Wie der Markt mit dem Wetter spielt

Ob heiss oder kalt, trocken oder nass – das Wetter zählt dieser Tage zu den ganz grossen Themen. Ein gutes Geschäft, könnte man meinen. Doch der liberalisierte Meteo-Markt ist klein. Private haben gegen staatliche Anbieter einen schweren Stand.

Die Wetterlage beeinflusst Stimmungen, speist den Smalltalk – und macht deren Prognostiker zu modernen Sehern.

(Bild: Nils Fisch)

Ob heiss oder kalt, trocken oder nass – das Wetter zählt dieser Tage zu den ganz grossen Themen. Ein gutes Geschäft, könnte man meinen. Doch der liberalisierte Meteo-Markt ist klein. Private haben gegen staatliche Anbieter einen schweren Stand.

Eigentlich sollte es eine Glosse werden: Das Wetter macht Petrus im Himmel, und seine Stellvertreterin auf Erden, die Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt (SMA), sagt es an. Dann kam die Liberalisierung. Seither gibt es mehrere Wetteranbieter, und die Menschen, Medien und Tourismusverbände können wählen.

«Graubünden Ferien» etwa bevorzugt Sonnenschein und kauft ihre Prognosen bei Thomas Buchelis SF Meteo. Die liberale NZZ hingegen blieb bei der staatlichen SMA, heute MeteoSchweiz. Die meisten Privatradios und Tageszeitungen werden von Peter Wicks MeteoNews bedient, während die Somedia-Gruppe auf Meteotest setzt. Das wahre Wetter aber schert sich einen Deut um den Markt. Denn kräht der Hahn auf dem Mist…, und so weiter.

Bevor er seinen Spott formulieren konnte, benötigte der Schreiber noch eine seriöse Information. Er telefonierte Christian Häberli, Leiter «Produktmanagement» bei Meteo Schweiz. Dessen Antworten zogen neue Fragen nach sich. Der Reporter recherchierte weiter, las Studien, sprach mit prominenten Wetterfröschen, die nicht nur übers Wetter, sondern auch über ihre bösen Konkurrenten quakten. Womit die Glosse zugedeckt wurde von einem Haufen Daten und Zitaten. Daraus klaubt der jetzt zur Ernsthaftigkeit verdammte Journalist einige Einblicke ins Schweizer Wettergeschäft heraus.

Viel Staat, wenig privat

Trotz Liberalisierung dominiert in der Wetterbranche weiterhin der Staat. Das zeigen folgende Zahlen:

Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, das hinter dem Kürzel MeteoSchweiz steckt, beschäftigt 300 Angestellte und verfügt über ein Jahresbudget von 85 Millionen Franken. Die Erlöse aus dem kommerziellen Markt steuern dazu aber nur ein bis zwei Millionen bei, erklärt Christian Häberli.

Der Löwenanteil der Tätigkeit und Kosten entfällt weiterhin auf gesetzlich vorgegebene Leistungen. Dazu gehören die Erhebung, Verwaltung, Auswertung und Weitergabe von meteorologischen und klimatologischen Grunddaten, Klimaforschung sowie die ebenfalls im staatlichen Monopol verbliebenen Flugwetter-Prognosen. Den Löwenanteil der MeteoSchweiz-Kosten zahlt der Bund. Den kleineren Teil decken Gebühren, die MeteoSchweiz für ihre Flugwetter-Prognosen sowie die Nutzung ihrer Grunddaten durch kommerziellen Weiterverwerter kassiert.

Der liberalisierte Schweizer Wettermarkt beschäftigt zusätzlich etwa 150 Personen. Diese bearbeiten und interpretieren die Grunddaten, erstellen Spezial- oder Lokalprognosen, peppen sie fürs Publikum auf und erzielen damit einen Jahresumsatz von zirka 20 Millionen Franken. Diese Zahlen publiziert der Verband der privaten Meteo-Anbieter. Etwa ein Viertel dieses Marktvolumens entfällt auf MeteoSchweiz (NZZ, u.a.) sowie die ebenfalls vorwiegend mit Gebühren und Werbung finanzierte Abteilung SF Meteo, die neben Radio und Fernsehen SRF auch private Kunden beliefert.

Um den verbleibenden Kuchen balgen sich private Anbieter. Dazu gehören die Zürcher MeteoNews, die Berner Meteotest oder die deutsche Firma MeteoGroup, an die Jörg Kachelmann 2013 seine ehemalige Firma Meteomedia verkaufte. Kachelmann selber versucht zurzeit, mit seiner neuen Homepage «kachelmannwetter» im Schweizer Markt wieder Fuss zu fassen.

«Es gibt keine andere Branche, die mit so wenig Umsatz so viel Aufmerksamkeit erregt.»

Stefan Kunz, Leiter Meteotest

Das Wetter gehört zu den Themen, die uns täglich beschäftigen. Radiostationen verbreiten stündlich neue Prognosen. Meteo-Sendungen im Fernsehen und Wetterseiten in den Tageszeitungen erzielen hohe Einschalt- und Lesequoten, und sie bringen vor allem dem Fernsehen zusätzliche Werbeeinnahmen. Homepages und Apps von Meteo-Anbietern registrieren täglich Millionen von Klicks. Die Wetterlage beeinflusst Stimmungen, speist den Smalltalk und so weiter.

Gemessen an diesem Stellenwert ist der reine Wettermarkt mit seinem monetären Volumen von 20 Millionen Franken winzig klein. Sein Anteil am Schweizer Bruttoinlandprodukt beträgt gerade mal 0,003 Prozent. Stefan Kunz, Gründer und Leiter von Meteotest, bringt es auf den Punkt: «Es gibt keine andere Branche, die mit so wenig Umsatz so viel Aufmerksamkeit erregt.»

Einnahmen von Medien schrumpfen

Den Wettermachern geht es ähnlich wie den Medien. Ihre Umsätze bleiben klein oder sinken, weil Wetter- und andere Nachrichten meist gratis oder zu Tiefstpreisen angeboten werden. Mit den individuellen Wetterseiten und Wettersendungen, die MeteoSchweiz, Meteonews oder Meteotest den Tageszeitungen, Radio- oder Fernsehstationen meist pfannenfertig liefern, lasse sich immer weniger Geld verdienen, klagen Anbieter. Eine mittelgrosse Tageszeitung, so berichtet ein Branchenkenner, zahle für eine druckreife Wetterseite bloss etwa 100 Franken, ein Drittel so viel wie noch vor 15 Jahren.

Das bestätigen die Zahlen von MeteoNews. Obwohl diese Firma die Wetterseiten von Blick, 20 Minuten, Tages-Anzeiger, Berner Zeitung sowie weiteren auflagestarken Tageszeitungen produziert und daneben die meisten privaten Radio- und TV-Sender mit Wettersendungen beliefert, beträgt ihr Jahresumsatz lediglich drei Millionen Franken. Davon entfällt nur ein Teil auf die schrumpfenden Einnahmen aus den Medien.

Private Anbieter suchen heute vermehrt zahlende Kunden aus andern Branchen – von der Tourismus- über die Bau- bis zur Stromwirtschaft. Oder sie spezialisieren sich auf Nischen. Bei Meteotest, die 1981 als erste private Firma das Monopol der staatlichen SMA aufbrach, tragen die Medien nur einen kleinen Teil zum Jahresumsatz von vier  Millionen Franken bei, bestätigt Stefan Kunz. Mehr Ertrag schöpft die Berner Firma aus Spezialgebieten, etwa mit Informationen für Wind- und Sonnenenergie-Produzenten oder Daten zur Luftverschmutzung.

Verfälschter Wettbewerb

Bleibt die Frage, warum es für das Wetter überhaupt einen Markt braucht, wenn der Staat die meisten Meteo-Daten selber erhebt und die Öffentlichkeit direkt beliefern kann. «Ein gesunder Wettbewerb spornt an», antwortet Christian Häberli von MeteoSchweiz, und er gesteht: «Die Privaten haben uns motiviert, unsere eigenen Wetterprognosen publikumsnäher zu verbreiten.» Dabei erwies sich der einstige Monopolist offensichtlich als lernfähig. Mit ihrer Gratis-App, installiert in über drei Millionen Smartphones, und mit vielen Clicks auf der eigenen Homepage habe MeteoSchweiz heute wieder die höchste Verbreitung auf dem Schweizer Markt.

Weniger positiv beurteilen Private den real existierenden Wettermarkt. Den staatlichen und gebührenfinanzierten Meteorologen werfen sie vor, den Wettbewerb zu verfälschen. Beispiel: Die Herstellung einer App kostet Geld. Wenn nun MeteoSchweiz und SF Meteo diese App gratis anbieten, so sei das nur durch Quersubvention aus Steuern oder Gebühren möglich, kritisiert Reto Vögeli von MeteoNews; diese bot schon früher, aber gegen Bezahlung, eine App an.

Was ebenfalls fehlt, ist ein unabhängiger Vergleich über die Treffsicherheit der Prognosen. Dank Markt können die Menschen ihren Anbieter zwar wählen. Sie wissen aber immer noch nicht, wie weit das Wetter hält, was er verspricht.

_
Und wen nun das Wetter interessiert: Die Prognosen bei der TagesWoche (die mit meteoblue.com zusammenarbeitet).

Nächster Artikel