Was die Basler wirklich über die Baselbieter denken

Keine Identität, keine Ideen, keine richtiger Kanton: Im Schutz der Anonymität lassen die Basler alle Hemmungen fallen – wie eine kleine Umfrage zeigt.

Keine Identität, keine Ideen, keine richtiger Kanton: Im Schutz der Anonymität lassen die Basler alle Hemmungen fallen – wie eine kleine Umfrage zeigt.

Man kennt sie nur zu gut, all die gewundenen und bemüht liebevollen Bemerkungen der Städter über die Landschaft. Wie wichtig die Partnerschaft doch sei, wie wertvoll die Zusammenarbeit, wie freundlich und aufrichtig die Menschen.

Spricht man jedoch «unter uns» und verlässt den Bereich des Zitierfähigen, tönt es ganz anders. Die Pauschalisierungen, über die seit der Kantons­trennung lamentiert wird, die gibt es immer noch. Die TagesWoche hat verschiedene einflussreiche städtische Exponenten gefragt, was sie wirklich vom Baselbiet halten – und ihnen den Schutz der Anonymität versprochen. Herausgekommen ist ein Bild von … naja, verstörender Ehrlichkeit.

Beginnen wir mit der Politik. Die hat, egal ob links oder rechts, eine ­klare Meinung zur Leistung der Basel­bieter Regierung: ungenügend! «In Liestal sitzt eine Generation von Politikern an der Macht, die vom Trennungsgedanken regelrecht besessen ist. Vor allem dieser Ballmer ist aber sowas von vorgestern.» Schlimm, und hier spricht nun eine andere Politikerin, schlimm am Baselbiet sei auch die Wirtschaftskammer. Undurchsichtige Strukturen würden da herrschen, viel zu viel Macht sich ballen. «Es ist grundsätzlich so: Im Baselbiet haben ein paar wenige Leute das Sagen, die viel zu wenig leisten.»

«Euses Gärtli, euses Füürli»

Bei den Journalisten tönt es nicht besser. Zerrissen sei der Kanton, ohne Iden­tität. Der Agglomerationist halte sich für einen Baselbieter (er glaubt ja, auf dem Land zu wohnen), ist im Grunde aber ein Städter, sagt ein Journalist einer grösseren Basler Zeitung. «Der Agglomerationist legt sich wie verrückt ins Zeug für seine ursprüng­liche Absicht, ein Landschäftler zu sein, und grenzt sich, in totaler Verkennung der Realitäten, vom städtischen Zentrum ab.»

Auch einer aus der Welt der Justiz lässt kein gutes Haar am ­Baselbiet. «Die haben alles falsch gemacht, alles!», sagt ein Basler Anwalt und legt dann richtig los: «Jedes Kind weiss, dass ein Kanton in guten Zeiten sparen muss und in schlechten Zeiten eben nicht.» Die Baselbieter aber, die hätten es genau umgekehrt gemacht. Und sich damit in die Bredouille gebracht. Ein «isolierter Bauernkanton» sei es, der nicht mit Basel zusammenarbeiten könne. «Das Baselbiet kann mit gar niemandem arbeiten.» Getreu dem Motto: «Das isch euses Gärtli und euses Füürli.» Theater, Uni – sich aus der Affäre ziehen und trotzdem profitieren – so ticke es, das Baselbiet. Genau so.

Und schon wären wir wieder bei der leidigen Politik und den leidenden Politikern. Das Überraschendste an ihnen ist wohl, dass sie manchmal sogar so etwas wie Mitleid für die «frechen ­Baselbieter» verspüren. «Irgendwie haben sie ein Problem, ein Bewusstseinsproblem», räsoniert eine Basler Politgrösse: «Auch unter den einflussreichen Baselbietern haben viele noch das Gefühl, sie lebten in einem Agrarkanton.» Darum würden sie auch nicht wirklich begreifen, wie wichtig Institutionen wie die Universität oder die Fachhochschule für diese moderne ­Region seien.

Neben all der Kritik und dem Mitleid gibt es auch versöhnliche Stimmen. «Wenn ich mir die vielen Baselbieter ansehe, die morgens in die Stadt pendeln, muss ich feststellen: So anders sind die gar nicht», sagt ein weiterer bekannter Politiker: «Der Austausch unter den Menschen ist eigentlich bestens in der Region. Nur die Politiker haben Probleme. Und verursachen immer wieder neue.» Das findet auch ein Mann aus der Wirtschaftswelt. Er sagt nur: «Wenn ich sagen würde, was ich wirklich übers Baselbiet und die Politik denke, würde man mich in Bern von hinten erschiessen.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11/11/11

Nächster Artikel