Wie ein aufziehendes Gewitter braut sich zusammen, was am Sonntag im St.-Jakob-Park zur Entladung führt: Fans des FC Zürich sorgen mit ihren brennenden Fackeln und Böllern für eine Unterbrechung der Partie. Am Ende des Tages muss man froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Es ist lange Zeit ruhig geblieben am Platz Basel. Ausschreitungen von Fussballfans, zumindest solche in grösserem Ausmass, hat es nicht mehr gegeben. Und dennoch beschlich einen bei der Lektüre eines gut gemeinten Leitkartikels in der Samstagsausgabe der «bz Basel» ein ungutes Gefühl. «FCB gegen FCZ – und keiner redet mehr von Hooligans» war der Beitrag überschrieben. Seit Sonntagnachmittag kann die These so nicht mehr gehalten werden.
Im Nachgang der Partie:
FCZ-Fans blockieren den Zugverkehr
Um 17.33 Uhr unterbricht Schiedsrichter Sascha Amhof die Partie zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich in der 73. Minute und schickt beide Mannschaften in die Garderobe. Er tut dies gemäss den Richtlinien, eine solche Entscheidung liegt in seinem Ermessensspielraum. Die Unterbrechung sorgte dafür, dass sich die aufgeheizte Atmosphäre etwas beruhigen konnte.
Am Ende des Tages, der sportlich aus Basler Perspektive ein Fest war und aus Zürcher in jeglicher Hinsicht ein Desaster, kann man festhalten, dass es glimpflich ausgegangen ist. Bis am späten Sonntagabend war nichts bekannt von Menschen, die Schaden genommen hätten.
Der Sektor der Fans des FC Zürich und brennenden Fackeln. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Den Schaden hat der Fussball, der auf den Rängen wieder einmal seine hässliche Fratze offenbart hat. Beide Vereine werden hohe Bussen aufgebrummt bekommen. Der FC Basel, weil in solchen Fällen immer ein Mangel in der Sicherheitsarbeit unterstellt wird, und ausserdem, weil auch in der Muttenzerkurve Petarden gezündet wurden.
Der FC Zürich wird die noch höhere Busse erhalten für seine Fans, die schon früh an diesem Nachmittag mit Kanonenschlägen Mark und Bein der 32’000 Zuschauer im St.-Jakob-Park erschüttert hatten.
Das Gewitter, das sich zusammenbraut
Es war wie ein aufziehendes Gewitter, was sich da im St.-Jakob-Park im Sektor der Gäste zusammenbraute. Die Atmosphäre knistert ohnehin, der sportliche Kriechgang der Mannschaft paart sich derzeit mit der Degradierung des Torhüters David da Costa, und das Verhältnis der Clubführung zur Südkurve ist angespannter als auch schon.
Und dann passieren all die aufwühlenden Momente der Neuauflage des Klassikers im St.-Jakob-Park unmittelbar vor dem mit gut und gerne 1500 FCZ-Fans besetzten Sektor. Erst das Basler Führungstor, dann die beiden Platzverweise, die Rudelbildungen der Spieler, der zweite Basler Treffer. Die Emotionen gehen hoch, und das nicht nur unter den FCZ-Anhängern, aber bei ihnen ist das Frustpotenzial besonders hoch.
Eine erste Knallpetarde detoniert in der Zürcher Ecke, in der zweiten Halbzeit eine zweite, aus der Basler Ecke kommt eine entsprechende Antwort. Im Zürcher Sektor werden Pyros gezündet und geworfen, wahllos. Die Fotografen, die an dieser Spielfeldecke Position bezogen haben, müssen sich um ihre leibliche Unversehrtheit und ihr Material sorgen.
Minutenlang brennen die leuchtend roten Fackeln am Spielfeldrand ab. Man erinnerte sich an den 2. Mai 2008, als FCZ-Fans brennende, 1000 Grad heisse Signalfackeln in den Bereich der Basler Zuschauer geworfen hatten.
Eine von unzähligen Fackeln, die aus dem Block der Zürcher Fans im St.-Jakob-Park geworfen wurden. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)
Dann knallt es wieder, unmittelbar mit dem ersten Treffer der Zürcher. Wieder fliegen brennende Flackeln. Tomas Vaclik, der FCB-Torhüter, eilt aus seinem Tor zu den Schiedsrichtern. Später erklärt er, dass er durch den gewaltigen Kanonenschlag irritiert war. Wahrscheinlich war das auch die Absicht des Absenders.
Jedenfalls zögert Schiedsrichter Amhof nach Beratschlagung mit seinen Assistenten am Spielfeldrand nicht lange. Er schickt beide Teams in die Kabine.
Den Spielunterbruch erachtet Bernhard Heusler für richtig. Der Präsident des FC Basel hält sich zum Zeitpunkt des Unterbruchs schon im Innenraum des Stadions auf. Die Pause soll Gelegenheit schaffen, damit sich die Stimmung abkühlt.
«Es wurde eine Grenze überschritten», sagt Amhof bei «Teleclub» zum Spielunterbruch, «wir haben zusammen mit den beiden Vereinen entschieden, ein Zeichen zu setzen. Und die Entscheidung hat uns recht gegeben: Es war nachher ruhiger.» Der 35-jährige Referee aus dem Aargau, der sein 50. Super-League-Spiel leitete, macht auch klar: Bei einem weiteren Knall hätte er die Partie endgültig abgebrochen.
Schiedsrichter Sascha Amhof erläutert vor der Teleclub-Kamera sein Vorgehen (mit einem Klick auf das Bild geht es zum Video):
Zehn Minuten dauerte der Unterbruch. Während dieser Zeit kommt Marco Streller, der zuvor ausgewechselt worden war und sich bereits in der Garderobe aufhielt, zurück ins Stadioninnere und redet mit Leuten aus der Muttenzerkurve. Was gesprochen wurde, darauf will der Captain nicht eingehen. Strellers Mitspieler Fabian Frei meint zur Unterbrechung des Spiels nur: «Man darf sich davon nicht ablenken lassen.»
Von den FCZ-Exponenten ist niemand präsent
Schimpft auf die «Vollidioten» in der Kurve: FCZ-Präsident Ancillo Canepa. (Bild: Claudia Minder/freshfocus)
Auf der anderen Seite tut sich während der zehn Minuten nichts. Von den FCZ-Exponenten ist niemand zu sehen, der versucht hätte, in irgendeiner Weise Einfluss auf die Fans im Gästesektor zu nehmen. Auch nicht Ancillo Canepa, der Präsident, der sich in der Nähe der Zürcher Trainerbank aufhält. Die Zurückhaltung Canepas erscheint angesichts des angespannten Verhältnisses zur Kurve nachvollziehbar, vielleicht bleibt ihm auch gar keine andere Möglichkeit,
Nach dem Spiel wettert Canepa über «Vollidioten» und sagt: «Es ist ein Skandal, was passiert ist, absolut unterste Schublade. Das schadet uns und dem Schweizer Fussball. Eine gewisse Zeit hatten wir Ruhe vor solchen Leuten, aber es gibt einen Bodensatz, den wir nicht erreichen.»
Um 17.43 Uhr, nach zehn Minuten Unterbrechung, setzte der Schiedsrichter die Partie fort. Die Zuschauerreihen im Joggeli haben sich gelichtet, nicht wenige Besucher scheinen bereits den Heimweg angetreten zu haben. Vereinzelt werden im Zürcher Sektor weitere Fackeln gezündet und geworfen. Viel fehlt nicht für einen endgültigen Abbruch und einen ganz grossen Skandal.
Sicherheitskräfte hindern FCB-Fans daran, sich dem Zürcher Sektor zu nähern. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)
Nach Spielende setzen Sicherheitskräfte Reizmittel ein. (Bild: Andreas Meier/freshfocus)
FCB-Präsident Heusler ist erleichtert, dass es nicht soweit gekommen ist. Aufgewühlt sagt er nach Spielende: «Pyros und Knaller wollen wir alle nicht im Stadion. Das Wichtigste ist, dass keine Menschen zu Schaden kommen.» Das passiert glücklicherweise auch nicht, als im Zürcher Sektor Sitze aus der Verankerung gerissen und von den Rängen hinab geworfen werden.
Nach dem finalen Abpfiff dauert es eine ganze Zeit, bis die Spieler des FCZ in die Kabine gehen. Einige von ihnen sprechen am Zaun mit FCZ-Fans, während die FCB-Spieler ihre Ehrenrunde drehen. Unterdessen versuchen einige, zum Teil vermummte Fans in den Farben des FCB Richtung Gästesektor zu gelangen. Das Sicherheitspersonal im Stadioninnern kann das verhindern. Es werden Reizmittel eingesetzt.
Mit einiger Verzögerung kommen die beiden Trainer zur Medienkonferenz. Urs Meier, der sportlich schon ein schweres Paket zu tragen hat, sagt: «Ich distanziere mich absolut von den Fans, die diesen Unterbruch hinbekommen haben.»
Bernhard Heusler versucht, sich über das Ergebnis zu freuen, den Umständen zum Trotz: «Wir dürfen das nicht in den Hintergrund drängen, sonst bekommen diese Leute mehr Bedeutung als der Sport.» Es wird für den Moment ein frommer Wunsch bleiben. Ähnlich wie die allzu naive Feststellung, dass keiner mehr von Hooligans und anderen Chaoten redet.
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» Eine Stellungnahme des FCZ zu den Vorfällen in Basel: «Der FC Zürich verurteilt diese kriminellen Handlungen auf das Schärfste und distanziert sich in aller Form von solchen Chaoten»
Redebedarf: FCZ-Spieler, vorneweg Captain Alain Nef, nach Spielende im Dialog mit einigen ihrer Fans. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)
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