Verunsicherte Sicherheitspolitiker

Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrats hat sich mit dem NSA-Skandal befasst. Trotz Beschwichtigungen der Verwaltung greift die Verunsicherung weiter um sich.

Die Gier der Spione ist grenzenlos. Das verunsichert die Mitglieder der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat.

Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrats hat sich mit dem NSA-Skandal befasst. Trotz Beschwichtigungen der Verwaltung greift die Verunsicherung weiter um sich.

«Man muss sich schon fragen, ob die Freunde von gestern die Feinde von heute sind.» Dies sagte der neue Präsident der SiK Nationalrat, Thomas Hurter (SVP, SH) während einer Orientierung über die Sitzung seiner Kommission am Montag und Dienstag. Auf der Traktandenliste hatten vorab der NSA-Skandal und die künftige Rolle der Schweizer Nachrichtendienste gestanden. Dabei seien «die Möglichkeiten und Limiten» der Schweizer Spionageabwehr eingehend diskutiert und die Sicherheitspolitiker durch Bundesrat und Verwaltung über die Umtriebe des US-Geheimdienste auch in der Schweiz informiert worden, berichtete Hurter.

Auch den massiven internen Datendiebstahl im Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat die SiK diskutiert. Hurters Fazit dazu: «Wir sind offenbar mit einem blauen Auge davon gekommen.» Alles in allem hätten «die Informationen der Kommission genügt», hielt er fest. Und der Chef des NDB, Markus Seiler, sei kein grosses Thema gewesen.

Grosse Verunsicherung

Dennoch ist die Verunsicherung und ist das Misstrauen in den Reihen der Sicherheitspolitiker gross. Nicht zuletzt auch wegen einem neuen Telefonüberwachungssystem für die Schweizer Polizeien, welches das EJPD für 13 Millionen Franken ausgerechnet bei der US-Firma «Verint» bestellt hat, die enge Kontakte zum US-Geheimdienst NSA pflegt. Das Departement von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte die Beschaffung im Dezember kommuniziert – nicht aber den Namen der dubiosen Lieferfirma. Es sei keine andere Lösung möglich gewesen, behaupteten die zuständigen Funktionäre aus Sommarugas Departement nun vor der Kommission – und diese glaubte ihnen mehrheitlich. Das Unbehagen jedoch bleibt.

Stunde der Wahrheit mit neuem Gesetz

Hurter betonte: «Die Stunde der Wahrheit kommt mit dem neuen Gesetz über den Nachrichtendienst.»  Dieses NDG genannte neue Gesetz liegt derzeit beim Bundesrat, wann es ins Parlament kommt, ist nach dem Auffliegen des NSA-Skandals unklar. So wie das NDG jetzt aufgegleist ist, wird es im Lichte der neusten Erkenntnisse wohl kaum durch den Rat kommen. Die NZZ hatte schon Anfang Dezember gewarnt: «Geheimdienste sollen Daten einfacher ins Ausland liefern können.»

Konkret wollen die fast 400 Agenten des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) Daten, «die aus der Inlandaufklärung stammen», leichter an ihre «benachbarten Dienste» im Ausland weiterleiten können. Solche «Partnerdienste» sind mitunter die CIA und damit auch die NSA. Mehr noch: Um solche Daten zu sammeln, wollen die Schweizer Schnüffler, die beim VBS angegliedert sind, künftig wieder «präventiv» Telefone abhören, Post öffnen, Wanzen installieren, Mobiltelefone orten oder Computer und Privaträume heimlich durchsuchen. Alles ohne ein ordentliches  Strafverfahren und auch gegen Schweizer Bürgerinnen und Bürger.

Persilschein für Kollaboration mit CIA

Mit Artikel 10 des neuen NDG möchte sich der NDB neu eine Generallizenz zur Kollaboration mit ausländischen «Partnerdiensten» ausstellen lassen: Er soll demnach nicht nur «mit Nachrichtendiensten», sondern auch mit «Sicherheitsbehörden» aus dem Ausland zusammenarbeiten können. Und dies wörtlich, indem er mit diesen «gemeinsame Tätigkeiten zur Beschaffung und Auswertung von Informationen zur Beurteilung der Bedrohungslage durchführt».

Da wird also eine «Bedrohungslage» postuliert, ohne zu sagen, wer denn wen bedrohe. Mehr noch: Der Schweizer Nachrichtendienst soll sich an «internationalen automatisierten Informationssystemen» beteiligen. Informationen darüber, welche Länder in ihrer Datensicherheit durch die US-Agenten der NSA gerade «bedroht» seien, dürften sich in diesen Systemen kaum finden.

Spionageabwehr statt Nachrichten-Kumpanei

Derlei «automatischer Informationsaustausch unter Geheimdiensten» wäre angesichts der neusten Enthüllungen ein Hohn, meint die NZZ. Rechte und linke Politiker in den Räten sind sich einig, dass es so nicht weiter gehen kann. Da würden Schweizerinnen und Schweizer nur noch mehr ausgeschnüffelt – und die Daten dann auch noch gleich dubiosen ausländischen Geheimdiensten übermittelt.

Die Sicherheitspolitiker quer durch die Kommission wundern sich ohnehin, dass von den Hunderten von Nachrichtendienstlern, die in Ueli Maurers VBS arbeiten, kaum ein Dutzend mit Spionageabwehr befasst sein sollen. Sie wollen jetzt Druck machen, dass künftig das Schwergewicht auf wirksame Spionageabwehr gelegt werde, statt auf «Nachrichten-Kumpanei» mit ausländischen Diensten. Und das soll sich auch im neuen Gesetz zeigen. Sollte dieses nicht zu einem veritablen «Gesetz über den Nachrichtendienst und die Spionageabwehr» werden, droht ihm die Rückweisung an den Bundesrat.

Stellungnahme des NDB
Nach der Publikation des Textes von Niklaus Ramseyer meldete sich der Nachrichtendienst mit folgender Mitteilung:

Journalist Ramseyer bezieht sich auf einen in der NZZ vom 1. November 2013 (nicht Anfangs Dezember!) erschienenen Artikel, der über weite Strecken falsche Aussagen enthielt. Der NDB hat diese Unrichtigkeiten in der NZZ vom 2.11.13 umgehend berichtigt.

Demzufolge sind auch viele Aussagen falsch, die Journalist Ramseyer in seinem Online-Artikel in der Tageswoche vom 21.1.14 gemacht hat.

So ist die Aussage falsch, der NDB wolle Daten aus der Inlandaufklärung leichter an seine ausländischen Partner weiterleiten können. Artikel 61 Absatz 3 des Gesetzesvorentwurfes legt die Kompetenz für das Festlegen der Zusammenarbeit des Nachrichtendienstes ausdrücklich weiterhin in die Zuständigkeit des Bundesrates. Schon heute besteht in Artikel 26 Absatz 2 BWIS die Regelung, dass der Bundesrat zwischenstaatliche Verwaltungsvereinbarungen der Sicherheitsorgane genehmigen muss, bevor diese vollzogen werden dürfen. Gemäss Artikel 8 ZNDG ist diese Bestimmung auch auf den Bereich des Auslandsnachrichtendienstes anwendbar.

Journalist Ramseyer schreibt, dass «die Schweizer Schnüffler, die beim VBS angegliedert sind, künftig wieder ‚präventiv‘ Telefone abhören, Post öffnen, Wanzen installieren, Mobiltelefone orten oder Computer und Privaträume heimlich durchsuchen wollen.» Journalist Ramseyer verschweigt dabei, dass das Gesetz solche Informationsbeschaffungsmittel nur in den Bereichen Terrorismus, Spionage und Proliferation (Handel mit Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen) zulässt. Und dies auch erst dann, wenn die Massnahme durch drei Instanzen (Bundesverwaltungsgericht, Sicherheitsausschuss des Bundesrats und den Chef VBS) bewilligt worden ist. Die Abwehr von Gewaltextremismus soll von solchen Massnahmen aus Gründen der Verhältnismässigkeit explizit ausgeschlossen sein.

Journalist Ramseyer schreibt weiter, dass sich der NDB mit dem neuen Gesetzesartikel 10 eine Generallizenz zur Kollaboration mit ausländischen Partnern ausstellen lassen will. Auch dies ist falsch. Bereits nach den heute geltenden Gesetzesgrundlagen müssen Kontakte zu Partnern jährlich durch den Bundesrat abgesegnet werden. Dies ist auch im neuen Gesetz so vorgesehen. Für eine Beteiligung an automatisierten internationalen Informationssystemen besteht heute keine Rechtsgrundlage, d.h. eine solche müsste entweder in einem separaten Gesetz oder in einem Staatsvertrag geregelt werden. Entsprechend ist der NDB heute auch nicht an solchen Systemen beteiligt. Für eine künftige Beteiligung an solchen Systemen sieht das neue Gesetz den Abschluss völkerrechtlicher Verträge unter der Zuständigkeit des Bundesrates und nicht des NDB vor.

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