Die Pädagogische Hochschule FHNW erlebt einen regelrechten Boom unter Studierenden, trotz politischer Unsicherheiten wie der Einführung des Lehrplans 21.
Der Lehrerberuf ist beliebter denn je, wie die Studierendenzahlen der Pädagogischen Hochschule FHNW (PH FHNW) zeigen. Während im Jahr 2006 dort 1600 Studierende in Ausbildung waren, werden es diesen Herbst rund 3300 sein – mehr als doppelt so viel wie vor knapp zehn Jahren, wie der Kommunikationsverantwortliche Christian Irgl sagt.
Dabei ist Lehrer sein kein einfacher Beruf: Vor allem mit der Einführung des Lehrplans 21 bekommen die Lehrpersonen die Verunsicherung der Eltern zu spüren und stehen unter dem Druck der öffentlichen Wahrnehmung. Das tut der Beliebtheit des Berufs allerdings keinen Abbruch.
Auf die Reformen vorbereitet
Doch wie ist es für junge, unerfahrene Lehrpersonen, in dieser turbulenten Zeit in die Arbeitswelt einzusteigen? Denn neben Harmos und dem Lehrplan 21 ist auch die schulische Integration eine wesentliche Neuerung. Christian Irgl sagt, die Studierenden, die nun in den Beruf einsteigen, seien entsprechend darauf vorbereitet. «Sie sind ja bereits mit den entsprechenden Rahmenbedingungen ausgebildet worden.»
Das erlaubt den Berufseinsteigern eine andere Sicht auf das reformierte Klassenzimmer. Die junge Primarlehrerin Sarah Feuz sagt: «Wir Lehrer, die frisch von der Ausbildung kommen, erleben die Reform ganz anders als unsere alteingesessenen Kollegen – im Gegensatz zu ihnen müssen wir nicht mit jahrelangen Unterrichtstraditionen brechen.»
Trotzdem sei es beim Berufseinstieg spürbar, dass es «eine spezielle Zeit sei», um mit dem Unterrichten zu beginnen. Feuz hatte bereits während des Studiums sowie nach dem Abschluss mehrere Teilzeitstellen als Lehrerin inne. Sie sagt: «Die Stimmung in den Teams ist oft ziemlich angespannt, weil keiner so genau weiss, wie es weitergeht.»
«Alle Kinder in allen Lernbereichen gleichzeitig individuell zu fördern, ist kaum möglich.»
Sie selbst habe sich auch in ihrer Bachelorarbeit mit der Schulharmonisierung befasst und sich dadurch viele kritische Gedanken zu dieser Reform gemacht: «Ich schätze die Freiheiten, die mit Harmos einhergehen, zum Beispiel die Möglichkeiten zur Projektarbeit.» Eine Schattenseite der Reform findet Feuz, dass die im Rahmen von Harmos formulierten hohen Ansprüche zur individuellen Betreuung der Kinder in der Praxis schwer umsetzbar seien.
«Alle Kinder in allen Lernbereichen gleichzeitig individuell zu fördern, ist kaum möglich», sagt Feuz. Handkehrum gebe es aber auch in schwierigen Situationen mehr Sicherheit, da viel Teamarbeit stattfinde und durch die Integrative Schule oft eine weitere Lehrperson, etwa ein Heilpädagoge, in die Klasse eingebunden sei.
«Gerade in Schulhäusern mit Integrationsklassen ist man teilweise mit sehr schwierigen Kindern und Schicksalen konfrontiert», sagt Feuz. Da komme schon das Gefühl auf, dass die Anforderungen an die Lehrperson riesig sei und die eigenen Fähigkeiten kaum ausreichen würden – allein schon durch die grosse Vielfalt der Kinder.
Junglehrer wissen, was sie erwartet
Völlig im kalten Wasser schwimmen die neuen Lehrerinnen und Lehrer aber nicht, das sagt auch Fachhochschul-Sprecher Irgl. Durch die zahlreichen Praktika während der Ausbildung wüssten die jungen Lehrer, was auf sie zukommt. «Und viele junge Leute suchen nicht nur ein einfaches Einkommen, sondern Herausforderungen.»
Auch Schulleiterin Christa Gillierón vom Basler Bläsi-Schulhaus stellt fest, dass die meisten Junglehrpersonen ziemlich genau wissen, was sie nach dem Studium erwartet. Dieses Jahr beginnen in ihrem Schulhaus zehn neue Lehrpersonen, das sind doppelt so viele wie im vergangenen Jahr.
Gillierón sagt: «Viele suchen sich auch bewusst eine Schule wie das Bläsi aus, die sich durch einen hohen Fremdsprachenanteil und eine sehr heterogene Klassenzusammensetzung auszeichnet.» Sie selbst kann dies gut verstehen, findet sie es doch spannend und herausfordernd, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zu tun zu haben.
Sie erlebe die Hochschulabgänger, die in ihrem Schulhaus in den Beruf einsteigen, vor allem positiv: «Sie bereiten sich sehr seriös vor und sind gute Teamplayer.»
Christian Irgl, Sprecher der Pädagogischen Hochschule FHNW, findet es bedenklich, dass der Lehrerberuf in der Öffentlichkeit bis heute als gemütlicher Job wahrgenommen werde: «Da ist immer noch viel von den langen Ferien und dem kurzen Ausbildungsweg die Rede, dabei gibt es nur wenige Berufe, die bereits kurz nach Abschluss eine so grosse Verantwortung mit sich bringen.» Und unterrichtsfreie Zeit bedeute für Lehrer in der Regel nicht Ferien, sondern notwendige Zeit für Vorbereitung, Nachbereitung und Weiterbildungen. Das stützt auch Christa Gillierón, Schulleiterin des Bläsi-Primarschulhauses: «Lehrpersonen arbeiten nicht weniger als andere Berufsgruppen.» In Zahlen heisst das: Lehrpersonen haben in Basel eine Jahresarbeitszeit, die jener des Staatspersonals entspricht, das sind 1915 Stunden pro Jahr.