Was tun, wenn ein Elternteil psychisch erkrankt? Tipps vom Psychiater

Wenn ein Elternteil psychische Probleme hat, werden die Kinder meist wenig über die Krankheit aufgeklärt. Ein grober Fehler, sagt Alain Di Gallo. Der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik Basel warnt vor mangelnder Kommunikation und plädiert fürs offene Gespräch.

Wie erleben Kinder die depressive Mutter? Das Kinderbuch «ZiegenHundeKrähenMama» von Katharina Tanner erzählt eine einfühlsame Geschichte zum schwierigen Thema.

(Bild: © Atlantis Verlag 2016)

Wenn ein Elternteil psychische Probleme hat, werden die Kinder meist wenig über die Krankheit aufgeklärt. Ein grober Fehler, sagt Alain Di Gallo. Der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik Basel warnt vor mangelnder Kommunikation und plädiert fürs offene Gespräch.

Herr Di Gallo, welchen Einfluss hat die psychische Erkrankung eines Elternteils auf ein Kind?

Das Risiko einer eigenen Erkrankung ist höher als bei Kindern mit gesunden Eltern. Die Genetik spielt dabei eine  Rolle, es darf aber nicht vergessen werden, dass sich eine psychische Krankheit auch stark auf das Zusammenleben und die Beziehungen in der Familie auswirkt.

Wie meinen Sie das?

Ein Beispiel: Wenn eine Mutter nach der Geburt ihres Kindes an einer Depression leidet, hat sie Schwierigkeiten, dem Neugeborenen angemessen zu begegnen. Nehmen wir das Wickeln: Hier entsteht eine gemeinsame Melodie, das Kind gurgelt und lacht, die Mutter lacht zurück und das Kind erkennt wiederum das eigene Gefühl im Gegenüber. Psychisch kranken Eltern ist es oftmals nicht möglich, Emotionen zu spiegeln – das hat einen grossen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes.

Und später?

Da gilt dasselbe. Psychisch kranke Eltern sind schneller gestresst, haben weniger Geduld. Dazu kommt der soziale Aspekt: Eltern mit psychischen Erkrankungen sind oftmals aus einkommensschwächeren Gesellschaftsschichten, leben in engen Wohnverhältnissen unter schwierigen Bedingungen. Das alles hat einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, da kommen deutlich mehr Risikofaktoren zusammen als bei einem Heranwachsenden mit gesunden Eltern.

Und die Krankheit beim Namen nennt.

Genau. Wenn man sagt «Papa braucht Ruhe» oder «der Onkel hängt an der Flasche», dann hilft das dem Kind nicht weiter, es kann mit diesem Bild nichts anfangen. 

Welche Chancen bieten Geschwister?

Geschwister können eine Möglichkeit sein, das Leid zu teilen. Als Geschwister findet man eine gemeinsame Sprache für die Krankheit, man einigt sich auf eine gemeinsame Erklärung. Wie die beiden Kinder in «ZiegenHundeKrähenMama» mit den Tierbezeichnungen. Doch das reicht nicht aus. Kinder brauchen die Unterstützung von Erwachsenen, die das Thema aufgreifen und mit ihnen besprechen: Was bedeutet das jetzt, wenn das Mami kräht wie eine Krähe? Es reicht nicht, wenn man die Kinder in ihrer Welt lässt. 

Eigentlich ja alles ganz selbstverständlich.

Eigentlich ja. Trotzdem ist das Thema bis heute weitgehend tabu. Deshalb ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. In Basel gibt es dazu beispielsweise das Projekt «irre Normal» des Gesundheitsdepartementes Basel-Stadt – da gehen Betroffene und Fachleute an Schulen und klären auf. So wird das Verständnis gefördert, die  Jugendlichen sehen, dass eine psychische Krankheit jeden treffen kann. Genau das brauchen auch direkt betroffene Kinder – zu sehen, dass jemand da ist, mit dem sie reden können. Sie müssen wissen, dass ihre Verwirrung normal ist und die Krankheit ihrer Eltern nichts mit ihnen zu tun hat. Damit ist der wichtigste grundlegende Schritt getan.

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Das Buch zum Thema: «ZiegenHundeKrähenMama» von Katharina Tanner, Atlantis Verlag 2016.

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