Arbeitslose im fortgeschrittenen Alter haben oft Mühe, eine neue Stelle zu finden. Der Verein «50plus outIn work» hat deshalb eine Petition eingereicht und fordert darin Massnahmen vom Kanton.
Die Durstrecke dauert für Christian Fischer schon fast sieben Jahre an: «Wenn ich es einmal jährlich an ein Vorstellungsgespräch schaffe, ist das bereits ein Erfolg», sagt er. Fischer ist zwar erst 48 Jahre alt, doch die Langzeitarbeitslosigkeit hatte auch ihm zu schaffen gemacht. Für ihn gehören ansonsten unzählige Bewerbungsschreiben – und ebenso viele Absagen – zum Alltag. Immerhin kommt endlich ein Funke Hoffnung auf: Mit einem Teilpensum als Leiter Administration in einem Recyclingbetrieb und einer kleinen Stelle, die in Aussicht ist, soll es nun endlich wieder bergauf gehen.
Fischer ist nicht der Einzige, der Mühe hat, nach einer längeren Erwerbslosigkeit den Einstieg wieder zu finden. Daher hat er sich dem Verein «50plus outIn work» angeschlossen. Bei dieser Gruppe handelt sich um ein Netzwerk von Betroffenen, die sowohl mit Selbsthilfe wie auch mit politischen Aktionen auf das Thema aufmerksam machen möchten.
Die Basler Sektion des Vereins übergab am Mittwoch die Petition «Bessere Arbeitsmarktchancen für ältere Jobsuchende» an die Staatskanzlei. Darin wird verlangt, dass der Kanton die Wiedereingliederung von erwerbslosen Personen im fortgeschrittenen Alter fördern soll. «Wir möchten eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema anregen», sagt Birgit Barth von «50plus outIn work». Zwar verbietet Artikel 8 der Bundesverfassung die Altersdiskriminierung. Dennoch spricht der Verein von einer «inoffiziellen Altersgrenze» auf dem Arbeitsmarkt.
Dabei warnt Barth vor den verheerenden Folgen dieser Entwicklung: Ohne Aussicht auf Arbeit produziere man immer mehr Sozialhilfeempfänger, was für die Gemeinden eine enorme Belastung sei. Wenn es gelänge, ältere Jobsuchende in den Arbeitsmarkt zu integrieren, liessen sich damit viele Kosten sparen.
Nicht häufiger arbeitslos, aber länger
Im Mai 2016 waren in Basel 3856 Arbeitslose bei bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) registriert. Davon fallen 20 bis 23 Prozent in die Altersgruppe 50 plus, wie Alessandro Tani, Bereichsleiter der Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, bestätigt. Zum Vergleich: Die 25- bis 49-Jährigen machen zwei Drittel der Arbeitslosen aus, alle Jüngeren etwa zehn Prozent.
Das Problem für die Ü-50 ist somit ein anderes: «Ältere Personen werden weniger häufig arbeitslos als jüngere Personen, brauchen aber umso mehr Zeit, um wieder eine Stelle zu finden», sagt Tani. Daher drohe vielen von ihnen die Langzeitarbeitslosigkeit. Dennoch besteht laut Tani die Mehrheit der Ausgesteuerten nicht aus Ü-50-Leuten.
Birgit Barth kritisiert jedoch, dass mit den Arbeitslosenzahlen allein das Phänomen zu ungenau umschrieben sei. Man müsse daher auch die Zahlen zu Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen in Beschäftigungsprogrammen und «Ich-AGs» unter die Lupe nehmen. «Die Zahl der Stellensuchenden ist ein besserer Indikator», findet Barth.
Petitionäre nennen Neuenburg als Vorbild
Mit der eingereichten Petition stellt der Verein Forderungen wie etwa die Beteiligungen an der beruflichen Vorsorge (BVG). Dabei wird das Neuenburger Modell genannt. Dort werden bei 50- bis 64-Jährigen die Kosten je nach Alter während einem oder zwei Jahren übernommen. Nach Ansicht des Vereins ist nämlich das BVG-Gesetz mit seiner Altersstaffelung der Beiträge ein Hindernis bei der Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt.
Am Bildungsrucksack hapert es in den meisten Fällen nicht: Rund 62 Prozent aller Arbeitslosen in der Schweiz haben zuletzt eine Fachfunktion ausgeübt, wie Alessandro Tani bestätigt. Sich nach einer guten Erstausbildung in Sicherheit wähnen, wird für die älteren Arbeitnehmer heute aber immer schwieriger: Tani stellt fest, dass das Prinzip des «lebenslangen Lernens» und flexible Arbeitszeitmodelle vermehrt gefordert werden.
Demografischer Wandel: Wirtschaft reagiert erst zögerlich
In Basel-Stadt gibt es gewisse Instrumente für Arbeitslose im fortgeschrittenen Alter. Zu nennen wären etwa die Einarbeitungszuschüsse, die Anreize für Arbeitgeber schaffen sollen. Alessandro Tani nennt zudem das Projekt «Stöckli» (hier als PDF). Dabei sollen ausgesteuerte und arbeitsfähige Personen, die maximal drei Jahre vor der Pensionierung stehen, die Chance auf eine befristete Anstellung in der Verwaltung erhalten. Sie bekommen einen befristeten Arbeitsvertrag, um ihnen den Gang zur Sozialhilfe zu ersparen.
Es gibt immer mehr ältere, aber auch erfahrene und einsatzfähige Leute. Wie Tani feststellt, ist dieser demografische Umbruch noch nicht ganz bei der Wirtschaft angekommen. Dennoch gibt es allmählich Zeichen für einen Gesinnungswandel: «Gewisse Firmen denken langsam um und möchten die älteren Leute behalten, um dieses Potenzial zu nutzen», sagt Alessandro Tani.