Via Intrigen ins Weisse Haus: «House of Cards» klingt fast zu real, um Fiktion zu sein

Nur noch wenige Tage bis zur Präsidentschaftswahl in den USA. Mit dieser fesselnden Serie können Sie sich satte 43 Stunden lang einstimmen: «House of Cards» zeigt die Machtkämpfe in Washington aus Sicht eines skrupellosen Politikers.

Das faszinierendste und irritierendste KMU, das man in Serie zu sehen bekommt: Claire und Frank Underwood (Robin Wright und Kevin Spacey). 

(Bild: Netflix)

Nur noch wenige Tage bis zur Präsidentschaftswahl in den USA. Mit dieser fesselnden Serie können Sie sich satte 43 Stunden lang einstimmen: «House of Cards» zeigt die Machtkämpfe in Washington aus Sicht eines skrupellosen Politikers: Francis Underwood (Kevin Spacey). Gemeinsam mit seiner Frau Claire (Robin Wright) ist er bereit, alles zu tun, um ins Weisse Haus einzuziehen.

Seit dem Erfolg der Action-Reihe «24» um den Agenten Jack Bauer wissen Serien-Fans: Die Zukunft liegt in der Fiktion. Denn ein afroamerikanischer Präsident war in «24» bereits im Amt, als Barack Obama seine Kandidatur vorbereitete. 

Dass eine Serie auch hochspannend und visionär sein kann, ohne dass ein Agent im Mittelpunkt steht, zeigt seit einigen Jahren «House of Cards». Diese ist im US-Zentrum der politischen Macht angesiedelt: in Washington. Francis J. Underwood (grossartig: Kevin Spacey) vertritt im Repräsentantenhaus vordergründig die Interessen seiner Partei (der Demokraten) und seines Bundesstaates (South Carolina). Vor allem aber vertritt er seine eigenen Interessen. Denn er will ganz nach oben, ins Weisse Haus. Und setzt dafür alles aufs Spiel.

Taktiker der Extraklasse

Underwood ist ein Taktiker der Extraklasse, ein Intrigant, der alles unternimmt für seine Ziele. Seine Gattin Claire (ebenso brillant: Robin Wright) agiert ebenso ambitioniert und zielgerichtet. Gemeinsam bilden sie das faszinierendste und irritierendste KMU, das man in den letzten Jahren im Fernsehen gesehen hat. Oder besser: im Internet.

Denn visionär ist hier schon nur die Entstehungsgeschichte: Die Serie wurde nicht wie üblich von einem grossen TV-Sender finanziert, sondern von einem neuen Player im Geschäft: Net­flix, einem Anbieter von Internet-Streamings.

Die Revolution wird im Netz übertragen

Netflix veröffentlichte 2013 auf einen Schlag die erste Staffel von «House of Cards» – und ermöglichte den Abonnenten so, die Serienfolgen am Stück zu schauen. Diese Dauerverfügbarkeit hat den Begriff «Binge Watching» für einen Serien-Marathon etabliert. Oder anders übersetzt: Serien glotzen, bis die Augen zufallen.

So hat das Internet das klassische Fernsehen überholt, wo man Serien weiterhin portionenweise schauen muss – meist unterbrochen von Werbe-Einblendungen. Bei Online-Anbietern wie Netflix bestimmt der Abonnent, wann er was sehen will. Ein Erfolgsmodell in Zeiten der «Internetpiraterie», wie sich herausstellte.

Der Erfolg war kalkuliert: So hatte Netflix vorgängig die Sehgewohnheiten von 29 Millionen Kunden ausgewertet. Und diese zeigten ihnen, dass Serienthriller beliebt seien, ebenso Filme mit Schauspieler Kevin Spacey und Regisseur David Fincher. Also sicherte sich Netflix diese Leute. Das liess man sich extraordinär viel kosten: Vier Millionen Dollar kostete eine Folge (50 Minuten). Auch das hat es zuvor bei Serien nicht gegeben.

Dennoch, und das ist zusätzlich interessant, merkt man der Serie nicht an, wie viel Kalkül in ihr steckt. Der Inhalt fesselt: Wie das Ehepaar Underwood in Washington seine Karrieren vorantreibt, wie es Freunde links liegen lässt – und auch sein Ehegelübde –, das ist grosse Spannung, grosses Theater. Kein Wunder, wird «House of Cards» gerne mit Shakespeares Werk verglichen.

Daten und Lügen

Es ist alles drin, was ein grosses Drama verlangt. Hervorragend gespielt und spannend bis zur vierten Staffel, in der wir einen Wahlkampf erleben (kommt uns bekannt vor), eine Frau sehen, die politisch aus dem Schatten ihres Mannes tritt, in der das FBI, Russland und Internetdaten eine Rolle spielen sowie Lügen, Lügen, Lügen. 

Sie merken es: Da finden sich Parallelen zum mitunter grotesken Schmierentheater im aktuellen US-Wahlkampf. Was auf Twitter zu einer denkwürdigen Botschaft eines Francis J. Underwood geführt hat:      

«Hätte man aus Donald Trumps Wahlkampf eine Fernsehserie kreiert, wäre diese als zu unrealistisch belächelt worden. Selbst von mir.» 

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