«Wer trifft, hat recht»: Drei Schnitzelbänggler im Gespräch über guten Humor und billige Pointen

Basel stehen die «drey scheen­schte Dääg» bevor. Die Stadt wird im Ausnahmezustand sein, wie jedes Jahr. Und doch wird es nicht wie immer sein, zumindest nicht für die Schnitzelbänggler. Humor steht unter Beobachtung.

(Bild: Nils Fisch)

Basel stehen die «drey scheen­schte Dääg» bevor. Die Stadt wird im Ausnahmezustand sein, wie jedes Jahr. Und doch wird es nicht wie immer sein, zumindest nicht für die Schnitzelbänggler. Humor steht unter Beobachtung.

Diese Fasnacht wird speziell für Schnitzelbänggler: Der Berner Stadtpräsident und (Unfall-)Komiker Alexander Tschäppät muss sich wegen Italienerwitzen verantworten, Komiker Massimo Rocchi wegen despektierlichen Aussagen über Juden und ihren Witz, das Fernsehen SRF sich rechtfertigen für einen Sketch von Birgit Steinegger, in dem alles platt war ausser die Negerlippen der Kabarettistin. Und es ist nicht auszuschliessen, dass auch die Schnitzelbänggler früher oder später in den Fokus geraten: Nur zu gern wird in Basel während der Fasnacht über die Anderen gelacht.

Wochendebatte: Was ist gute Satire? Und wie weit darf sie gehen? Comedy-Provo­kateur An­dreas Thiel und Satiriker Gab­riel Vet­ter liefern sich einen Wortstreit zur Frage: ­«Zerstört die poli­tische Korrektheit den Humor?» Loggen Sie sich ein und diskutieren Sie mit.

Was ist daran einfach schlechter Humor und was vielleicht schon ein Verstoss gegen die Anti-Rasissmus-Strafnorm? Und wie reagieren Schnitzelbänggler darauf, dass die Justiz neuerdings gegen Humor vorgeht?

Wir haben drei Schnitzelbänggler an einem Tisch im «Bruune Mutz» vereint und nachgefragt: Karl Schweizer, Andreas Faller und Micha de Roo geben im Gespräch eine überraschende Antwort. «Wer trifft, hat recht», sagen sie und nehmen das Publikum in die Verantwortung. Humor als ein Produkt, das die Abnehmer findet, die nichts anderes wollen? Eine mutige These und nicht die einzige spannende Aussage im Gespräch. Nur eines wollten die Schnitzelbänggler auf keinen Fall in der Zeitung lesen: die Namen ihrer Bängg – «Bangg-Geheimnis.»

In den vergangenen zwölf Monaten schien die Welt zu spinnen. Und auch Basel stand öfter mal Kopf. Ein gutes Jahr für euch Bänggler?

Karl Schweizer: Das vergangene Jahr lieferte tatsächlich eine enorm üppige Basis für gute Pointen, weil Humor von schroffen Gegensätzen lebt und von grossen Themen, die ­allen in Erinnerung bleiben. Davon gibts diesmal fast schon im Überfluss.
Andreas Faller: Ganz so einfach scheint mir die Sache aber doch nicht zu sein. Es gibt immer wieder krude Geschichten, bei denen man am Anfang überzeugt ist, dass sich die Pointe fast von selbst ergibt. Und dann überlegt man und überlegt – und findet doch keine. Ein scheinbar guter Jahrgang ist darum nicht unbedingt wirklich gut. Am Schluss hängt alles von der Umsetzung ab.

Was ist denn ein gutes Sujet?

Micha de Roo: Eines, das eine überraschende Pointe ermöglicht. Sie ist das alles Entscheidende.
Faller: Wer Humor produziert, muss den Konsens des Publikums finden. Das geht nur bei Themen, bei denen das Publikum nicht gespalten ist. Ein gutes Beispiel dafür ist der Abgang des BVB-Direktors, der Mitarbeiterinnen anrüchige SMS geschickt haben soll. Da wird es in der Stadt kaum jemanden geben, der diese Geschichte nicht grotesk findet – perfekt! Wenn sich alle einig sind, muss man die Geschichte nur noch etwas überzeichnen, und schon hat man die Pointe. Gut ist auch, wenn sich alle mit einem Sujet identifizieren. Dem FCB zum Beispiel. Ihn zu erwähnen, reicht schon – und die Leute johlen, wahrscheinlich aus ­Solidarität. Ein solcher Vers muss nur halb so gut sein wie einer über eine etwas komplexere Sache.
de Roo: Aber aufgepasst: Ein Thema, das von allen Bängg aufgenommen wird, will auch bald niemand mehr hören. Zwei, drei oder von mir aus auch vier Mal BVB ist noch lustig, danach genügts langsam. Darum ist es clever, Nischen zu suchen: Themen, die zwar alle kennen, aber dennoch nicht so absehbar sind.

Jetzt mal etwas konkreter, bitte: Welches sind die grossen Themen in diesem Jahr?

de Roo: Mir fällt grad spontan so einiges ein – verraten würde ich das vor der Fasnacht aber nie.
Faller: Bangg-Geheimnis nennt sich das.
Schweizer: Ein bisschen etwas können wir vielleicht schon verraten: Neben den BVB wird sicher auch Baudirektor Wessels Thema sein, eventuell auch das Schwedenreisli mit ihm und seinen Chefbeamten.

Wobei das Kuriosum beim Thema Schwedenreisli ja in erster Linie die Berichterstattung der Zeitung ist, bei der Sie im Verwaltungsrat sitzen, der BaZ.

Schweizer: Ganz und gar nicht! Es gab da zwar umstrittene Passagen in der Berichterstattung, fest steht aber, dass Wessels mit Angestellten nach Stockholm fliegt. Auf Staatskosten! Das ist meines Erachtens ­etwas unsensibel.

Karl Schweizer (59) drechselt seit 35 Jahren Verse. Der SVP-Politiker ist als Schnitzelbänggler mindestens so bekannt wie als Grossrat. (Bild: Nils Fisch)

Wie kommen Sie eigentlich auf die Pointen?

Faller: Wir führen das ganze Jahr über eine Sujetliste, im Oktober fangen wir dann mit der Auswahl an. Sobald wir die Themen haben, diskutieren wir die Pointen. Sie sind unsere Business-Idee, auf die wir unsere Verse hinschreiben.
Schweizer: Ich schreibe die Themen nie vor dem Jahreswechsel auf, sonst wären sie zu alt. Ich überlege aus der freien Erinnerung. Mit dem letzten Wort eine Doppelpointe mit zweifachem Sinn hinzukriegen – das ist dann bei einem Vers schon genial. Das gelingt eher selten. Verse brauchen viel Arbeit und natürlich auch die richtige Technik.

Sie, Herr Schweizer, sprechen von Technik, Herr Faller spricht von Business-Idee und Herr de Roo von Nischen. Klingt alles sehr rational und ökonomisch – schrecklich unromantisch!

de Roo: Tja, Verse zu schreiben ist halt ein Handwerk. Romantische Gefühlswallungen kommen erst im Keller auf, wenn du singst und merkst: Die Leute sind begeistert.
Schweizer: Den genialen Einfall gibt es schon auch, aber eher selten.
Faller: Es ist bei unserem Bangg ja auch nicht so, dass wir alle vor dem Flipchart sitzen und verkrampft ­versuchen, einen Bangg zu konstruieren. Die Verse kommen am besten bei Pizza, Bier und lockerem Geplauder. Der Feinschliff danach, das ist dann schon ein Handwerk.

Welche Rolle spielt der Alkohol in dem ganzen Prozess?

de Roo: Ein paar Gläser können inspirierend wirken – oder auch ins Nichts führen. Aber das ist immer so beim Versli-Brünzeln. Es kommt auf den Moment an. Eine Toppointe zu finden oder zu scheitern – das liegt nahe beisammen. Auch wenn man wie verrückt nachdenkt: Erzwingen lässt sich gar nichts.
Schweizer: Das Hauptproblem ist aber ein anderes: Die meisten Bängg arbeiten zu wenig an ihren Versen und geben sich mit wenig zufrieden.
de Roo und Faller: Stimmt! Da hast du absolut recht!
Schweizer: Es ist doch eigentlich wie in der Malerei. Die grossen Meister – nicht, dass ich mich jetzt mit ihnen gleichsetzen will, Gott bewahre, nein! Aber irgendwie passt der Vergleich – also: Die grossen Meister bauen sich auch nicht rasch vor der Leinwand auf, kleckern was hin, und schon haben sie ein weiteres Meisterwerk geschaffen. Nein, sie investieren sehr viel Arbeit, Zeit und Können.

Dabei können verunglückte Sprüche weitreichende Folgen haben, wie zuletzt der Aushilfekomiker Alexander Tschäppät, die Satirikerin Birgit Steinegger und ihr Berufskollege Massimo Rocchi erfahren mussten. Die Rassismus-Vorwürfe gegen sie werden aber zumindest die Bänggler freuen, nehmen wir an.

Schweizer: Klar werden die ein Thema sein. (Lacht)
Faller: Man muss ja auch nicht ­unbedingt Mitleid haben mit den Personen, die Sie jetzt angesprochen haben. Tschäppät hat uralte Italienerwitze geklaut und öffentlich vorgetragen. Das ist einfach nur doof.
Schweizer: Als Stadtpräsident und noch dazu als Sozialdemokrat sollte er sich keinesfalls über Italiener ­lustig machen. Nicht auf derselben Stufe steht für mich der Vorwurf ­gegen Rocchi wegen seinen Äusserungen zu den Juden und deren Witz.

Stimmt für Sie die Qualität der Bängg?

de Roo: Es ist gemischt. Neben ­guten Bängg sind sicher auch genug ­dabei, die etwas loswerden wollen, obwohl sie das nötige Niveau nicht unbedingt haben beziehungsweise zu wenig selbstkritisch sind.
Schweizer: Es gibt halt auch so ­viele Bängg. Wirklich gut ist aber nur ein kleiner Teil.

Was ist mit den übrigen – sollten die Ihrer Meinung nach am besten verschwinden?

Schweizer: Das soll jeder für sich entscheiden, einerseits. Andererseits ist doch die Fasnacht auch etwas sehr Ungezwungenes, da hat auch das qualitativ weniger Gute seinen Platz. Das Publikum urteilt ja dann schon.
Faller: Das Problem ist, dass es Bängg gibt, die nie auf die Idee ­kämen, sich auch einmal selbst zu hinterfragen. Ich habe schon erlebt, dass wir beim Warten auf einen Auftritt keinen einzigen Lacher aus dem Saal gehört haben. Und dann kamen die Bänggler raus und sagten: «Hey, grossartige Stimmung hier, jetzt ­haben wir die Leute so richtig heiss gemacht für euch.» Mich würde so schlechte Resonanz des Publikums frustrieren. Nach einer solchen ­Fasnacht würde ich mir vermutlich überlegen, etwas anderes zu machen.
Schweizer: Wir hatten auch mal so erfolglose Bänggler vor uns, bei denen wirklich niemand gelacht hat. Als sie wutentbrannt rauskamen und uns so gemütlich dasitzen sahen, sagte einer: «Ach ihr, ihr seid ja ­sowieso alles Arschlöcher.» Mein Bangg-Freund antwortete ihm dann: «Gäll, bim Thema Fasnacht hört bi de maischte dr Spass uff.»

Recht hatte er aber schon, oder?

Schweizer: Natürlich, die Fasnacht ist etwas Todernstes. (Alle drei lachen.)

Ihr Bangg, Herr Schweizer, ist zwar bekannt, aber längst nicht bei allen beliebt – warum?

Schweizer: Schauen Sie, wenn Sie sowas 35 Jahre lang machen, dann gibt es immer solche, die finden Sie toll, und andere, die finden das nicht so. Da ist auch viel Neid dabei.

Was meinen die Kollgen: Sieht Herr Schweizer das richtig?

Faller: Hmm. Also gell, was ich jetzt sage, ist wirklich nicht auf ­deinen Bangg bezogen, in absolut keiner Weise. Aber ganz grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass man mit Erfolg demütig umgehen muss, dann schafft man auch keine Angriffsflächen. Wenn mich einer fragt, ob wir gut sind, antworte ich immer: Das muss das Publikum ­entscheiden. Und solange wir die Lacher auf unserer Seite haben, scheint mir alles in Ordnung zu sein.
Schweizer: Also, ich würde auch nie sagen, unser Bangg ist der beste, das ist er auch nicht. Aber zum oberen Segment gehören wir schon – wie eure beiden Bängg übrigens auch.

Wie viele gute Bängg gibt es denn?

Schweizer: Von den insgesamt etwa 110 sind es etwa 30, die richtig gut und beim Publikum wirklich akzeptiert sind.

Billige Witze über Zürcher oder Schwoobe machen aber auch ­diese. Warum kommen die ­eigentlich so gut an?

Schweizer: Das ist historisch bedingt. Zürcher-Witze gibt es, seit ich mich erinnern kann.

Das muss doch eine tiefere ­Ur­sache haben. Einen Minder­wertigkeitskomplex vielleicht?

Alle durcheinander: Ja, klar, selbstverständlich.

Das hätten wir jetzt nicht gedacht, dass die Basler so offen zu ihrem Komplex stehen.

Schweizer: Es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig. Der Wirtschaftsstandort Zürich hat in den vergangenen Jahren sehr viel an ­Boden gewonnen – und wir verloren. Wo zum Beispiel ist die ganze Banken­industrie geblieben? In ­Zürich natürlich. Wir können von Glück ­reden, dass wir unsere paar Pharmaunternehmen noch haben.
Faller: Da bin ich anderer Meinung. Wenn Basel-Stadt und Baselland endlich einmal ihre Lämpe und Befindlichkeiten ganz beiseite legen und richtig zusammen arbeiten würden, wäre diese Region die Nummer 1 in der Schweiz. Fusionieren müssen sie von mir aus ja nicht grad unbedingt – aber eben: Z-U-S-A-M-M-E-N-A-R-B-E-I-T-E-N!
Schweizer: Also, ich wäre jetzt noch für so eine Fusion. Das wäre für diese Stadt meines Erachtens die einzige Rettung.
Faller: Wenn du meinst. Ich halte den Basler Minderwertigkeitskomplex jedenfalls für falsch. Zürich ist von mir aus der wichtigere Finanzplatz, dafür nicht so international gesinnt. Wir sind in fünf Minuten in Frankreich, in fünf Minuten in Deutschland.

Meine Herren, Ihr geliebtes ­Basel streitet seit Monaten über die Einführung eines neuen Verkehrskonzepts, und auch in der Politik tun nicht wenige Städter so, als würde die Welt in Binningen, Muttenz oder Birsfelden enden. Das ist doch alles ziemlich engstirnig.

Schweizer: In einem Punkt gebe ich Ihnen recht. Basel ist zwar inter­national ausgerichtet, wir haben auch viele Arbeitskräfte, die im Speckgürtel wohnen, und doch hält sich das Interesse am Baselbiet sehr in Grenzen. Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass Basel enorme Qualitäten hat, da bin ich ganz bei dir, Andi. Auch dieser Esprit moqueur ist sehr speziell hier. Geht doch mal nach Zürich ans Sechseläuten. Was dort teilweise für Reden gehalten werden, richtig derb, so was würde hier keiner bieten.

Herr de Roo, Sie sind deutlich jünger als die beiden anderen Herren. Machen Sie sich auch noch lustig über die Zürcher, oder ist Ihre Generation da schon etwas weiter?

Micha de Roo (36) ist seit zehn Jahren Schnitzelbänggler. Wenn er nicht Verse brünzelt, steht er als Poetry-Slammer auf der Bühne. (Bild: Nils Fisch)

de Roo: Ironische Bemerkungen über Zürcher kommen offenbar in der ganzen Schweiz vor und immer wieder gut an, auch bei jungen Leuten, ausser in Zürich selbst vielleicht. Das stelle ich auch fest, wenn ich als Poetry-Slammer unterwegs bin. Ich nehme an, dass die Zürcher durchaus damit leben können. Schliesslich kann man den Metro­polenneid ja auch als Kompliment auffassen. Das Schönste ist doch, wenn man auch über sich selbst ­lachen kann.
Schweizer: Entscheidend ist, dass ein gewisses Niveau nicht unterschritten wird. Verse über Zürcher, Schwoobe oder Homosexuelle ­müssen wirklich gut sein, sonst sind sie einfach nur billig. Reine Effekthascherei.

Aber um den Effekt geht es den Bängglern schon auch? Wie eitel sind Sie?

de Roo: Also, mir geht es vor allem um die Freude an der Sprache. Mich reizt es, Sujets in wenigen Sätzen auf eine lustige Art zu verknüpfen.
Schweizer: Das ist ein wichtiger Punkt.
Faller: Natürlich haben wir angefangen zu singen, weil wir wussten, dass man so bei den Frauen gut ankommt. Und jetzt – im Ernst – noch meine twitterfähige Botschaft: Die Leute zum Lachen zu bringen ist die schönste Droge – und erst noch eine legale!

Weil Sie den Menschen eine ­kleine Freude bereiten möchten? Oder geht es Ihnen nicht eher um eine Selbstinszenierung?

Faller: Selbstverständlich muss man am Performen schon ein bisschen Freude haben. Eine sogenannte Rampensau hat es da leichter als ­einer, der wie eine Figur aus Holz stocksteif auf der Bühne steht. Und selbstverständlich freut man sich auch über ein gutes Feedback. Wenn du in einen Keller kommst und hörst, wie einer sagt, hey digg, das sind die und die, dann ist das halt schon sehr schön, das gibt einem ein Gefühl, als könne man fliegen.

Haben sich die Bängg in den vergangenen Jahrzehnten ver­ändert?

Faller: Extrem, ja.
Schweizer: In den Medien und im Internet werden die meisten Themen heute schon bis zum Gehtnichtmehr abgearbeitet. Das macht es schwierig, neue Zugänge und neue Themen zu finden. Für eine knallige Pointe braucht es darum mehr als noch vor ein paar Jahren. Hinzu kommt, dass die Performance immer wichtiger wird.

Das heisst, die Bängg waren ­früher politischer?

Faller: Ich würde es so sagen: Die Bänggler waren früher vielleicht e bitz intellektueller.

Ist das nicht etwas pauvre: ein paar Lacher zu provozieren und damit hat es sich? Möchten Sie die Menschen nicht auch noch ein bisschen zum Nachdenken animieren?

Faller: Natürlich thematisieren wir Dinge, die einen normalen Menschen beschäftigen. Wenn ich zum Beispiel mit dem Auto durch die Stadt fahre, dann ärgere ich mich ­jedes Mal über die vielen Baustellen. Diese Wut bringen wir auch in den Bängg zum Ausdruck – lieber direkt als allzu sozialkritisch, mit übertrieben fein gedrechselten Versen, die niemand mehr versteht.
de Roo: Etwas Tiefe muss schon sein, aber die ganz grossen Botschaften kann man nicht mit ein paar Versen transportieren.
Schweizer: Schnitzelbängg sind Träger der Volkskultur. Wer einen zum Besten geben will, der hat ­normale Menschen vor sich, keine Horde von Intellektuellen. Das sollte der Bänggler nie vergessen. Das ist wie beim Zeitungsmachen: Mit einem rein intellektuellen Anspruch holt man sich den Applaus der Massen nicht ab.
de Roo: Mir hat mal einer nach ­einem Auftritt gesagt: «Gell, du hast studiert? Also nichts gegen dich, aber man merkts den Versen halt schon ein wenig an.» Das war natürlich ein Weckruf.

Und das Sozialistische gefällt tatsächlich auch Ihnen, Herr Schweizer?

Schweizer: Ich denke bei diesem Thema nicht unbedingt an Sozia­lismus, sondern eher noch an die ­Rekrutenschule. Da kommen auch die unterschiedlichsten Leute zusammen, arme und reiche, schlaue und solche mit anderen Qualitäten, und sie alle tragen das gleiche Tenue. Dieser Austausch wirkt sehr bereichernd – für alle.
de Roo: Fasnacht zu machen ist wie ins Militär zu gehen? Ich weiss nicht. Ich würde das Ganze eher mit einem grossen Boot vergleichen, in dem alle zusammen sind und es ­gemeinsam lustig haben.

Aber ein interessantes Thema wärs für unseren Tisch hier wahrscheinlich schon – die ­Armee und der Humor.

Faller: Die Antwort ist einfach – dort gibt es gar keine Tabus.
Schweizer: Dafür liefern sie super Sujets. Die Luftwaffe zum Beispiel, die nur zu Bürozeiten Einsätze fliegt – grossartig!

Ist diese Pointe nicht schon fast zu gut?

Faller: Doch, genau!
de Roo: Ich find jetzt eher – noch besser geht fast nicht mehr.
Schweizer: Richtig. Gut möglich, dass wir noch was draus machen. Lasst mich noch kurz überlegen.
Faller: Schluss jetzt! Ehrlich gesagt, könnte es sein, dass wir schon einen Flugwaffen-Bangg haben. Darum verbiete ich euch, uns das nachzumachen! (Alle lachen.)

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 07.03.14

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