Erneut gibts Ärger am Basler Hafen: Seit einer Woche hat sich eine Familie von Jenischen auf dem Ex-Esso-Areal einquartiert. Via die Zwischennutzer von I_Land wollen die Behörden die Fahrenden vertreiben. Am Mittwochmittag ist die Frist für das Verlassen des Hafens abgelaufen. Reagieren die Jenischen nicht, dann droht die polizeiliche Räumung.
Der Boden auf dem Basler Hafenareal bleibt umstritten. Seit knapp einer Woche stehen auf der Asphaltfläche vor der Uferstrasse 90 drei Wagen der jenischen Familie Feubli. Der Platz liegt auf dem Gelände des Ex-Esso-Areals, das die Zwischennutzer des Vereins I_Land bewirtschaften.
Für die Feublis wird der Aufenthalt kurz. Am Montagabend erhielten sie ein Schreiben des Vereins I_Land mit der Aufforderung: Bis heute Mittwochmittag müssten sie das Areal verlassen, ansonsten drohe die polizeiliche Räumung.
Im Schreiben stellt sich der Verein auf den Standpunkt, dass er vertraglich bedingt nur staatlich bewilligte Nutzungen zulassen darf. Da es sich um ein Industrieareal handle, seien jegliche Wohnformen untersagt – also dürfe I_Land die Anwesenheit der Jenischen auf dem Gelände nicht dulden. Die Fahrenden würden damit Hausfriedensbruch begehen.
«Wir gefährden damit unsere eigenen Zwischennutzungsprojekte»
Absender des Briefes ist der Vorstand des Trägervereins I_Land. «Wir hatten mit den Fahrenden Kontakt und sagten ihnen bereits, dass wir die Wohnwagen offiziell nicht dulden können», so Fabian Müller vom Vereinsvorstand. Im Brief führt I_Land unter anderem an:
«Unsere Vertragspartner Immobilien BS (IBS) und das Präsidialdepartement (PD) wurden durch ein Schreiben der Schweizerischen Rheinhäfen (SRH) über eure Anwesenheit informiert. Wir werden nun gebeten, Euch wegzuweisen und gegebenenfalls die Polizei aufzubieten. Kommen wir dieser Aufforderung nicht nach, werden wir womöglich vertragsbrüchig und gefährden damit unsere eigenen Zwischennutzungsprojekte. Der Zeitpunkt ist höchst ungünstig, da wir kurz vor den Verhandlungen einer Vertragsverlängerung stehen.» (Den Brief finden Sie im Wortlaut auf der Rückseite dieses Artikels).
Müller betont allerdings, dass I_Land keine «Räumungsklausel» im Vertrag mit dem Kanton habe. Dies im Gegensatz zu den benachbarten Zwischennutzern des Vereins Shift Mode auf dem Ex-Migrol-Areal am Südende der Klybeck-Halbinsel. «Juristisch gesehen, muss der Mieter Hausfriedensbruch anmelden», sagt Müller. Das würde der Verein nach Ablauf der gestellten Frist auch tun.
Erst Kaserne, jetzt Hafen
Damit ist die Klybeck-Halbinsel um eine weitere Räumungsandrohung reicher. Die ersten wurden noch von den Rheinhäfen und vom Kanton ausgesprochen. Sie richteten sich an die Wagenleute, die nach wie vor auf einem Teil des ehemaligen Migrol-Areals leben. Die aktuelle richtet sich nun an eine sechsköpfige Familie von Fahrenden – und musste vom Verein I-Land ausgesprochen werden.
Der Familie Feubli bleibt nicht viel übrig. Die Fahrenden werden wieder weiterziehen müssen, wenn sie sich der Aufforderung nicht widersetzen.
Beabsichtigt war der Konflikt nicht, wie Jacques Santino Feubli von den Jenischen sagt. Sie seien zuvor auf dem Kasernenareal gewesen, das sie aber nur zeitlich begrenzt nutzen durften. Sie seien auf den Hafen gekommen, weil sie hier noch freien Raum fanden. «Wohin wir nachher sollen, wissen wir noch nicht», sagt Feubli.
Als ob die vielschichtigen Verantwortlichkeiten zwischen Rheinhäfen, Immobilien Basel-Stadt, dem Präsidialdepartement, den Zwischennutzern und den geduldeten Wagenleuten noch nicht genug wären, ist die Debatte am Klybeckareal jetzt um eine Ebene reicher: die Jenischen. Denn sie haben in der Schweiz einen speziellen Status.
Die Jenischen-Frage: eine weitere Basler Pendenz
Die Jenischen sind Fahrende mit Schweizer Pass und stehen seit Jahren mit Bund und Kantonen in Verhandlungen um offizielle Standplätze. Basel-Stadt tut sich seit Jahren schwer damit. Die Jenischen kämpfen seit Jahren um einen Standplatz im Kanton, bis heute ist keine Lösung in Sicht – obwohl das Bundesgericht entschied, dass die Behörden Plätze für Fahrende zu schaffen haben.
Deshalb hat sich jetzt auch ein weiterer Akteur eingeschaltet: Der Verein «schäft qwant», der die Interessen der Jenischen vertritt. Vizepräsident Venanz Nobel setzte gestern Nachmittag bereits ein Schreiben an Regierungspräsident Guy Morin auf, «in dieser Sache aktiv zu werden und der betroffenen Gruppe Fahrender als dringliches Provisorium eine Duldung entweder auf dem genannten Gelände oder einem Alternativstandort zu ermöglichen.»
Laut Nobel behalte sich «schäft qwant» zudem rechtliche Schritte vor. «Es geht uns um eine Gleichbehandlung», so Nobel. Denn der Kanton duldet nach wie vor die Wagenleute auf dem benachbarten Areal. Zudem sei fraglich, ob es sich effektiv um Hausfriedensbruch handle, da das Gelände, auf dem die Jenischen derzeit stehen, nicht umfriedet beziehungsweise frei zugänglich sei.
Damit steht der Verein I_Land jetzt als Puffer zwischen den Behörden und den vertraglichen Auflagen und den Jenischen, die das Gelände bis heute Mittag verlassen müssen. «Wenn man Verantwortung übernimmt, gehört das leider dazu», sagt Fabian Müller von I_Land. Er hofft, dass die Jenischen ihr Anliegen nun auf einem Areal kundtun, das direkt dem Kanton gehört – und nicht von einem Zwischennutzer bewirtschaftet wird.
Artikelgeschichte
10.20 Uhr: Brief von I_Land an die Jenischen im Wortlaut auf der Rückseite des Artikels angehängt.