Die Staatsanwaltschaft Baselland erhob 2015 so viele Anklagen wie noch nie. Beim Überfall auf eine Kampfsportschule in Reinach steht die Anklage jedoch aus.
61 Ordner – so viel Platz nehmen die Akten zum Fall «Superpro» ein. Im Februar 2014 überfielen Bewaffnete ein Kampfsportcenter in Reinach. Im Herbst soll es zum Prozess kommen, erklärte die erste Staatsanwältin, Angela Weirich, an der Jahresmedienkonferenz der Staatsanwaltschaft.
Etwa 20 vermummte Personen stürmten damals die Kampfsportschule von Shemsi Beqiri, der durch die Betreuung von «Carlos» national bekannt wurde. Der Fall beschäftigte die Medien und ein Team an Staatsanwälten – über zwei Jahre hinweg.
Die vermummten Personen hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile identifiziert. 30 Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, 160 Befragungen, 15 Haftverfahren, 137 Geschäftsbriefe verschickt und zwei internationale Rechtshilfegesuche gestellt.
An den Befragungen von beschuldigten Personen nahmen im Durchschnitt 20 Personen teil. Allein für die Vorladung aller Parteien zu den Einvernahmen seien über 2000 Briefe verschickt worden.
Die erste Staatsanwältin Angela Weirich vor den Akten zum Fall Reinach. (Bild: Jeremias Schulthess)
Der Aufwand sei insbesondere wegen der neuen Strafprozessordnung so gross gewesen, sagt Weirich. Das Gesetz trat 2011 in Kraft und vereinheitlicht die Verfahrenspraxis der Kantone. Die neue Ordnung sieht beispielsweise vor, dass bei Konfrontationen von Beschuldigten weitere Personen teilnehmen dürfen. Das führt zu einem Mehraufwand seitens der Staatsanwaltschaft.
Dieses Teilnahmerecht will der Landrat wieder einschränken. Er überwies im Dezember 2015 eine Standesinitiative, welche die Strafprozessordnung vereinfachen soll.
Der Fall «Superpro» zeigt laut Weirich, dass es «schlicht nicht möglich ist, ein Verfahren schneller zu untersuchen und abzuschliessen», als man dies eben tue. Alle Staatsanwälte seien gleichzeitig für mehrere Verfahren zuständig. Es könne immer etwas dazwischen kommen und ein Verfahren so verzögert werden.
Mehraufwand wegen Ausschaffungsinitiative
2015 hat die Staatsanwaltschaft so viele Anklagen erhoben wie noch nie (232 Anklagen). Gleichzeitig wurden 27’455 Fälle erledigt – 2168 mehr als im Vorjahr.
Trotz der hohen Erledigungszahlen erwartet die Staatsanwaltschaft in den nächsten Jahren «erhebliche Herausforderungen» mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Das Ausschaffungsgesetz, das die Stimmbevölkerung 2010 annahm, tritt im Oktober 2016 in Kraft. Die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) geht davon aus, dass zwei bis drei zusätzliche Stellen benötigt werden, um das neue Ausschaffungsgesetz zu erledigen.
In Zukunft noch länger
In Fällen, die Personen ohne Schweizer Pass betreffen, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, ob sie einen Landesverweis ausspricht. Wenn sie einen Landesverweis beantragt, muss zwingend ein Verteidiger einberufen werden. Das bedeutet einen Mehraufwand für die Staatsanwaltschaft.
Dass man dafür zusätzliche Stellen erhalte, sei «im aktuellen Sparumfeld leider unrealistisch», so Weirich. So werden die Staatsanwälte für Verfahren, die heute zwei Jahre dauern, in Zukunft wohl noch mehr Zeit aufwenden müssen.