnte den Service an der Heizung machen.
Mit dieser Entdeckung wuchs bei M. P. das Misstrauen gegenüber der Immro AG und die Erkenntnis: «Diese Firma will mit minimalem Aufwand einen maximalen Preis erzielen.» Dabei bewege sie sich im Graubereich dessen, was erlaubt sei.
Zum Beispiel bei den Mängeln, deren Beseitigung die Stockwerkeigentümer im Haus mit der Immro/Stadthaus AG vereinbarten. Die Fertigstellung der Kellertreppe, das Isolieren der Heizrohre, das Richten der Storen und 25 weitere Arbeiten waren 2014 ein Jahr nach dem Bezug der Wohnungen noch immer nicht erledigt. Und das, obwohl sich die Stadthaus AG dazu verpflichtet hatte, die Mängel innerhalb von drei Monaten nach dem Bezug zu erledigen.
Wasser dringt durch Kellertüre ein
Via Hausverwalter liessen die neuen Eigentümer der Immro/Stadthaus AG ein Mahnschreiben zukommen. Keine Reaktion. Wütend griff M. P. zum Telefon und machte Druck auf die Wohnungsbaufirma. Danach kam etwas in Gange.
Die Firma erledigte die nötigsten Arbeiten – mit minimalem Aufwand, wie M. P. erzählt. Eine undichte Stelle bei der Kellertüre versiegelten die Arbeiter mit etwas Silikon und einer neuen Blechabdeckung. Ein Gutachten der Stamm Bau AG bescheinigte später, dass das ungenügend war.
So trat bei heftigem Regen immer noch Wasser durch die Kellertüre ein. Die Wasserspuren an der danebenliegenden Wand sind bis heute sichtbar. Auch zwischen den Balkonen und der Fassade tropft bis heute das Wasser durch. Die Flecken sind auf dem Balkon-Holzboden deutlich sichtbar.
Eine Offerte der Stamm Bau AG listete im Herbst 2014 die ausstehenden Arbeiten auf. Kostenpunkt: rund 3700 Franken. Bis heute wurden die Arbeiten von der Immro/Stadthaus AG nicht abschliessend erledigt. «Man mag irgendwann nicht mehr», sagt M. P. «Das ist auch das erklärte Ziel der Firma: Arbeiten aufschieben, Eigentümer zermürben.»
Ablaufende Frist
Seit dem Wohnungskauf sind mittlerweile fast sechs Jahre vergangen, die fünfjährige Frist, in der die Mängel laut Baurecht von der Baufirma beseitigt werden müssen, ist abgelaufen. M. P. und die anderen Stockwerkeigentümer im Haus können die Forderungen gegenüber der Immro/Stadthaus AG deshalb nicht mehr geltend machen.
Nach fünf Jahren werde es extrem schwierig für den neuen Eigentümer, rechtlich gegen die Vertragsfirma vorzugehen, erklärt Andreas Zappalà vom Basler Hauseigentümerverband. Die Eigentümer müssten während der fünf Jahre die Baufirma für die ausstehenden Mängel betreiben oder gleich gegen sie klagen. Damit werde die Verjährung unterbunden.
Zappalà rät Haus- und Wohnungskäufern auch, den Kauf- und Werkvertrag genau prüfen zu lassen, bevor sie ihn unterzeichnen. Das sei heute sicher schwieriger als noch in den 1990er-Jahren. «Damals gab es noch relativ grosse Verhandlungsspielräume beim Kauf von Wohneigentum. Heute gibt es den praktisch nicht mehr.» Denn wer den Kaufpreis verhandeln wolle, würde rasch von den anderen Interessenten ausgebootet.
«Käufer sind heute eher bereit, Risiken einzugehen, da sie wissen, dass sie sonst vielleicht keine Chance haben, eine Liegenschaft zu erwerben», erklärt Zappalà.
Was sagt die Immro AG?
Die Immro/Stadthaus AG gesteht indes keine Fehler ein. Jürg Buser von der Stadthaus AG schreibt, man lege «seit jeher grossen Wert auf Kundenzufriedenheit unserer sehr zahlreichen Kunden».
Man habe zudem viele Kunden, «die wiederholt bei uns kaufen und kaufen werden». Buser schickt als Beleg für die erfolgreiche Arbeit das Dankesschreiben eines Käufers, der die Zusammenarbeit mit der Immro/Stadthaus AG äusserst wohlwollend beurteilt, aber die schleppenden Arbeiten kritisiert.
Auf die konkreten Fragen, die die TagesWoche ohne Angabe der Verkaufsadresse verschickte, geht Buser nicht ein.
* Name der Redaktion bekannt