Vom Werben und Reklamieren

Reklame gibt es schon lange, Werbung erst seit den Nazis.

Stand der Publicitas an der Muba Basel. 1931 (Bild: Fotoarchiv Alfred Kugler (1877-1937))

Reklame gibt es schon lange, Werbung erst seit den Nazis.

Es gibt verschiedene Wege, ein Produkt oder eine Dienstleistung an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Die einfachste Methode ist eine Empfehlung unter Freunden. Soll allerdings ein grösserer Kundenkreis erreicht werden, treten Werbeprofis in Erscheinung.

So etablierte sich im Mittelalter ein erster Beruf der Werbezunft: der Marktschreier. Umherziehende Händler verwendeten Kauf- und Strassenrufe, um Kundschaft auf sich aufmerksam zu machen. In einfachen kurzen, beständig wiederholten Melodien wurde auf Waren, Dienste oder Darbietungen aufmerksam gemacht.

Wer verkaufen wollte, musste Massen von Käufern ansprechen.

Das hat mehrere Hundert Jahre gut funktioniert. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts kam mit der Industrialisierung die Massenproduktion. Wer richtig verkaufen wollte, musste jetzt Massen von Käufern ansprechen. Die neuen Massenmedien, die Zeitungen, waren dafür wie geschaffen, und eine neue Branche entstand in kürzester Zeit. Die Inseratevermittlungsagenturen schossen in allen Städten aus dem Boden und waren die Vorläufer der Werbeagenturen.

Eine von ihnen war die Anzeigenagentur Haasenstein und Vogler, die im Jahr 1855 gegründet wurde und zunächst in Deutschland und Dänemark tätig war. Bald lief das Geschäft mit der Vermittlung von Werbung so gut, dass die Agentur expandierte, unter anderem in die Schweiz. Bis 1916 zog man am selben Strick; dann trennte sich die Basler Niederlassung und betrieb ihr Geschäft fortan unter dem Namen Publicitas.

Mitte des 19. Jahrhunderts begann auch das ­Plakat seinen Siegeszug als Medium im öffentlichen Raum. Die vom Drucker Ernst Litfass entwickelte Litfasssäule wurde 1855 in Berlin an über hundert Standorten aufgestellt und präsentierte nicht nur Reklame, sondern auch die neusten Nachrichten in Form von Plakatzeitungen.

Berlins erste Litfasssäule, inwändig ein Pissoir!

Berlins erste Litfasssäule, inwändig ein Pissoir! (Bild: F. G. Nordmann)

 

Käufer, hört die Signale!

Die Reklamespezialisten waren gefordert und überboten sich mit immer gewagteren Sprüchen und Kreationen und gerieten dabei schon früh in Konflikt mit der Zensur. Das einfache Prinzip «permanente Penetration» setzte sich schnell durch. Potente Kunden konnten es sich leisten, ihre Botschaft so «laut» wie möglich «herauszuposaunen». Schnell war klar, dass Reklame mit Reizen arbeiten muss. Nur was auffällt, wird wahrgenommen. Das hat sich bis heute nicht geändert und wird auch in den neuen Medien bis zum epileptischen Anfall durchgespielt.

In Deutschland verwendete man noch bis in die 1930er-Jahre den Begriff Reklame, abgeleitet vom Französischen réclame (réclamer: ausrufen, anpreisen). Im «Dritten Reich» wurde dieses «Fremdwort» von den Nationalsozialisten systematisch verdrängt, da man die angeblich «jüdische Reklame» der Weimarer Republik durch «deutsche Werbung» ersetzen wollte.

Ob «Werbung» oder «Reklame»: Mag die Werbebranche auch auf Heerscharen von gut ausgebildeten Spezialisten zurückgreifen können, so kochen doch alle mit dem gleichen Wasser und würzen die Werbesuppe mit denselben wenigen Ingredienzien. Mit ein bisschen Training werden Sie rasch in der Lage sein, sie zu erkennen.

Wir werden in kommenden Zeitmaschinen diese verschiedenen Würzzutaten anhand einiger Beispiele aus der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung vorstellen und analysieren.

Quellen

Fotoarchiv Alfred Kugler (1877-1937) Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1012 193
http://query.staatsarchiv.bs.ch/query/detail.aspx?ID=424106

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