Nach 57 Jahren hinter der Milchtheke an Basels diversen Messen hat Elfriede Nenniger am Donnerstag ihrem Arbeitsplatz einen letzten Besuch abgestattet. Eine Zeitreise entlang der Koffein- und Milchbedürfnisse der Messebesucher.
Angefangen hat alles damit, dass Elfriede Nenniger für ihre kranke Schwester eingesprungen ist. Damals als 1956 in Basel die Mustermesse stattfand und der Milchhändlerverband wie jedes Jahr mit einem Stand (heute «Milk & More») die Messebesucher und Aussteller verköstigte. Ihr Vater führte eine Molkerei im Kleinbasel, sie wurde in das Geschäft mit der Milch hineingeboren.
Die 74-Jährige hat sogar noch die Ausstellerkarte zur Hand, mit welcher sie sich vor knapp sechzig Jahren zum ersten Mal als Mitarbeiterin eines Verpflegungsstandes ausgewiesen hat. Viel lebendiger als das abgegriffene und vergilbte Stück Papier sind jedoch ihre Erinnerungen an die Anfangszeit ihrer langen Laufbahn hinter dem Verkaufstresen im Rundhof der Messe Basel.
Milchprodukte waren en vogue
Nenniger schmunzelt, wenn sie erzählt, was in den 50ern am häufigsten über die Milchtheke ging. «Unser grösster Verkaufsschlager war ein Cornet gefüllt mit Schlagrahm.» Scharen von Messebesuchern seien extra deswegen bei den Milchhändlern vorbeigekommen. «Und wegen dem Nescafé natürlich», fügt sie an.
Milchprodukte waren en vogue, Butterberge höchstens eine böse Zukunftsvision. Die Kunden löffelten Fruchtjoghurt, tranken heisse Schokolade und baten um Rahmnachschlag. Und das Team um Nenniger, zumeist pensionierte Milchhändler aber auch junge Leute, wusste genau, was die Kundschaft wollte.
Da Nenniger für die Bestellungen zuständig war, war dieses Wissen für sie besonders wichtig. Irgendwann sah sie die Wende kommen. Nicht länger war nur Süsses gefragt, Alternativen mussten her. Da führte sie das Sandwich ein; der kulinarische Wendepunkt war mit Schinken belegt.
Espresso statt Filterkaffee
Später kamen Suppen, dann Salate. Aus den turmhoch-monströsen Quarktorten wurden schicke Mini-Patisserie, aus dem Löslichen wurde Filterkaffee. Bis sich der Koffeinspender zum italienischen Espresso verkürzte. Heute ist der Schaum auf dem Cappuccino bei den Milchhändlern mindestens so standhaft wie beim Barista im hippen Innenstadtcafé.
Doch nicht nur die Heissgetränke bei «Milk & More» waren begehrt, auch deren Behältnisse erfreuten sich einer grossen Nachfrage. Der Tassenklau nahm Überhand, als ein Muba-Gastland – Nenniger kann sich nicht mehr erinnern welches – in den schweizerdeutsch beschrifteten Suchard Express-Tassen günstige Andenken erkannte. Die Milchhändler sahen sich zum Handeln gezwungen und versahen alle ihre Trinkgefässe mit einem Schild. Darauf stand «geklaut beim Milchhändlerverband». Was die Beliebtheit der Tassen sogar noch vergrösserte, aber immerhin einen Werbeeffekt versprach.
«Heute ist alles viel gehobener als früher.»
Zuerst fand mit der Mustermesse lediglich eine Messe jährlich statt, irgendwann stellte Nenniger ihre Theke bis zu sechsmal im Jahr in den Hallen der Messe auf. An die erste Art 1970 erinnert sie sich noch gut. «Das war ein komplett anderes Publikum, viele schräge und interessante Gestalten kreuzten da auf einmal auf.»
In den Anfangszeiten seien sowohl Besucher als auch Aussteller der Kunstmesse völlig unkompliziert gewesen, das habe sich geändert. «Heute ist es viel gehobener als damals.»
Nenniger hat nach 57 Jahren genug, sie will jetzt lieber den Ruhestand geniessen, als Kaffee und belegte Silserli an Frau und Mann zu bringen. Ihre Nachfolge bei «Milk & More» wäre zwar gesichert, die Milchhändler haben jedoch von der Messe die Kündigung erhalten. Damit ist nicht nur Elfriede Nenniger zum letzten Mal im Rundhof anzutreffen, Milch an der Messe ist bald nicht mehr.