Prävention hat nichts genützt, Repression auch nicht. Nun sollen Litterer mit einem Gewinnspiel dazu gebracht werden, ihren Abfall ordentlich zu entsorgen.
Gewerbedirektor Gabriel Barell hat in Basel ein Problem geortet:
«Früher, wenn ich mich im Ausland als Schweizer zu erkennen gegeben habe, hiess es stets ‹la suisse c’est propre›. Das ist heute anders. Heute ist es im Ausland sauber und bei uns ist es dreckig.»
Um diesen Missstand zu beheben, haben sich Gewerbeverband, Detailhandel und Verwaltung zusammen an einen Tisch gesetzt und die «Basler Littering Gespräche» abgehalten. Hinter diesem klingenden Namen verbirgt sich eine Arbeitsgruppe, die sich seit acht Jahren dem Problem des wild entsorgten Abfalls widmet.
Mit wenig sichtbarem Erfolg, denn noch immer wird in den warmen Monaten gelittert, was die Lebensmittelverpackungen hergeben. Weder Plakatwände noch unübersehbare Abfallcontainer am Rheinbord haben die erwünschte Wirkung entfaltet. Litterer sind unbelehrbar und faul, daran ändern auch Informationskampagnen nichts.
Der neueste Streich der Abfallbekämpfer setzt nun auf den Mitmachfaktor. Oder wie Kommunikationsmenschen gerne sagen: «Wir wollen bei der Zielgruppe eine Handlung auslösen.»
Ein Plastiksack soll es richten
Mit dem Slogan «Ein Drecksack macht sauber» wird der Litterer direkt angesprochen – wohl eine unbeabsichtigte Doppeldeutigkeit. Denn mit «Drecksack» ist der quietschbunte Plastiksack gemeint, der Take-Away-Kunden künftig beim Einkauf direkt mitgegeben wird. Verschiedene Läden nehmen an der Aktion teil, darunter die beiden Grossisten Coop und Migros, der Denner, die Manor, aber auch Fast Food-Riese McDonald’s, der Sutter Begg und die Kioske der Valora.
Nun wird also dem Unterwegsverpfleger ein solcher «Drecksack» mitgegeben, dass er die Überreste seiner Mahlzeit darin verstaue und entsorge. Zusätzliche Motivation zur ordentlichen Entsorgung soll ein Online-Gewinnspiel bieten.
Während also der gemeine Litterer bis anhin seinen Verpflegungsvorgang in zwei Schritten (1. Essen, 2. Liegenlassen) erledigt hatte, ist die Hoffnung künftig, dass dank 60’000 Sofortpreisen (Schoggiweggli im Sutter, Eistee in der Migros, Pommes im McDonald’s, etc.) und wöchentlichen Auslosungen von Pro Innenstadt-Gutscheinen dieser Vorgang künftig so aussieht:
- Essen
- Überreste im «Drecksack» verpacken
- Einen der an 29 verschiedenen Standorten in der Stadt platzierten «Drecksack-Container» aufsuchen
- Dort mit dem Smartphone und einer entsprechenden App den auf dem Container aufgebrachten QR-Code einlesen (QR = quick reaction, ein Pixelcode, der als eine Art Direktlink zur entsprechenden Website funktioniert)
- Sich auf dieser Website mit Namen und Email-Adresse einloggen
- Dort den auf jedem «Drecksack» aufgedruckten, individuellen Gewinncode eingeben
- Allenfalls einen elektronischen Gewinngutschein erhalten
- Den Abfall in den Container werfen
Man muss kein Kulturpessimist sein, um hier leise Zweifel anzumelden.
Das schwarzweiss gepixelte Quadrat oben rechts ist der QR-Code, den es mit einer speziellen App einzulesen gilt. (Bild: Hans-Jörg Walter)
900’000 solcher Plastiksäcke liegen bereit. Jeder davon wiegt 5 Gramm. Das macht insgesamt 4,5 Tonnen Plastik (bzw. Abfall) die ein Abfallproblem lösen sollen. Projektleiter Martin Gruber von der Abteilung Abfall im Amt für Umwelt und Energie sieht darin keinen Widerspruch. «Die Leute erhalten bei ihrem Einkauf ohnehin meist eine Tragtasche. Diese ersetzen wir jetzt durch den ‹Drecksack›, es fällt also nicht mehr Abfall an.»
Bleibt der «Drecksack» liegen, belastet er die Umwelt. Denn er ist nicht natürlich abbaubar.
Der «Drecksack» ist aus Polytehylen (PE), ein Kunststoff der äusserst beständig, langlebig und nicht natürlich abbaubar ist. Sprich: Bleibt der «Drecksack» liegen, ist er eine Belastung für die Umwelt. Auch dies ist in den Augen Grubers kein Widerspruch. «Es wäre fatal, wenn wir kommunizieren würde, dass die Säcke biologisch abbaubar sind. Dann kommen die Leute noch auf die Idee, sie in der Natur zu entsorgen.» Wird der Kehricht verbrannt, wie dies in Basel geschieht, dann sei der herkömmliche Kunststoff dem natürlich zersetzbaren überlegen. Denn die Energie, die beim Verbrennen entsteht, werde in Basel als Fernwärme genutzt. «Wird der Plastik hingegen kompostiert, dann verpufft die Wärme ungenutzt.»
Die Kampagne wurde von der Kommunikationsagentur «Valencia» entwickelt. Wo offenbar folgendes Prozessdiagramm noch nicht in den Workflow eingebaut wurde:
Entscheidungshilfe für Kommunikationsagenturen. (Bild: www.shouldiuseaqrcode.com)
Es ist in der Kommunikationsbranche einigermassen unbestritten, dass QR-Codes wenig wirksam sind. Die Tatsache, dass sie dennoch breit angewendet werden, bietet Anlass zu Spott und Ironie. Wie etwa obenstehendes Diagramm. Oder dieser Blog.