Das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass die Schweizer Bevölkerung überall stark zunimmt – ausser in der Nordwestschweiz. Das Statistische Amt von Basel-Stadt sieht das anders. Aber warum? Wir haben die Szenarien verglichen.
Die Bevölkerung der Schweiz wächst. Langsam, verglichen mit der Weltbevölkerung, die nach aktueller Prognose der UNO schon im Jahr 2030 die Zahl von 8,5 Milliarden erreichen wird. Trotzdem ist die Beschäftigung mit Bevölkerungszahlen in der Schweiz ein Politikum, ja fast schon eine Obsession.
Glaubt man den Statistikern des Bundes, werden die Schweizer Regionen signifikant unterschiedlich wachsen. Das besagen die «Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Kantone 2015–2045» (2016). Laut Referenz-Szenario werden die Kantone Freiburg, Waadt, Thurgau, Aargau, Wallis und Zürich von 2015 bis 2045 den höchsten Zuwachs verzeichnen: In diesen Kantonen soll die Bevölkerung in 30 Jahren um mehr als 25 Prozent zunehmen.
Gar 40 Prozent soll der Bevölkerungszuwachs im Kanton Freiburg betragen (Durchschnitt Schweiz: 22 Prozent). Einziger Kanton mit negativer Bevölkerungsentwicklung: Kanton Uri. Allerdings nimmt auch hier die Bevölkerung nur um ein mickriges Prozent ab.
Und die Region Basel?
Während es am Rösti-Graben eng wird, wächst Basel-Stadt laut den Statistikern des Bundes gerade mal um 9 Prozent, Baselland um 11 Prozent. Beides Werte weit unter dem Schweizer Durchschnitt – aber warum?
Keine Erklärung bieten die Bevölkerungsszenarien der Kantone, im Gegenteil. Die im Juli 2016 vom Kanton publizierten Zahlen zeigen, dass Basel-Stadt schon im Jahr 2040 212’000 Einwohner haben wird – beim Bund sind es im Jahr 2045 209’000.
Beim hohen Szenario (das maximal Anzunehmende) wird Basel-Stadt laut seinen Statistikern 2040 245’737 Einwohner haben – der Bund rechnet in seinem hohen Szenario fünf Jahre später bloss mit 233’000.
Warum rechnet der Bund die Region Basel-Stadt klein?
«In erster Linie sind die ständigen Wohnbevölkerungen in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland relativ alt», sagt Raymond Kohli, Sektion Demografie des Bundesamtes für Statistik (BFS). «Im Kanton Freiburg lag dieser Quotient am tiefsten und im Kanton Zürich war er relativ tief. In den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt sind sowohl die Bevölkerung der jungen Erwachsenen im gebärfähigen Alter als auch das Niveau der Geburtenhäufigkeit relativ tief», erklärt Kohli. Und weiter: «Zwischen 2015 und 2045 nimmt die Bevölkerung unter 20 Jahren in fast allen Kantonen leicht zu. Das stärkste Wachstum verzeichnen die Kantone Freiburg (33%) und Zürich (21%). Die Wachstumsraten der Bevölkerung unter 20 Jahren betragen im Kanton Basel-Landschaft 4% und im Kanton Basel-Stadt 6%.»
Sprich: Die Bevölkerung ist vergleichsweise alt, und die Geburtenrate werde sinken. Gleichzeitig würden andere Regionen eher von interkantonaler Wanderung profitieren, sagt Kohli: «Gemessen an ihrer Bevölkerung profitierten in den vergangenen drei Jahrzehnten die Kantone Freiburg, Schwyz, Aargau und Thurgau am meisten vom Zuzug von Personen aus anderen Kantonen. Die Kantone Basel-Stadt, Uri und Graubünden verzeichneten hingegen die negativsten interkantonalen Wanderungssaldi.» Er halte andere Szenarien für die Region Basel als die vom BFS aufgezeigten für «wenig wahrscheinlich».
Internationale Migration und der Faktor Wirtschaft
Aber was ist mit dem Faktor Migration? Basels Bevölkerung wächst, weil der Kanton ein attraktiver Wohn- und Arbeitsort ist. Was, wenn es mit den Banken in Zürich bergab gehen sollte – und mit den Firmen in der Region Basel nicht?
Kohli räumt ein: «Das Problem mit der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung ist, dass diese sehr schnell ändert – viel schneller als die Demografie. Letztere ist stabiler. Deshalb berücksichtigen wir die wirtschaftliche Entwicklung bei den kantonalen Szenarien nicht.»
Der Statistiker hält aber fest: «Für Basel-Stadt hängt die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung stark von der internationalen Migration ab: Falls sie abnimmt, wird auch die Bevölkerung abnehmen, ein Geburtenüberschuss ist in nächster Zeit wegen der aktuellen Altersstruktur nicht zu erwarten. In Zürich hingegen ist ein starkes Potenzial für einen Geburtenüberschuss in der Gesellschaft vorhanden.» Und: Es sei durchaus möglich, dass einzelne Regionen weniger stark als angenommen wachsen und andere stärker – «es gibt immer Faktoren, die nicht vorhersehbar sind.»
Basel misst anders
Warum kommen die Statistiker von Basel-Stadt auf höhere Zahlen als die Statistiker des Bundes? «Der Unterschied zu den Szenarien des Bundes ist nur beim hohen Szenario ausgeprägt», sagt Lukas Mohler, Teamleiter Methodik, Modelle, Prognosen beim Statistischen Amt Basel-Stadt. «Das hat zweierlei Gründe: Erstens rechnet der Bund mit der ständigen Wohnbevölkerung, wir rechnen alle Einwohner mit ein, also zum Beispiel auch die Wochenaufenthalter.»
«Zweitens arbeitet der Bund methodisch leicht anders», sagt Mohler: «Er kann im Gegensatz zu uns nicht bis ins Detail mögliche städtische Arealentwicklungen miteinbeziehen. Genau das ist der Punkt, warum das hohe Szenario in der neuen Prognose mit einer Erhöhung der Einwohnerzahl um 25 Prozent auf rund 246’000 im Jahr 2040 diesmal höher ausfällt: Die Arealentwicklungen sind entscheidend für die Entwicklung des Bevölkerungsbestands. Und hier sehen wir in Basel-Stadt noch einiges an Potenzial.»
Anders ausgedrückt: Wenn Basel wachsen will, muss es bei der Stadtentwicklung vorwärtsmachen und bauen. Denn Basel ist auch für Schweizer Zuzüger längst wieder attraktiv geworden. Gäbe es mehr Wohnungen, gäbe es mehr Einwohner – die Nachfrage besteht, die Rechnung ist nicht kompliziert.