«Unabhängiger» TV-Moderator im Sold der Basler Kantonalbank

In der Fernsehsendung «Arena» trat Eco-Moderator Reto Lipp als Wirtschaftsexperte auf. Mit Leib und Seele machte er sich für den Steuerdeal mit den USA stark. Keine 24 Stunden vorher stand er noch im Sold der Basler Kantonalbank.

SRF-Moderator Reto Lipp stellte im Auftrag der Basler Kantonalbank an der PS-Versammlung vom 30. Mai 2013 der BKB-Geschäfsteitung Fragen, welche den Diskussionsteilnehmern vorher schon schriftlich vorlagen. (Bild: Alexander Preobrajenski)

In der Fernsehsendung «Arena» trat Eco-Moderator Reto Lipp als Wirtschaftsexperte auf. Mit Leib und Seele machte er sich für den Steuerdeal mit den USA stark. Keine 24 Stunden vorher stand er noch im Sold der Basler Kantonalbank.

Die Basler Kantonalbank scheute an ihrer Versammlung vor 2’500 Miteigentümerinnen und Miteigentümern keinen Aufwand, um sich volksnah, menschlich und lokal verankert zu präsentieren. Als Moderator verpflichtet hatte die Bank den TV-Mann Reto Lipp, der ansonsten dem Fernsehpublikum im Magazin «ECO» wirtschaftliche Zusammenhänge erklärt. Die Basler Kantonalbank will das Honorar nicht verraten. Nur soviel: Es handle sich um einen tiefen vierstelligen Betrag. Gemäss Brancheninsidern kassiert ein SRF-Moderator für einen solchen PR-Anlass zwischen 4’000 und 8’000 Franken.

Schon am nächsten Tag stand Reto Lipp wieder im Einsatz. Diesmal allerdings im Solde seines Arbeitgebers SRF für die TV-Sendung «Arena». Dort präsentierte die Redaktion den Fernsehmann als Wirtschaftsexperten in der Sendung zum Steuerdeal zwischen der Schweiz und den USA. Dank diesem Steuerdeal hoffen die Zürcher und Basler Kantonalbank und ein Dutzend andere Banken noch mit einem blauen Auge davon zu kommen, sprich mit einer Busse in Millionenhöhe, weil sie unversteuertes US-Vermögen verwalteten.

Blocher und Levrat aufgebracht

Doch Wirtschaftsexperte Reto Lipp zeigte schon bald, dass er sich nicht mit der Rolle des unabhängigen, zurückhaltenden Experten begnügen wollte. Es sei die Pflicht und Schuldigkeit der Politik, jetzt die Rahmenbedingungen zu setzen, um das Problem der Banken zu lösen.«Wir leben hier in einer Blase», sagte er. Und mit Blick darauf, dass Kantonalbanken bei einer Anklage in den USA in ihrer Existenz bedroht sein könnten: «Wenn die Politiker die Verantwortung übernehmen, dass Arbeitsplätze halt verloren gehen, dann sollen sie (zum Deal) Nein sagen.».

Das brachte den ehemaligen SVP-Bundesrat Christoph Blocher und SP-Präsident Christian Levrat gleichermassen zum Kochen. Blocher wetterte gegen das Staatsfernsehen und SP-Präsident Chrstian Levrat sprach von einer «klassischen Erpressung». Doch Reto Lipp liess nicht locker: «Reden Sie mit Ihrer Kollegin in Basel, Regierungsrätin Herzog», entgegnete er dem SP-Parteipräsidenten.

Die Reaktionen des Publikums liessen nicht lange auf sich warten. Auf Twitter meldete sich während der «Arena»-Sendung Ruedi Noser, FDP-Nationalrat aus dem Kanton Zürich.

 Auf Ruedi Nosers Votum wiederum reagierte der Grünliberale Aargauer Marcel Signer:

 «Pressesprecher von EWS» steht für Pressesprecher von Eveline Widmer-Schlumpf.

Doch nicht nur dem bürgerlichen Noser stiess das engagierte Votum des SRF-Moderators für den von Bundesrätin Widmer-Schlumpf ausgehandelten Deal sauer auf. Auch die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenengger Oberholzer verschaffte ihrem Ärger via Twitter Luft:

 

Was die beiden Nationalräte nicht wussten: Lipp hatte tatsächlich keine 24 Stunden vorher noch im Solde der Basler Kantonalbank deren PR-Veranstaltung moderiert. Im Auftrag der Bank arbeitete der «Eco»-Moderator einen Fragenkatalog durch, allesamt Steilpässe für die Geschäftsleitungsmitglieder der Kantonalbank, um den Miteigentümern die Kernbotschaft zu vermitteln: «Was da passiert ist, das darf es nie wieder geben», wie BKB-Direktionspräsident Guy Lachappelle betonte, um gleichzeitig für den mit den USA ausgehandelten Deal zu werben.

Unterstützt wurde Lachappelle von Regierungsrätin Eva Herzog, die sich für die von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf präsentierte Lösung im Steuerstreit stark machte. «Es bleibt nicht viel anderes übrig, als saubere Grundlagen für diese Deals zu schaffen. Ich sehe keine bessere Alternative», sagte Herzog. Genau dieselbe Position vertrat SRF-Moderator Reto Lipp am nächsten Tag in der «Arena».

TV-Chefredaktion bewilligt Reto Lipps Auftritt bei der BKB

Für das Schweizer Fernsehen kein Problem: «Reto Lipps Unabhängigkeit ist durch das Führen von Interviews am Anlass der Basler Kantonalbank in keiner Weise tangiert», schreibt die Pressestelle von SRF in einer Stellungnahme. Sein Auftritt sei von der Chefredaktion bewilligt worden. «Der Auftritt war reglementskonform, da die journalistische Unabhängigkeit von Reto Lipp jederzeit gewahrt blieb.» Lipp habe von der BKB keinen vorgegebenen Fragekatalog bekommen, sondern im Gegenteil an der Veranstaltung die journalistische Freiheit genutzt, bei Antworten «nachzuhaken und tiefer zu bohren – alles andere wäre undenkbar gewesen», so das Fernsehen.

Und die Basler Kantonalbank erklärte auf Anfrage der TagesWoche: «Reto Lipp stand es im Verlauf der Vorbereitungen jederzeit offen, seine eigenen Fragen einzubringen, was er auch tat. Er erhielt von der Bank diesbezüglich keinerlei Einschränkungen. Die Fragen und Antworten wurden anschliessend zur Vorbereitung der Panel-Teilnehmer schriftlich festgehalten.» Was für eine PR-Veranstaltung völlig legitim ist, widerspricht den Ansprüchen von unabhängigem Journalismus.

Glaubwürdigkeit und Unabhägigkeit verloren

Wie gefährdet diese Unabhängigkeit bei Moderationsauftritten von TV-Stars für Firmen ist, thematisierte die Zeitschrift «Beobachter» bereits vor ein paar Jahren: News-Journalisten des Schweizer Fernsehens, die an PR-Anlässen auftreten, setzen ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit aufs Spiel, die vielleicht höchsten Güter des Staatsfernsehens überhaupt. Zudem gerieten die Moderatoren in die Kritik, weil sie dank ihrer gebührenfinanzierten Bildschirmpräsenz mit Auftritten an Firmenanlässen mutmasslich teilweise mehr verdienten als der Generaldirektor.

Bundesrat Moritz Leuenberger hatte vom Schweizer Fernsehen damals verlangt, dass Moderatoren einen Teil ihrer Gagen abliefern müssen. Doch die SRG foutiertesich darum. Leuenberger-Nachfolgerin Doris Leuthard lässt die Moderatoren am Leutschenbach gewähren. Und Roger de Weck, Generaldirektor der SRG SSR, machte Ende 2011 in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten» (online nicht verfügbar) unmissverständlich klar, dass dies auch so bleiben wird: Auf den Einwand, dass TV-Moderatoren von der Fernseh-Prominenz profitierten und diese dann privat vergolden könnten, antwortete er: «Stars geben dem Fernsehen mindestens so viel, wie sie vom Fernsehen erhalten.»

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