Wie soll Zwischennutzung in Basel aussehen? Am Freitag diskutierten hochrangige Podiumsteilnehmer in einer hitzigen Debatte. Aktivisten griffen Podiumsteilnehmer Jacques Herzog wörtlich an und boykottierten anschliessend die Veranstaltung. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig.
«Sig ruig Herzog!», schrie am Anfang der Podiumsdiskussion ein Anwesender aus dem Publikum dem Architekten Jacques Herzog entgegen, als dieser versuchte, sich gegen einen wörtlichen Angriff zu rechtfertigen. Grund für das hitzige Wortgefecht: Gerade als Moderator Matthias Oppliger (Redaktor der TagesWoche) die Runde eröffnen wollte, standen sieben vermeintliche Besucher aus den ersten Reihen auf, stellten sich vor die Podiumsgäste, und nahmen das Wort an sich. Mit scharfen Worten kritisierte ein Redner der Gruppe, die sich als Sympathisanten des geräumten Clubs Uferlos auswies, die Diskussionsrunde sei «das ergebnislose Bauchgepinsel eines elitären Haufens». Darauf verliess die Gruppe demonstrativ das Literaturhaus, wo die Podiumsdiskussion stattfand.
«Schade», kommentierte Oppliger den Abzug der Uferlos-Sympathisanten. Der Dialog zwischen Architekten, Zwischennutzern und Stadtplanern sei eigentlich genau das, was die Organisatoren des Studienzentrums Kulturmanagement MAS der Uni Basel mit der Podiumsdiskussion ermöglichen wollten, sagte Teilnehmerin Ruth Widmer.
Status: Es ist kompliziert
Doch die Theaterfalle-Leiterin verstand, dass es nach der Räumung des vorderen, unbewilligten Teils des Wagenplatzes extrem schwierig sei, einen angemessenen Dialog zwischen den Parteien wiederherzustellen. Zu emotional aufgeladen und unübersichtlich sei die Thematik, zu unklar die Rollenverteilungen, zu verhärtet die Fronten. Auch Fabian Müller von den Vereinen Neubasel und I_Land äusserte neben Kritik für die Diskussionsverweigerung der Zwischennutzer auch Verständnis für deren Frust.
Müller sprach aus Erfahrung, die seine Zwischennutzungsorganisation mit den Behörden gemacht hat: «Der legale Weg ist für Zwischennutzungen ein langes Spiel, das meist ins Leere läuft. Man muss so viele Vorschriften beachten und Auflagen erfüllen, dass einem vor lauter Papierkram die Begeisterung für das eigentliche Projekt flöten geht.» Einen Überblick über die Auflagen haben selbst die meisten Grossräte nicht, wie die ehemalige SP-Grossrätin Widmer zugab. «Man darf nicht vergessen, dass wir alle Laienpolitiker sind, in die ganzen Regeln müssen wir uns jeweils selbst erst einlesen.» Zu viele Regeln oder zu wenig eindeutig formulierte Verordnungen – das Stadtleben leidet unter dem Paragrafen-Dschungel, da sind sich die Diskussionsteilnehmer einig.
«Machen, nicht verwalten!»
Müller findet deshalb, eine unbewilligte Nutzung von öffentlichem Raum sei viel effizienter, weil sie die langwierigen Prozesse der Behörden umgehe. Erst als das Exesso Areal durch die Wagenleute besetzt wurde, zeigte die Stadt Bereitschaft, einen Mietvertrag mit Müller auszuhandeln, nachdem dieser sich zuvor monatelang ergebnislos darum bemüht hatte. «Es kann nicht die Strategie des Kantons sein, einfach nichts zu machen, bis der Stuhl brennt. Darunter leiden am Schluss alle», sagte er. Das fand auch Herzog: «Sackschwach» nannte er das Verhalten der Behörden in Müllers geschildertem Fall.
Für ihn finden sich die überzeugendsten Modelle, den öffentlichen Raum mitzugestalten, in den Favelas. «Dort haben die Bewohner alles selber gemacht, es gibt keine behördlichen Mittel, um das Stadtleben zu kontrollieren.» In diesen urbanen Lebensräumen herrsche zwar oft Chaos, sie bestechen aber durch eine Frische und Spontaneität, die in einem «überregulierten Hochsicherheitstrakt wie der Schweiz» nie zu Stande käme. Weniger Regeln, mehr spontane Raumgestaltung? Dieses Veto des Stararchitekten könnte aus einem Uferlos-Manifest stammen.
«Eine Zwischennutzung soll nicht
Theaterfalle-Leiterin Widmer machte die Angst vor dem Unbekannten dafür verantwortlich, dass spontane Raumgestaltung in Basel so einen schweren Stand hat. «Aus Unsicherheit wegen mangelnder Kontrolle darüber, wie sich der Wagenplatz entwickeln würde, wollten die Behörden ein weiteres Wachsen verhindern. Dabei hätte ich gerne gesehen, was beispielsweise in fünf Jahren auf einem geschützten, ungeregelten Territorium entstanden wäre.» Genau hier hakte ein verbliebener Uferlos-Sympathisant ein: «Eine Zwischennutzung soll eben nicht eingezäunt und abgeschottet von den umliegenden Stadtgebieten aufgezogen werden, sondern den Prozess der Urbanisierung mittragen.» Widmer erkannte bei sich einen Denkfehler und stimmte ihm zu.
An diesem Podiumsgespräch schienen alle Anwesenden zumindest grundsätzlich gegenüber der Idee der Zwischennutzung in Basel positiv gestimmt. Doch die Krux liegt mal wieder in der Umsetzung. Soll eine Zwischennutzung frei von behördlichen Regeln bleiben, oder soll die Regierung über Mittelorganisationen wie Shiftmode mitmischen? Wird dadurch die Zwischennutzung nicht instrumentalisiert, um den betreffenden Stadtteil aufzuwerten und Mietpreise zu erhöhen, wie Kritiker dies dem Verein Shiftmode vorwerfen?
Über die Definition der idealen Zwischennutzung hätten die Anwesenden und Abwesenden wohl noch lange diskutieren können. Zumindest einen gemeinsamen Nenner machte Moderator Oppliger zum Schluss aus: «Alle haben von Regeln die Nase voll».