Die Bewohner des Wettsteinquartiers fühlen sich von Roche vor den Kopf gestossen und fürchten um ihr Quartier. Widerstand halten sie aber für zwecklos.
Eine knappe Woche nach Bekanntwerden der neuen Baupläne von Roche ringt Eva Güntert immer noch um Fassung. «Wir erwachen gerade aus dem Schockzustand», sagt die Anwohnerin an der Chrischonastrasse.
Mitte September hatte sie gemeinsam mit weiteren Anwohnern an Roche einen Brief geschrieben. Darin erkundigten sie sich, ob an der Peter Rot-Strasse weitere Hochhäuser geplant seien. «Nein», antwortete das Unternehmen wahrheitsgetreu:
«Bei der Planung prüfen wir auch die Möglichkeit hoher Gebäude. Ich kann Ihnen allerdings schon heute bestätigen, dass wir weder ein Hochhaus an der Peter Rot-Strasse noch in unmittelbarer Nähe planen.»
Was Roche verschwieg, erfuhr Güntert drei Wochen später aus den Medien: Noch höhere Türme, mehr Baulärm, mehr Verkehr, mehr Schattenwurf. Die Anwohnerin spricht ruhig und bedacht, sie ist alles andere als eine Wutbürgerin. Doch die bevorstehende Entwicklung des Quartiers lässt sie auch über radikale Lösungen nachdenken.
Einladung im letzten Moment
In der Öffentlichkeit war in den vergangenen Tagen viel Positives über die Pläne von Roche zu hören. Doch im betroffenen Quartier zeigt sich ein etwas anderes Stimmungsbild. Anfang Woche, beim Vorstandstreffen des Neutralen Quartiervereins, berichtete die Vereinsleitung von Reaktionen aus ihrem Umfeld.
«Ich war überrascht, wie gross die Bedenken sind», sagt der Präsident des Quartiervereins Hans-Peter Ebneter am Tag darauf. In den nächsten Wochen will der Verein seine Mitglieder nach ihrer Meinung zu den Bauplänen befragen und je nach Ergebnis über weitere Schritte nachdenken.
(Bild: Hans-Joerg Walter)
Viele Bewohner fühlen sich von Roche vor den Kopf gestossen. Dass das Unternehmen die Einladung zur Anwohnerinformation nur gerade 48 Stunden vor dem Anlass in die Briefkästen verteilte, irritiert zusätzlich.
Statt für Wut oder Kritik sorgen die Baupläne im Quartier vor allem für Resignation. «Ohnmächtig» fühle sie sich, sagt eine Anwohnerin der Grenzacherstrasse, die namentlich nicht genannt werden möchte. «Aber was sollen wir tun, wir sind nur kleine Leute.»
«Wenn Roche und die Stadt am selben Strick ziehen, hat das Quartier nicht mehr viel zu sagen.»
Einer der weiss, wie man sich wehrt, ist Bruno Keller. Seit Jahren kämpft er gegen den Ausbau der Osttangente. Der vom Bund in Aussicht gestellte Rheintunnel ist auch der Erfolg seines Vereins. Als Bewohner der Schwarzwaldallee ist er von der Entwicklung des Roche-Areals unmittelbar betroffen.
«Basel braucht die Roche. Für die Anwohner sind die neusten Pläne aber eine Zumutung», sagt Keller und fasst damit zusammen, was viele andere Anwohner nur anonym sagen wollen.
Doch auch er hält Widerstand für zwecklos. Das sei ein Kampf gegen Windmühlen, sagt Keller. «Wenn Roche und die Stadt am selben Strick ziehen, hat das Quartier nicht mehr viel zu sagen.»
«Vielleicht ziehe ich auch weg»
Ein Blick in die Akten bestätigt seine Aussage: Gegen den Bebauungsplan für den entstehenden Roche-Turm wehrten sich insgesamt über 40 Parteien. Sie befürchteten unter anderem Schattenwurf, Verkehrs- und Baulärm sowie eine Wertminderung ihres Eigentums. Sämtliche Einsprachen blieben erfolglos.
Keller hofft, die Anwohner könnten zumindest im Kleinen Einfluss ausüben. Oberste Priorität hat für ihn ein Anschluss des Quartiers an die S-Bahn-Linie. Die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs ist eine der grossen Fragen für die Anwohner.
Viele weitere sind ebenfalls noch unbeantwortet: Wie sich der Schattenwurf und die Grundstückspreise entwickeln und ganz grundsätzlich, in was für einem Quartier sie in zehn Jahren leben werden.
Eva Güntert blickt aus ihrem Fenster auf den gegenüberliegenden Roche-Turm. «Ausschliessen will ich nichts. Vielleicht wehre ich mich politisch dagegen.» Doch der Claraturm habe gezeigt, wie wenig Widerstand nütze. «Vielleicht», sagt sie, «ziehe ich auch weg von hier.»