Versuchslabor für die Zukunft der Schweiz

Wie Innovationsförderung funktioniert, zeigt sich im Futuro Liestal. Dort gedeihen Jungunternehmen unter besonderen Bedingungen. Ein Vorbild für die Schweiz?

(Bild: Basile Bornand)

Wie Innovationsförderung funktioniert, zeigt sich im Futuro Liestal. Dort gedeihen Jungunternehmen unter besonderen Bedingungen. Ein Vorbild für die Schweiz?

Die Schweiz der Zukunft steht auf einer Fussballfeld-grossen Fläche am Rande von Liestal. Dort befindet sich das Futuro, ein Zentrum für junge Unternehmer, die innovative Produkte entwickeln.

Das Futuro versprüht einen Hauch von Campus-Flair. Kubische Glashäuser ragen aus dem Boden. Hinter den Fassaden verbergen sich Treppen und Fahrstühle, die den Besucher unter die Erde bringen.

Denn dort liegen die Arbeitsplätze. Unter der Erdoberfläche sind die Temperaturen auch im Hochsommer angenehm kühl. Einer dieser Plätze gehört Robert Sum, er ist seit 2011 im Futuro, und im Bereich Nanotechnologie ist er ein Pionier.

1997 gründete er mit zwei Studienkollegen die Firma Nanosurf in der Garage seiner Eltern, wie er erzählt. Die Firma hat heute internationalen Ruf: Sie stellt kompakte Nano-Mikroskope her und verkauft diese auf der ganzen Welt.

Zum Standard in der Krebs-Diagnostik gehören

Weltweit jeder zweite Hersteller von Kugelschreiberkugeln arbeite mit Nanosurf-Produkten, sagt Sum. Nanosurf hat heute etwa 30 Vollzeitstellen und Vertretungen in den USA, Deutschland und China.

Sum hat die Geschäftsleitung von Nanosurf mittlerweile abgegeben. Er hat eine neue Firma gegründet: Nuomedis. Sum will damit ein Produkt lancieren, das Krebszellen auf eine neue Art nachweisen kann. «Unser Ziel ist es, dass die Geräte von Nuomedis zur Standard-Ausstattung in der Krebsdiagnostik gehören.» 

Robert Sum

Ein ambitioniertes Ziel. Wenn es gelingt, entstehen eine Menge Arbeitsplätze in Liestal. In erster Linie für hochqualifizierte Molekularbiologen, Physiker, Mediziner und Ingenieure. Aber auch für Arbeitnehmer ohne Hochschulbildung, für den Vertrieb und die Produktion beispielsweise.

Sum führt durch die verzweigten Büros und erklärt, wie alles begann: «Bei der Gründung von Nanosurf hatten wir Berater, die uns die richtigen Fragen stellten, um unser Unternehmen in die richtige Richtung zu entwickeln.»

Geld vom Staat erhielten Sum und seine Mitarbeiter nie direkt – so will es die liberale Handhabung der Innovationsförderung. Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes vergibt keine direkten Subventionen, sondern stellt jungen Unternehmern Forschungspartner und Berater zur Seite. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung funktioniere in der Schweiz recht gut, erklärt Robert Sum, der bereits als junger Unternehmer von der Vernetzung profitierte.

Im Herz der Firma

Der Blick schweift durch die Büros, an den Computern sitzen junge Männer in T-Shirts und kurzen Hosen. Sie schauen kurz auf, dann widmen sie sich wieder ihren Zahlentabellen und Programmier-Codes. Sum zeigt den Ort, wo die Nanosurf-Mikroskope zusammengebaut werden.

Es ist das Herz der Firma, das Labor, wo der eigentliche Wert der Mikroskope entsteht – fotografieren dürfen wir hier nicht. Eine Frau mit Vergrösserungsgläsern inspiziert gerade ein Metallgehäuse, das die Mikroskope zusammenhalten soll.

Im nächsten Raum sind die verpackten Mikroskope gelagert. Auf den Paketen steht «Extra fragile», sie werden an Kunden in der ganzen Welt verschickt. Mehrere Hundert Mikroskope verkauft Nanosurf pro Jahr, der Stückpreis bewegt sich zwischen 10’000 und 200’000 Franken.

Mit diesen Verkaufszahlen lasse sich der starke Franken eher verkraften – dank guter Margen, ergänzt Sum. «Die Schweiz hat eine Riesenchance durch Innovation vorwärts zu kommen», sagt Sum. Insbesondere wenn es um Frankenstärke und Wirtschaftsmisere gehe könnten innovative Unternehmen einen Teil der Lösung darstellen.

Biotop für Kreativität und Zukunft der Schweiz

Was Sum jedoch Sorgen macht, sind Zuwanderungsbeschränkungen, die es ihm erschweren, qualifiziertes Personal in die Schweiz zu kriegen. Bereits heute müsse er frühzeitig mit den Ämtern sprechen, wenn er eine Arbeitserlaubnis für einen Mitarbeiter aus einem Nicht-Schengen-Staat organisieren will, sagt Sum. Er verstehe das Anliegen grundsätzlich, die Zuwanderung zu steuern, in seinem Arbeitsalltag stellt es jedoch zusätzliche bürokratische Hürden auf.

Mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative könnte sich das weiter verschärfen. Arbeitnehmer aus dem EU-Raum wären dann mit Kontingenten belegt, der Kampf um Arbeitsbewilligungen würde damit härter – gerade in hochspezialisierten Bereichen, wie bei Nanosurf oder Nuomedis.

Sum beendet seinen Rundgang, wir stehen vor der Treppe, die durch das Glashaus nach oben führt. Im Bereich um die Gebäude wachsen Schilf und Blumen. Dort sollen gefährdete Tierarten wie die Mauereidechse Platz finden. Das Areal ist eine Art Biotop für verschiedene Arten: Kreativität – und die Zukunft der Schweiz.

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Lesen Sie in den nächsten Tagen mehr zum Thema Innovationsförderung, dem wir uns in dieser Woche widmen.

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