Vom Natel zum Smartphone: Das GSM hat bald nichts mehr zu melden

Wie jeder anständige Rockstar, der mit 27 einen Abgang macht, ist der GSM-Mobilfunk am Ende seiner Karriere. 2020 wird der 1993 von der Telecom (heute Swisscom) eingeführte Mobilfunkstandard abgeschaltet.

In den Neunzigern waren die Handys zum Telefonieren da. Und das auf dem bald obsoleten GSM-Standard.

(Bild: Gettyimages)

Wie jeder anständige Rockstar, der mit 27 einen Abgang macht, ist der GSM-Mobilfunk am Ende seiner Karriere. 2020 wird der 1993 von der Telecom (heute Swisscom) eingeführte Mobilfunkstandard abgeschaltet.

Die Geschichte der mobilen Telefonie geht bis in die 50er-Jahre zurück, doch der Durchbruch der Handys fand Anfang der 90er-Jahre statt. Die Mobilfunknetze, die im analogen Zeitalter durch die noch klobigen Telefonknochen rauschten, wurden im Frühjahr 1993 auf den GSM-Standard aufgerüstet.

Das Global System for Mobile Communications (früher Groupe Spécial Mobile, GSM) ist ein Standard für volldigitale Mobilfunknetze, der hauptsächlich für Telefonie, aber auch für Datenübertragung sowie Kurzmitteilungen genutzt wird. GSM wurde mit dem Ziel geschaffen, ein mobiles Telefonsystem anzubieten, das Teilnehmern eine europaweite Mobilität erlaubte und mit herkömmlichen analogen Telefonnetzen kompatible Sprachdienste anbot.

In der Schweiz hiess das Natel-D und bedeutete «Nationales Autotelefon», D stand für «Digital». Damit einher gingen eine massive Steigerung der Sprachqualität und eine bessere Abdeckung auch in dünn besiedelten Gebieten. Die mittlerweile erschwinglichen Mobiltelefone waren ausschlaggebend für den Siegeszug der mobilen Kommunikation. Mit dem neuen Standard wurde auch ein neuer Dienst eingeführt, der eigentlich als Abfallprodukt der digitalen Gesprächsübermittlung anfiel: der SMS.

Am 3. Dezember 1992 schickte der Ingenieur Neil Papworth die erste Kurzmitteilung des Short Message Service (SMS) mit dem Text «Merry Christmas» von einem PC an ein Mobiltelefon im britischen Vodafone-Netz. Das Publikum wusste anfangs gar nicht, für was man Botschaften mit 160 Zeichen brauchen könnte. Da die Gebühren für Gespräche noch unerhört hoch waren (1995: 1.60 Franken pro Minute), verhalf das der billigen Kurzmitteilung zu ihrem Durchbruch. Jetzt wurde gesimst, was der Akku hergab. Es entstand eine eigene Sprache, um die begrenzte Zeichenanzahl inhaltlich zu umgehen. Die heute allgegenwärtigen Emojis waren schon damals eine effektive Kommunikationsform, allerdings nur mit Textzeichen und nicht mit gelblich debilen Gesichtlein.

Auch die Schweizer Geheimdienste und die Polizei beschäftigten sich mit dem neuen Standard. So wurde den Mobilfunkbetreibern vorgeworfen, dass die neuen digitalen Geräte abhörsicher seien und die Schlapphüte grösste Mühe hätten, die Kommunikation von Kriminellen und Staatsfeinden zu überwachen. Es wurde sogar über ein Verbot nachgedacht. Später stellte sich heraus, dass das Abhören überhaupt kein Problem war und die Panikmache einzig dazu diente, die Verbrecher in falscher Sicherheit zu wiegen. 


Da GSM technisch schon recht veraltet ist und eine hohe Sendeleistung für wenig Bandbreite braucht, wird die Swisscom im Jahre 2020 ihre GSM-Netze abschalten. Ein wichtiges Argument sind die Schweizer Grenzwerte im Bereich der nicht-ionisierenden Strahlung. Die Australier machen schon dieses Jahr Schluss, in den USA folgen Ende Jahr die Abschaltungen der grossen GSM-Netze. Die modernen Mobiltelefone benötigen sowieso neuere Standards, die weniger Energie brauchen und mehr Daten übermitteln können: UMTS (3G) und LTE (4G) sind für 99.5% des mobilen Datenverkehrs relevant.

So werden einzig Kunden mit Uralt-Geräten dazu gezwungen, moderne Handys oder Smartphones anzuschaffen. Die wenigen Rebellen, die sich dem Streichelphonezwang bis jetzt widersetzen konnten, haben in drei Jahren definitiv ausgerockt.

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