Unternehmensberater rät dem Kanton, die Überzeit auszuzahlen

Der Hochschuldozent und Unternehmensberater Thomas Schwarb wirft einen kritischen Blick auf die Überzeitpraxis beim Kanton Basel-Stadt und ortet in einigen Abteilungen Führungsprobleme.

Zurück auf Null: Unternehmensberater Thomas Schwarb empfiehlt bei hoher Überzeit den Neustart, Basel-Stadt schleppt Altlasten mit.

(Bild: Ulrich Baumgarten)

Der Hochschuldozent und Unternehmensberater Thomas Schwarb wirft einen kritischen Blick auf die Überzeitpraxis beim Kanton Basel-Stadt und ortet in einigen Abteilungen Führungsprobleme.

Angestellte beim Kanton Basel-Stadt horten Überzeit, wie eine Daten-Analyse der TagesWoche zeigt. Insgesamt fast 600’000 Stunden haben die Verwaltungsangestellten Ende 2015 zu viel gearbeitet. Die oberste Basler Personalchefin Andrea Wiedemann sieht darin weder ein Problem, noch sieht sie Handlungs- oder Diskussionsbedarf zum Thema Überzeit. 

Daten-Auswertung:

Staatsangestellte in Basel horten Überzeit, der Kanton rechnet mit Kosten von über 30 Millionen Franken.

Die TagesWoche hat den Unternehmensberater Thomas Schwarb mit den Zahlen konfrontiert und um eine Einschätzung gebeten. Schwarb ist Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz und berät Unternehmen und Organisationen in Personal- und Lohnfragen. Einst hat er für die Gemeinde Riehen ein Überstundenmanagement eingerichtet.

«Hinweis auf ein Führungsproblem»

Auf die gesamte Verwaltung gesehen, beträgt die durchschnittliche Überzeit pro 100%-Stelle 101 Stunden. Diesen Wert hält Schwarb für eher typisch. «Überzeit ist nicht prinzipiell schlecht, so lange sie tatsächlich durch Arbeit entsteht.» Verdächtig seien viel mehr Abteilungen, bei denen die Zeitguthaben zu tief sind. «Ein Saldo von Null Stunden kann fast nicht stimmen.» Eine solche Abteilung sei entweder überdotiert oder die Überstunden würden nicht ausgewiesen.

Ein Problem sieht Schwarb bei Abteilungen mit grösseren Personalbeständen und Zeitsaldi die über längere Zeit anwachsen, wie es etwa im Justiz- und Sicherheitsdepartement oder im Finanzdepartement der Fall ist. «So etwas ist ein Hinweis auf ein Führungsproblem», sagt Schwarb. Vorgesetzte müssten dafür sorgen, dass ihre Angestellten nicht überlastet seien.

Werte von 160 Stunden Überzeit oder mehr in einem Jahr findet der Unternehmensberater problematisch. «Würde diese Zeit kompensiert, bedeutete das fast einen Monat zusätzliche Freizeit.» Ein solcher Missstand könne verschiedene Gründe haben: «Entweder ist die Arbeit schlecht organisiert, die Leute nicht ausreichend qualifiziert, die Vorgaben nicht klar oder die Abteilung ist ganz einfach unterdotiert. Das sind letztlich alles Führungsprobleme.» Wenn strukturell Überzeit angehäuft werde, liege noch ein weiteres Problem vor: «Der Stellenplan bildet die Realität nicht ab.»

Auszahlen statt mitschleppen

Während der Kanton die Zeitguthaben in vielen Dienststellen seit mehreren Jahren mitträgt, plädiert Schwarb für einen radikalen Schnitt: «Haben sich die Zeitguthaben einmal akkumuliert, scheint es sinnvoll, diese mittels Auszahlung auf Null zurückzusetzen und danach ein engeres Kontrollregime zu errichten.» Es diene niemandem, wenn Altlasten ewig lange mitgeschleppt würden.

Eine Auszahlung ergebe auch buchhalterisch Sinn, denn die Rückstellungen müssten ja ohnehin gemacht werden (in Basel betrugen diese Ende 2015 rund 30,5 Millionen Franken). «Ausnahmsweise dürfen sogar Ferien, insbesondere die über dem gesetzlichen Minimum, ausbezahlt werden», sagt Schwarb.

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