Wieso nicht mehr Abhängige mit Heroin behandelt werden

Die kontrollierte Heroinabgabe gilt als Erfolgsmodell. Dennoch hat sich der Anteil der Abhängigen, die mit pharmazeutischem Heroin behandelt werden, seit 2003 nicht verändert. Ein Grund dafür ist die mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft.

Heroin vom Arzt hat sich bewährt, doch noch immer sind die Hürden für die kontrollierte Abgabe hoch. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die kontrollierte Heroinabgabe gilt als Erfolgsmodell. Dennoch hat sich der Anteil der Abhängigen, die mit pharmazeutischem Heroin behandelt werden, seit 2003 nicht verändert. Ein Grund dafür ist die mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft.

Die heroingestützte Behandlung gilt als Erfolgsgeschichte in der Schweizer Drogenpolitik. Bei einem Blick auf die Zahlen erstaunt aber, dass der Anteil der Patienten, die vom Arzt pharmazeutisches Heroin erhalten, seit 2003 gleich geblieben ist.

Diese Zahlen irritieren, denn Studien wie beispielsweise von der North American Opiate Medication Initiative (NAOMI) legen dar, dass die heroingestützte Behandlung für Abhängige erfolgsversprechender sein kann als die Methadon-Ersatztherapie. Trotzdem gilt die heroingestützte Behandlung in der Schweizer Drogenpolitik als Ultima Ratio.

«Die heroingestützte Abgabe ist kein Wundermittel», sagte alt Bundesrätin Ruth Dreifuss im Jahr 2004 gegenüber Sucht Schweiz, «aber immerhin eine bewährte Praxis der letzten Interventionsmöglichkeit.» An dieser Einstellung hat sich bis heute nichts verändert.

Einschränkungen im Alltag

Methadon bleibt in der Schweiz die Therapiemethode erster Wahl. Denn diesen Heroin-Ersatzstoff können die Abhängigen auch ausserhalb der Suchtzentren beziehen und konsumieren.

Abhängige können Methadon auf Rezept in einer Apotheke erhalten und beispielsweise auch zu Hause einnehmen. Sich hingegen für Heroin als Behandlungsmethode zu entscheiden, schränkt Abhängige in ihrem Lebensalltag enorm ein – beruflich und privat.

Bei einer heroingestützten Behandlung müssen die Patienten in einem Behandlungszentrum wie dem Janus der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) in Basel zweimal täglich vorbeikommen, um pharmazeutisches Heroin zu injizieren.

Politische Restriktionen sind eine unnötige Hürde

Die strengeren Regelungen beim Heroin sind politisch motiviert: «Aus medizinischer Sicht macht es keinen Sinn», erklärt Adrian Kormann, ärztlicher Leiter an den Arud Zentren für Suchtmedizin, «dass die Regelungen beim Heroin strenger sind als bei Methadon oder Morphin.»

Die Restriktionen erschwerten die Behandlung mit Heroin nur unnötig, sagt Kormann, denn jeder Patient sollte genau das Medikament erhalten, das für ihn am besten geeignet sei. Die Behandlung mit Heroin habe sich seit 20 Jahren bewährt, der Sonderstatus des Heroins bestehe heute nur noch aus historischen Gründen.

«Der Sonderstatus des Heroins besteht heute nur noch aus historischen Gründen.»
Adrian Kormann, ärztlicher Leiter Arud Zentren

«Gerade für Personen, die täglich einer Arbeit nachgehen», sagt Johannes Strasser, ärztlicher Leiter vom Janus, «sind zwei Besuche pro Tag eine grosse zeitliche Belastung.» Dass die Patienten ihre Tagesdosierungen als Spritzen-Mitgaben erhalten, ist für Strasser aber Zukunftsmusik.

Bereits heute sei es möglich, den Patienten das verschriebene Heroin in Tablettenform mitzugeben, erklärt Strasser. «Bei den Tabletten stellt sich medizinisch die Frage, wo der Risikounterschied zwischen dem pharmazeutischen Heroin und Methadon sein soll.»

Heroinbehandlung ist gesellschaftlich nicht akzeptiert

Ein Argument gegen die Mitgabe von injizierbarem Heroin ist, dass der Stoff auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft werden könnte. Eine Begründung, die sich aber auch auf andere Substanzen wie Methadon oder Morphin anwenden lasse, sagt Kormann.

Für Kormann stellt sich eher die Frage, ob das Schwarzmarkt-Argument Grund genug ist, der grossen Mehrheit von Patienten, die ihre Medikation korrekt einnehmen, das Leben zu erschweren.

Bei der Mitgabe von injizierbarem Heroin sieht Strasser allerdings noch eine andere Gefahr: der gleichzeitige Konsum des pharmazeutischen Heroins mit anderen Drogen wie Alkohol oder Kokain. «Man muss diese Gefahr ernst nehmen und mit den Patienten genau evaluieren», meint auch Kormann. Seine Erfahrung hat aber gezeigt, dass die grosse Mehrheit der Patienten mit den Medikamenten verantwortungsvoll umgeht.

Würde es nach Strasser gehen, sollte die heroingestützte Behandlung in anderen medizinischen Institutionen als den UPK zugänglich sein. «Das pharmazeutische Heroin», sagt der ärztliche Leiter vom Janus, «ist ein Medikament.» Dieses Wissen fehle aber in der Gesellschaft.

«Solange die Heroinbehandlung in der Gesellschaft nicht akzeptiert ist», meint Strasser, «werden die Widerstände zu gross sein, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorschriften zu lockern und die heroingestützte Behandlung dadurch zu vereinfachen.»

Heroingestützte Behandlung seit 20 Jahren ein Erfolg
In Basel werden Heroinabhängige seit 20 Jahren am Zentrum Janus mit pharamzeutischem Heroin behandelt. Die heroingestützte Behandlung ist an Bedingungen geknüpft. Zugelassen ist nur, wer seit zwei Jahren heroinabhängig ist, zwei erfolglos absolvierte oder abgebrochene Behandlungsversuche mit einer anderen anerkannten ambulanten oder stationären Therapie hinter sich hat sowie unter schweren körperlichen, psychischen oder sozialen Problemen leidet.

Nächster Artikel