«Stimmt es», fragte mich vor einigen Jahren in Afrika ein junger Mann, «dass ihr in Europa eure Strassen mit Wasser wascht?» Jaja, das gibt es schon. Da fahren städtische Fahrzeuge durch die Strassen und spülen den Dreck mit Wasser weg. Aber das ist gar nicht so oft nötig. Meist verrichtet der Regen die Arbeit gratis.
Unvorstellbar für den jungen Mann, der in einem Land wohnte, das von monatelanger Dürre gepeinigt war. Viele Leute lebten in Flüchtlingslagern, wo der Mangel an Nahrungsmitteln gross, aber vergleichsweise gering war zur Not an Wasser. Ohne sauberes Wasser – oder sagen wir: ohne trinkbares Wasser ist Leben nicht möglich.
Genug des Moralisierens. Wir können uns nicht auch noch vorwerfen lassen, neben ausländischen Potentatengeldern auch Wasser im Überfluss zu haben. Irgendwann ist Schluss damit, uns ständig ein schlechtes Gewissen zu machen. Wir leben nun einmal in einem Klima, das uns genug Wasser beschert. So viel, dass wir auch mal drüber streiten, ob «San Pellegrino», «Eptinger», «Perrier», «Valser Wasser» oder sogar Hahnenwasser besser schmecke. Kleine Luxusprobleme, gewiss, aber irgendwann mag man nicht mehr über Rotweine diskutieren.
Wir lassen uns diese Vorlieben auch etwas kosten. Mittlerweile importieren wir fast so viel Mineralwasser aus dem Ausland, wie wir in der Schweiz selbst herstellen. Wasser als Label, als Prestigemarke – nicht mehr nur als Lebensmittel. Konzerne wie Nestlé oder Danone wissen dies längst zu nutzen. Sie schlagen Profit daraus, dass wir uns lieber mit einem «San Pellegrino» schmücken als mit einem «Prix Garantie». Eben: Luxusprobleme.
Ganz anders sieht das an Orten aus, wo Wasser Mangelware ist. In trockenen Teilen der Erde, in Städten von Drittweltländern, wo grosse Konzerne Wasser zu Geld machen. Wo Wasser so wertvoll ist wie Erdöl, weil mehr Profit herausgeholt werden kann. Und: wo das Wasser, das verkauft wird, der ansässigen Bevölkerung zuerst weggenommen werden muss. Nächste Woche kommt der Film «Bottled Life» in die Kinos. Er geht diesen Fragen nach, die wir ebenfalls zum Thema machen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20/01/12