Verstossener Sohn

Manche Väter sind so, die wünschen sich, dass ihr Sohn einen anständigen Beruf erlernt und immer schön den Kopf unten hält – er muss bloss nicht meinen, er sei was Besseres. Münchenstein ist so ein Vater. Während in Biel der Bau einer Roger-Federer-Allee veranlasst wurde (er hat dort mal Tennis gespielt) und nun in einer […]

Roger Federer: Münchenstein will seinen Namen nicht im Ortsbild verewigen. (Bild: Reuters/Susana Vera)

Manche Väter sind so, die wünschen sich, dass ihr Sohn einen anständigen Beruf erlernt und immer schön den Kopf unten hält – er muss bloss nicht meinen, er sei was Besseres. Münchenstein ist so ein Vater. Während in Biel der Bau einer Roger-Federer-Allee veranlasst wurde (er hat dort mal Tennis gespielt) und nun in einer deutschen Stadt namens Halle ebenfalls eine Roger-Federer-­Strasse eingeweiht wird (er spielt dort hin und wieder Tennis), verweigert Münchenstein eine solche Allee auf seinem Gemeinde­gebiet (er ist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen). ­In London trägt während den Olympischen Spielen sogar eine U-Bahn-Station den Namen Federers, obwohl dieser kaum mit der U-Bahn zur Arbeit nach Wimbledon pendeln wird.

In Münchenstein aber wurde bereits vor einiger Zeit ein nega­tiver Bescheid erlassen. Federer lebe noch, wenn er tot wäre, sähe es besser aus. Ausserdem habe der Nutzen einer solchen Strasse nicht eruiert werden können. Hätten die Münchensteiner im ­Gemeindehaus nicht nur das «Wochenblatt», sondern beispielsweise auch die «New York Times» aufliegen, könnten sie den Nutzen erahnen. In New York wissen sie jetzt, dass es eine deutsche Stadt namens Halle gibt.

Ganz verschmäht hat Münchenstein seinen berühmten Sohn indes nicht: 2003 setzte der Gemeinderat ein Bild des Tennisspielers auf seinen Jahresbericht. Das sorgte in der begutachtenden Gemeindekommission prompt für Erstaunen. So hielt das Protokoll fest: «Die Gemeindekommission hat den Bericht gelesen und sich über die gefällige Aufmachung gefreut, obwohl Roger Federer, der seit geraumer Zeit nicht mehr in Münchenstein wohnhaft ist, das Titelblatt ziert.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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