Der gelernte Grafikdesigner Baschi Baumgartner verliess Basel vor 25 Jahren. Heute lebt der Mitbegründer des Walking-Chair Design Studios unter dem Namen Fidel Peugeot in Wien und macht genau das, wofür Basel zu klein war: sein Ding.
Als Fidel Peugeot Basel verliess, kannte man ihn noch unter dem Namen Baschi Baumgartner oder, ganz korrekt, Sebastian Rudolf Baumgartner. Eine gewisse Bekanntheit hatte der gelernte Grafik- und Schriftdesigner und Mitbegründer des Underground-Projekts «Radio Glaibasel» (RGB 107,6) bereits erlangt, als er sich entschied, seiner Heimatstadt den Rücken zu kehren. «Kaiseraugst, Schweizerhalle und Stadtgärtnerei waren Geschichte, in Basel wurde das grosse Honigkuchenpferd gesattelt. Da wurde mir klar, dass ich weg musste.»
Das war vor 25 Jahren. Vier Jahre tingelte er durch die Welt, finanzierte sich mit Aufträgen für Werbeagenturen wie GGK oder Weber, Hodel, Schmid. «Zu dieser Zeit warst du als Schweizer automatisch ein Star. Du konntest alles machen. In Asien konntest du von 20 Euro einen Monat lang leben. Man konnte überall hingehen, ein bisschen arbeiten, und es hat immer zum Überleben gereicht.» Statt sich – wie viele andere – der Geilheit nach dem Geld hinzugeben, sah Fidel diese Phase als «zweite Studienzeit: Ich wollte mich in meiner Arbeit selbst finden, mich mit mir auseinandersetzen, träumen, weitergehen.»
Forschung am eigenen Leben
Fidel verbrachte längere Zeit in Paris und in den USA, bevor es ihn nach Wien verschlug. Dort zu bleiben, war kein Herzensentscheid. Im Gegenteil: «Die Stadt war trostlos und grau, der reine Horror.» Dass er dennoch blieb, lag an der riesigen Wohnung, die man ihm kostenlos überliess. Und an der Liebe. Fidel verliebte sich in Christine, eine Bayerin, mit der er heute noch zusammen ist und zwei Kinder hat.
In seiner Hinterhofwohnung widmete sich Fidel weiter seiner «Lebensforschung», entwickelte Schriften, produzierte Illustrationen und merkwürdige Objekte, musizierte – und berührte damit das, was er eine «Untergrund-Öffentlichkeit» nennt. «Die Leute hatten einfach Freude daran und fragten, wer macht denn sowas? In Basel wurde immer alles sofort mit Picasso oder Tinguely verglichen.»
Wie es herausgekommen wäre, wenn er nicht weggangen wäre, kann Fidel nicht sagen. «Weil ich es mir schlicht nicht vorstellen kann. Wenn du in eine Stadt kommst, die grösser ist als Basel, wo du keine Sau kennst, irgendwann Geld verdienen musst und mit einem völlig neuen Umfeld und neuen Wertverhältnissen konfrontiert bist – das bringt dich auf ein ganz neues Level. Du fängst von Null an, isst wochenlang Kartoffeln und so.» Die Schweiz habe er sich jahrelang überhaupt nicht leisten können. «Unser Lohn war die totale Unabhängigkeit. Diese Freiheit ist eine grosse Macht: Du entscheidest, was du machst, du machst es und keiner redet dir rein.»
Fidels Kerngeschäft war und ist die Typographie. Er entwickelte Schriften für Tyler Brûlés «Wallpaper» und «GQ», ist seit 2002 Linotype-Font-Designer. Dann beschloss er, dass ihm die Typographie allein «zu wahnsinnig» sei, und besann sich auf seine diversifizierte kreative Herkunft. Heute betreibt er mit seinem Partner Karl Emilio Pircher, einem gelernten Maschinenbauingenieur, das Walking-Chair Design Studio. «Ich bin 2D, er ist 3D, macht zusammen 5D.»
«Do what you like»
Unterstützt von einem Team von fünf bis zehn Leuten machen die beiden in einem ehemaligen Kaffeehaus ihr Ding – oder vielmehr: ihre Dinge. Das 250 Quadratmeter fassende, inmitten eines touristischen Bezirks zwischen Wittgenstein- und Hundertwasserhaus gelegene Lokal bietet Platz für Studio und Werkstatt, ist zugleich Showroom und Galerie – und proppenvoll mit abgefahrenen Objekten, darunter der (tatsächlich gehende) «Walking Chair», der der Firma ihren Namen gab, der runde Tischtennistisch «Ping-Meets-Pong», die Steh-Gitarre, auf der uns Fidel per Video auch prompt ein Ständchen bringt. Getreu dem Motto seiner Firma: «We Make Things and Songs.»
Wien sei nicht besser als Basel, betont Fidel. Die Wohlstandsprobleme seien letztlich die gleichen. «Wir leben im Fett und können bloss schauen, dass wir obenauf schwimmen. Hier wie dort schaut einfach jeder, dass er irgendwie über die Runden kommt. Wenn du durch die grossen Einkaufsstrassen gehst, siehst du Touris, H&M-, Zara- und Nespresso-Filialen. Es ist doch überall dasselbe.»
«Du musst weg von dort, wo du her kommst.»
Was es ausmacht, in Wien zu sein? «Da ist eben dieser historische Hintergrund, diese Substanz, die Migration, die immer ein prägender Teil dieser Stadt war. Migration heisst Wechsel. Für mich ist das ein Muss. Du musst weg von dort, wo du her kommst, damit du im besten Sinn etwas Neues aufbauen kannst. Wenn du dich bewegst, passiert etwas Neues. Diese Bewegung ist das Geile.»
Das Essen, ja, das sei eine Gefahr. Er habe zehn oder zwanzig Kilos zugelegt, seit er in Wien lebe. «Die Leute hier sind sehr genussfähig. Die Portionen sind sehr reichhaltig. Man streitet und säuft auch viel.» Ganz anders in Basel, wo er bei einem Restaurantbesuch mit seiner Familie für ein paar Kartoffeln und etwas Fleisch 40 Franken pro Person hinblättern musste. Klar ist Basel heute lebendiger als damals, als er wegging. «An der Feldbergstrasse, wo ich wohnte, geht heute ja richtig die Post ab. Aber hundert Franken für ein paar Bier und Falafel: Das glaubt mir hier gar keiner, wenn ich das erzähle.»