Wie Gorilla-Baby Goma 1960 im Basler Zolli sein Fan-Publikum als Fotografin verblüffte.
Als am 23. September 1959 im Basler Zolli ein winziges Gorillabuschi das Erdenlicht erblickte, war die Stadt am Rheinknie wieder einmal das, was sie am liebsten ist – der Nabel der Welt. Zumindest ein Näbelchen, denn noch nie zuvor war in Europa ein Gorillakind im «Hotel Zoo» und damit nicht in freier Natur geboren worden.
Fotos von Goma, so wurde das Basler Gorillamädchen offiziell benamst, gab es bald zuhauf, in jeder Position. Mit oder ohne Windeln. Mit oder ohne Schoppenfläschchen. Mit oder ohne den damaligen Zollidirektor Professor Ernst Lang, der den behaarten Säugling am Anfang vorsorglich in seinen Privathaushalt integrierte.
Nicht so von Kurt Wyss. Er, der immer schon nach dem Besonderen strebte, wollte etwas ganz Anderes, etwas Einmaliges. Und so bat er Professor Lang ein gutes Jahr nach Gomas Geburt um die Erlaubnis, das putzmuntere und blitzgescheite Gorillamädchen als Fotografin testen zu dürfen. Sujet: Zollibesucher, die – für Goma hinter dem Absperrgitter – vor dem Gorillagehege standen. Im heute noch existierenden Vogelhaus hatte man damals für das Publikum sogar eine kleine Tribüne aufgebaut.
So exklusiv die Idee, so kompliziert die Realisierung: Zu allererst musste sich Wyss einem akribischen Gesundheitstest unterziehen, um auch ja keine Krankheitserreger ins Gehege einzuschleppen. Anschliessend galt es, sich geduldig mit Goma anzufreunden, denn immerhin wurde ihr eine Rolleiflex-Kamera anvertraut, ein nicht ganz billiges Arbeitsgerät, wie Kenner wissen. Doch das Unterfangen, dem aufgeweckten Affenkind die Kamera respektive die Betätigung des Auslösers zu erklären, endete schmerzhaft. Nicht für den Gorilla, sondern für Wyss. Der wurde nämlich vom Affen gebissen. In die Hand. Und das war ein Glücksfall.
Der Biss brachte Kurt Wyss auf die Idee, die Kamera auf ein Stativ zu montieren und mit einem Fernauslöser zu versehen, an dessen Ende er einen Gummiballon anbrachte, wie man ihn noch heute für Parfümflacons verwendet. Siehe da: Als Goma mit dem Ballon spielte und nach Herzenslust darauf herumknautschte, kam obiges Bild fast problemlos zustande.
Mehrere Illustrierten-Verlage im In- und Ausland interessierten sich für das einmalige Bild und zahlten dafür – nicht Goma, sondern Kurt Wyss – eine für damalige Verhältnisse fast schon fürstliche Gage.
Was lernen wir daraus? Zwar muss längst nicht jeder «vom Affen gebissen» sein, um fürstliche Beträge zu verdienen. Doch nur wer sich vom Affen beissen lässt, kommt Jahre danach noch einmal zu einem – wenn auch wohl nicht mehr ganz so fürstlichen – Honorar.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28/10/11