Was sagen Basler Chefärzte zu ihren Löhnen?

Drei Chefärzte aus der Region Basel erzählen über ihren Arbeitsalltag und was sie von Millionensalären halten.

Viel Verantwortung und wenig Freizeit haben ihren Preis – eine Million im Jahr muss es aber nicht sein, finden Basler Spitzenärzte.

Wie viel verdient ein Chefarzt? Und ist der Lohn gerechtfertigt? Diese Fragen beschäftigen die Schweiz, seit die «Rundschau» Zahlen zu den Chefarztlöhnen publik machte.

An manchen Spitälern sollen Chefärzte demnach bis zu 2,5 Millionen Franken im Jahr erhalten, der Durchschnitt liege bei einer Million. Das Unispital Basel sagte gegenüber der TagesWoche, alle Chefärzte verdienten weniger als eine Million pro Jahr und das KSBL erklärte, die Löhne der Kaderärzte würden zwischen 200’000 und 740’000 Franken im Jahr betragen.

Was sagen die Betroffenen zur Diskussion? Wir haben drei Chefärzte aus der Region Basel gefragt, wie ihr Alltag aussieht, wie viel sie arbeiten und was sie über die aktuelle Lohndebatte denken.

S.A.* vom Unispital Basel

Als Chefarzt einer grossen Klinik habe ich verschiedene Aufgaben zu erfüllen: Ich behandle täglich Patienten und beteilige mich gleichermassen am Notfalldienst. Daneben leite ich die Aus- und Weiterbildung von Ärzten. Damit verbunden ist auch ein Forschungsauftrag, bei dem ich neben grossen Studien kompetitive Grants und Drittmittel einwerben sowie Master- oder Doktorarbeiten betreuen muss. Zusätzlich bin ich in der Leitung des Bereichs «Medizin», in der ich viele Sitzungen, Besprechungen und Mitarbeitergespräche habe – viele davon ausserhalb der regulären Arbeitszeit. Im Durchschnitt komme ich auf etwa 50 bis 55 Arbeitsstunden pro Woche. Dazu kommen Nacht- und Wochenenddienste.

Was die Diskussion über Löhne betrifft, kann ich das Unverständnis der Öffentlichkeit bei Salären von über einer Million Franken gut verstehen und teile dieses. Ich selber komme nicht einmal näherungsweise an diese Summe. Fairerweise sollte man aber auch festhalten, dass es sich dabei um Einzelfälle handelt und dass die Chefarzt-Saläre nur unwesentlich zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen beitragen. Die öffentliche und wenig sachlich geführte Debatte über Chefarzt-Saläre kommt vielleicht auch gelegen, um von anderen Diskussionen – zum Beispiel über Fehlanreize im Gesundheitswesen – abzulenken.

M.F.* von einem Nordwestschweizer Privatspital

Der Arbeitsalltag ist stressig, vom frühen Morgen bis spät am Abend. Neben der Behandlung und Betreuung der Patienten hat ein Chefarzt zahlreiche weitere Aufgaben. Er steht den Ärzten und Mitarbeitenden bei Problemen zur Seite, organisiert Weiterbildungen und nimmt oft an Kongressen teil. Mein Arbeitspensum liegt bei etwa 10 bis 16 Stunden pro Tag. Dazu kommen Wochenenddienste.

Die Löhne von Chefärzten in der Schweiz sind in der Regel keineswegs überrissen. Wenn man die zeitliche und psychische Belastung sowie die Verantwortung der Chefärzte gegenüber Patienten, Mitarbeitern und Spitälern anschaut, sind die Löhne zweifellos gerechtfertigt. Man darf dabei nicht vergessen, dass man einen enormen Preis bezahlt, bis man Chefarzt ist: nach der Grundausbildung sehr lange Weiterbildungen, teils im Ausland; während 10 bis 15 Jahren verdient man sehr wenig, zum Teil gar nichts, man hat wenig bis keine Freizeit, kaum Zeit für familiäre und soziale Aktivitäten, und der chronische Stress belastet Körper wie Psyche stark.

B.T.* vom Unispital Basel

Aufgrund der Verantwortung für das ganze Fachgebiet bin ich ständiger Ansprechpartner für klinische und administrative Fragen. Dafür bin ich  immer erreichbar – mein Natel habe ich immer eingeschaltet bei mir, sieben Tage die Woche, 24 Stunden.

Die durchschnittliche Arbeitszeit im Spital beträgt 12 Stunden, mit Anwesenheiten am Wochenende bis zu 70 Stunden pro Woche. Dazu kommen überwiegend administrative oder wissenschaftliche Tätigkeiten in der Freizeit.

Der Job ist für mich nicht stressig, sondern interessant, weil er zum Beispiel Möglichkeiten zur Entwicklung des Fachgebiets und der Ausbildung junger Kollegen bietet.

Was ein Chefarzt verdient, kann nicht nach den Kriterien in einer freien Marktwirtschaft beurteilt werden. Die Gesellschaft muss sich vielmehr entscheiden: Will sie eine bestmögliche Qualität von sehr gut ausgebildeten Ärzten, die auch sehr gerne arbeiten oder toleriert man die Abwanderung in Privatspitäler mit lukrativeren Verträgen und attraktiveren Arbeitszeiten.

Löhne, wie sie von Alain Berset genannt worden sind (über eine Million Franken; Anm. der Red.), sind nicht realistisch und meines Erachtens auch vollkommen überzogen.

* Namen der Redaktion bekannt. Die betroffenen Chefärzte bleiben aus Datenschutzgründen anonym. Bei den Bildern handelt es sich um Symbolbilder.

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