Sandra Knecht ergründet seit mehreren Jahren die Themen Heimat und Identität. «Immer wieder sonntags» zaubert die Künstlerin in ihrem «Chnächt» am Hafen Gerichte, die den Geschmack der Heimat hervorrufen sollen.
Sandra Knecht ist gerade daran, ihren Grill anzufeuern, als wir sie am Hafen vor ihrer mobilen Küche antreffen. Den umgebauten WC-Wagen aus den 1970ern hat sie – passend zu ihrem Namen – «Chnächt» getauft. Ursprünglich wollte sie darin Burger braten und verkaufen. Stattdessen kocht sie nun einmal im Monat aufwendige Gerichte für rund 30 Gäste. «Immer wieder sonntags» heisst der Event.
Ziel des Kochprojektes ist es, die Themen Heimat und Identität zu hinterfragen. Themen, welche die Konzeptkünstlerin schon seit mehreren Jahren untersucht. «Ich will die Essenz der Heimat erforschen. Wie schmeckt Heimat? Das will ich mit meinen Gerichten herausfinden», sagt sie.
Bei unserem Besuch steht als Hauptgang grilliertes Wildschwein auf dem Menüplan. Der Eber wurde in der Nähe der Ruine Farnsburg geschossen. «Mir ist wichtig, dass das Fleisch, das ich verarbeite, aus der Region stammt, in der ich lebe», sagt Knecht.
Heimat muss man sich erschaffen
Aufgewachsen ist sie im Zürcher Oberland, heute lebt sie in Buus im Baselbiet. «Ich habe in verschiedenen Städten gelebt: Zürich, Berlin oder auch Basel. Aber richtig gut geht es mir nur, wenn ich auf dem Land bin – das war schon immer so», sagt Knecht. Bei ihrer Arbeit interessieren sie denn auch immer wieder die Unterschiede zwischen Stadt und Land.
«Heimat ist für mich Verhandlungssache», sagt sie auch. «Darum habe ich für mein aktuelles Projekt das Hafenareal im Klybeck ausgesucht. Weil die verschiedenen Parteien hier ständig miteinander um ihre Heimat verhandeln müssen», sagt sie.
Bereits als Vierjährige hat sie gelernt, sich selber ein Spiegelei zu braten – weil Selbstständigkeit für sie schon als Kind wichtig war. Als Jugendliche hat die heute 48-Jährige in Bäckereien und in einer Metzgerei gearbeitet. Arbeiten wie Wursten und Ausbeinen sind ihr schon lange nicht mehr fremd. «Im Landdienst habe ich dann viel gelernt über den Umgang mit der Natur und mit Tieren», sagt sie. Der Respekt gegenüber den Tieren, aber auch dem Gemüse, das sie in ihrer Küche verarbeitet, sei ihr enorm wichtig. So nennt sie das Wildschwein, das heute auf den Grill kommt, liebevoll «Eugen».
«Ich bin dankbar dafür, dass ich das Privileg habe, glückliche erwachsene Tiere für meine Gerichte verarbeiten zu dürfen. Am liebsten esse ich Fleisch von frei lebenden Tieren, weil es einfach besser schmeckt als dasjenige aus Massentierhaltung, die mit Stress für die Tiere verbunden ist.» Für «Immer wieder sonntags» bereitet sie nur Fleisch zu, das von Metzgern stammt, die sie kennt und die ihr sympathisch sind. «Am liebsten kaufe ich aber ganze Tiere bei den Bauern oder Jägern», sagt sie.
Zutaten aus dem Wald und vom Feld
Knecht legt auch grossen Wert auf Gemüse aus der Region. «Vor allem müssen es aber Gemüse und Pflanzen sein, die das Tier, das ich koche, selber gerne gegessen hat. Idealerweise kommn sie in der Umgebung vor, in der das Tier gelebt hat», sagt sie. So gibt es heute zur Vorspeise eine Suppe aus Moos, Tannennadeln und Steinpilzen.
In der Küche fühlt sie sich zuhause. (Bild: Jonas Grieder)
Als zweiten Gang serviert Knecht über dem Feuer gegarten und geräucherten Kürbis, blaue Kartoffeln mit Lederäpfeln, Blutwurst und Vanillezwiebeln. Auch Bodenkohlrabi, geräucherte Topinambur, Karotten, Randen mit Birnenchutney, Frischkäse, Tahin und Birnendicksaft gehören zum Menü. Das Wildschwein vom Grill wird auf Buchweizen gereicht mit einer süss-sauren Chili-Sauce, die mit Fichtenharz angereichert ist.
Für das Dessert hat Knecht eine Orangenkonfitüre vorbereitet. «Die Konfitüre soll genau die Essenz der Orange widerspiegeln. Die Essenz der Zutat ist das Wichtigste», sagt sie. Und traditionell gibt es bei «Immer wieder sonntags» zum Schluss einen Schnaps. Dieses Mal ist es Gin mit einem selbst gemachten «Tonic Sirup aus tausend und einem Kraut».
Der Schritt zur Konzeptkunst ist einfach passiert
Das Thema Identität, das im «Chnächt» ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, erklärt die Köchin so: «Wenn die Leute das essen, was ich zubereite, werden sie ein Stück weit zu dem, was ich bin. Denn ich bin der Meinung, dass die Energie, die wir beim Essen zu uns nehmen, uns zu dem macht, was wir sind.»
Knecht hat sich immer intensiv mit ausgewählten Themen auseinandergesetzt – auch in ihrer langjährigen Zeit als Theaterregisseurin. «Ich habe für die Themen immer nach dem passenden Medium gesucht. Ich arbeite konzeptuell. Dass ich von der Regie irgendwann zur Konzeptkunst gekommen bin, war kein bewusster Entscheid – es ist einfach passiert», sagt sie.
Im weitesten Sinne sieht Knecht ihr aktuelles gastronomisches Projekt als erweiterte Regie-Arbeit. «Die Inszenierung interessiert mich nach wie vor – es ist meine Basis», sagt sie. Bald bekommt «Immer wieder sonntags» ein weiteres Stück Heimat und Identität: Aus dem Jura hat Sandra Knecht eine alte Scheune an den Hafen geholt. Hier sollen die Essen in gemütlichem Rahmen weiterhin regelmässig stattfinden: ab dem 1. Mai fünf Mal die Woche mit Tagesspezialitäten, Grill und Bar. «Immer wieder sonntags» wird aber weiterhin einmal im Monat stattfinden.
«Mein Ziel ist es, noch weitere fünf Jahre hier zu bleiben. Gut möglich, dass ich dann samt Scheune weiterziehe – quasi wie mit meinem Schneckenhaus», sagt Knecht.
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Die nächste Ausgabe von «Immer wieder sonntags» findet am 21. Februar 2016 statt. Früh anmelden lohnt sich, da die Plätze begehrt sind. Reservieren kann man auf der Website von Sandra Knecht.
«Chnächt», Uferstrasse 40, 4057 Basel