Wie Weltstars versuchen, die Konzerte wieder zu Live-Erlebnissen zu machen

Mit einer verschliessbaren Handyhülle soll die Smartphone-Plage bei Livekonzerten eingedämmt werden. Alicia Keys und Guns N‘ Roses haben die Erfindung bereits getestet. Adele hingegen versucht ihre Fans mit klaren Worten zu erziehen. Das jedoch ist ein zweifelhaftes Unterfangen.

Mehr Fluch als Segen: Die Filmwut der Konzertfans.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Mit einer verschliessbaren Handyhülle soll die Smartphone-Plage bei Livekonzerten eingedämmt werden. Alicia Keys und Guns N‘ Roses haben die Erfindung bereits getestet. Adele hingegen versucht ihre Fans mit klaren Worten zu erziehen. Das jedoch ist ein zweifelhaftes Unterfangen.

Sängerin Alicia Keys hats getan, ebenso die Komiker David Chappelle und Louis C.K.: Diese US-Künstler haben bei ihren Auftritten den Gebrauch von Smartphones unterbunden. Nun ist es in der Regel ein Ding der Unmöglichkeit, das Verhalten von ein paar Hundert oder Tausend Menschen zu kontrollieren. Wie also schaffen die das? 

Mit Yondr. Einer smarten Smartphone-Hülle mit Schloss. Darin müssen die Handys beim Eingang verschwinden und bleiben so im Konzertsaal unbenutzt. Wer telefonieren möchte, begibt sich nach draussen. Das Schloss wird dort vom Sicherheitspersonal geöffnet.

Wie die «Washington Post» vor ein paar Tagen berichtete, haben dies bereits mehrere Künstlermanagements in den USA getestet. Die Erfindung sei eine sympathische Alternative zur erzwungenen Handy-Abgabe (die sich auch in unseren Längengraden nicht durchgesetzt hat). Die Besucher können so ihr Handy die ganze Zeit über behalten, werden aber daran gehindert, es während eines Auftritts zu benutzen.

Damit erhoffen sich Komiker wie Musikerinnen die Kontrolle über Aufzeichnungen zurückzugewinnen. Alicia Keys‘ Management wünschte sich das Handy-Verbot, weil die Sängerin auf der Bühne neue Songs testete. «Wir wollten nicht, dass eine Songpremiere als lausige mp3-Aufnahme die Runde macht», sagte ihr Manager zur «Washington Post».

Verhüllte Handys, freier Konzertgenuss

Als der Komiker Chris Rock vor den Oscar-Verleihungen seine Pointen testete, liess er die Handys in die Yondr-Hüllen packen. Und auch Guns N‘ Roses haben die Technologie schon verwendet, bei ihrem ersten Reunion-Konzert im April dieses Jahres. 

Künstler wollen mit der Hüllenpflicht also in erster Linie verhindern, dass Audio- und Videomitschnitte gemacht und im Netz verbreitet werden. Doch auch für uns Zuschauer wäre es durchaus ein Segen, wenn sich ein Handy-Verbot auf einfache Weise durchsetzen liesse. Denn die ständige Erreichbarkeit, der Wunsch, jeden Augenblick festzuhalten und mit der Aussenwelt zu teilen, nervt auch im Publikum. Wer hat sich nicht schon selber darüber geärgert, dass ihm der direkte Blick auf die Bühne durch die Displays anderer verwehrt blieb? Dass die Smartphone-Manie einen Saal hell erleuchtet, die Intimität beeinträchtigt, eine digitale Wand zwischen mir und dem Künstler hochgezogen wird.

Die Welt, sie hat ein Monster geschaffen, das den ungefilterten Live-Moment aufzufressen scheint. So störte sich auch die britische Sängerin Adele kürzlich am Verhalten ihres Publikums. Bei ihrem Stadionkonzert im italienischen Verona bat sie eine Zuschauerin, auf Videoaufnahmen zu verzichten. «Könntest du bitte aufhören mich zu filmen?», sagte sie zu einer Konzertbesucherin. «Ich bin wirklich hier, das ist die Realität, eine Live-Show, keine DVD.»

 

Recht hat sie ja, Adele. Nur mangelt es ihr selber an der finalen Konsequenz. Denn bei ihren aktuellen Konzerten lässt sie sich selber von einer Live-Crew filmen und auf eine Grossleinwand projizieren. Damit trägt sie selber zur Ablenkung bei, stört dies doch ebenfalls den direkten Blickkontakt. Woher wir das wissen? Dazu nur so viel: Handy-Video. 

 

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