Vernunft hat auf dem Teller nichts zu suchen!

Wenn man am Morgen keinen Hunger hat, warum steht man überhaupt auf? Menschen, die sich am Tisch oder vor dem Kühlschrank unter Kontrolle haben, sind bewundernswert. Und das nervt. 

Salat kann man essen, keine Frage, aber warum sollte man?

Manchmal sagen mir die Leute, ich solle mich nicht immer so über die grossen Probleme der Welt ereifern. Mir das zu Herzen nehmend, ereifere ich mich zur Abwechslung einmal über ein kleines «Problem». Über etwas, das ich einfach nicht verstehe: das Ernährungsverhalten vernünftiger Menschen.

Vernünftige Esser stehen nämlich mit ihren Essgewohnheiten den meinen diametral gegenüber. Und ich meine jetzt nicht die Ernährungsfanatiker, die Zucker mit Koks vergleichen, nichts mehr essen, an dem mal ein Tier vorbeigegangen ist, oder aus Zeitgeist-Gründen ausgerechnet auf Gluten verzichten, den Zauberstoff, der so geile Sachen wie Brot und Pasta hervorbringt. Nein, ich rede von Menschen, die ohne grosse Anstrengung vernünftig essen.

Hier ihre unglaublichen Verhaltensweisen, die ich so sehr bewundere, dass sie mich fürchterlich nerven. Es gibt nämlich Menschen …

… die haben manchmal keinen Hunger.

Wie ist das möglich?! Ich hab immer Hunger, auch nach dem Essen. Aber es gibt Menschen, die auf die Frage, ob man (da zum Beispiel schon mehr als eine Stunde seit der letzten kulinarischen Verwöhnung verstrichen ist) was essen wolle, mit Nein antworten, weil sie keinen Hunger haben. Noch krasser sind diejenigen, die am Morgen keinen Hunger haben! WTF? Wieso stehen die denn überhaupt auf? Mich lockt nur die Züpfe mit Butter aus den Federn. Wie kann man am Morgen, nachdem man über sechs Stunden gefastet hat, nichts essen wollen?

… die haben verschiedene Arten von Hunger.

Das sind Menschen, die Regeln bezüglich Tageszeit und Art des Essens befolgen. Am Morgen gibts, wenn überhaupt, was kleines Süsses. Ein Müesli, ein Joghurt, ein kleines Konfibrot mit verschwindend wenig Butter. Mittags darf es was Salziges sein und abends etwas Leichtes. Ich könnte ohne Probleme morgens um halb sieben zwei Teller Spaghetti Carbonara essen. Allgemein empfinde ich jegliches Essen, das nicht Pasta enthält, als Verschwendung. Ähnlich verhält es sich mit Desserts ohne Schokolade. Dazu aber später.

… die nehmen einen Salat zum Mittagessen.

Und zwar nicht als Vorspeise zum wirklichen Essen, sondern als Hauptspeise. Salat!! Seelenloser Ballast-Grünling, den ich höchstens dann als Essen deklariere, wenn er mit französischer Sauce getränkt ist, die vorzugsweise auch noch meine Pizza Diavolo befällt. Die Hardcore-Version dieser Spezies sind Menschen, die im «Mac» einen Salat nehmen. Wer in den «Mac» geht, weiss, dass er etwas Dummes macht, und soll gefälligst einen Mega-Big-Mac mit Cheddar-Speck-Fries nehmen und noch einen Fish Mac dazu. Und bitte keine Cola Zero!

… die konsumieren Light- und Zero-Produkte.

Angesprochen auf die offensichtliche Geschmacksknospen-Peinigung, erwidern einige dieser Exemplare, das Zero-Produkt würde ihnen besser schmecken. Und sie meinen es ernst. Für mich sind Light- und Zero-Zucker-Versionen von eher ungesunden Genussmitteln nicht einfach etwas schwächer oder geschmacksärmer, sondern die Antithese zum Originalprodukt. Eine Cola hat gefälligst klebrig, prickelnd und zuckrig den Burger runterzuspülen. Ansonsten nimmt man doch besser ein Wasser zum Salat.

… die haben keine Süssgetränke im Kühlschrank.

Als Kind aus einer eher unterschichtigen Grossfamilie passierte mir das immer wieder: Zu Besuch bei gutbetuchteren Freunden, meinte deren Mutter, man könne sich etwas zum Trinken aus dem Kühlschrank nehmen. Den Kühlschrank geöffnet, schaute ich dann jeweils entsetzt auf die schiere Inexistenz von feinen Getränken. Kein Migros-Eistee, kein Goggi, kein Pingu-Sirup. Das höchste der Gefühle war Melissen-Sirup oder Apfelsaft vom Bauernhof, den man dann noch 10:1 verdünnen musste. Ich verstand und verstehe es nicht.

… die haben keine Süssigkeiten im Schrank.

Besser gesagt: keinen Süssigkeiten-Schrank. Wir waren fünf Kinder. Jedes hat zu jedem Fest immer Schokolade oder sonstwie Süsses gekriegt. So stauten sich mit der Zeit mehrere Zentner Naschkram an und Mutter füllte damit einen Schoggi-Schrank, der ans Schlaraffenland gemahnte. Man brauchte nur die Tür aufzumachen und einzutauchen. Wie unglücklich müssen Kinder gewesen sein, die nur dann einen Blick in diese Zauberwelt erhaschen durften, wenn sie bei uns zu Besuch waren. Wahrscheinlich so unglücklich, dass sie heute zu Mittag manchmal einen Salat essen – mit italienischer Sauce.

… die essen Chips- oder andere Packungen nicht leer.

Manchmal beobachte ich meine Frau, wie sie beim Fernsehabend nur drei Schokomandeln isst und den Rest in der Packung nicht mehr anrührt. Oder wie ihr ein paar Nüssli reichen, um glücklich zu sein. Nicht weil sie abnehmen will oder streng zu sich selbst ist. Nein: Sie hat sich von Natur aus unter Kontrolle. Wie kann man nur!

… die bestellen kein Dessert.

Ein Essen besteht Minimum aus Vorspeise, Hauptspeise und Dessert. Es gibt Menschen, die dieses Naturgesetz missachten und nach der Hauptspeise bezahlen wollen. Meistens kann ich sie wenigstens noch zu einem Espresso überreden. Dann bleibt mir Zeit für meinen Schoggichueche.

… die bestellen Dessert ohne Schokolade.

Liebe vernünftige Esser: Ein Fruchtsalat (Salat!!), Pannacotta und sämtliches Geschwabbel mit heisser Beerensauce darüber, das sind keine Desserts. Coupe Dänemark oder Bananensplit gehen knapp durch, verlieren aber wegen dieser seelenlosen Vanille-Glace Punkte. Ein Schokokuchen ist ein Dessert. Schokokuchen mit flüssigem Kern und Schlagrahm. Das gönn ich mir morgen zum Frühstück.

E Guete

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