«Wir machen nichts, was Korallenriffe gefährdet»

Dient das geplante Basler Ozeanium dem Meeresschutz? Oder beteiligt sich der Zoo Basel damit nicht viel mehr an der Zerstörung von Korallenriffen? Thomas Jermann, Meeresbiologe und Projektleiter Ozeanium, nimmt Stellung zur Rolle des Basler Zoos im schädlichen Handel mit Wildfischen.

Gezüchteter Egli im Basler Zoo.

(Bild: Zoo Basel)

Dient das geplante Basler Ozeanium dem Meeresschutz? Oder beteiligt sich der Zoo Basel damit nicht viel mehr an der Zerstörung von Korallenriffen? Thomas Jermann, Meeresbiologe und Projektleiter Ozeanium, nimmt Stellung zur Rolle des Basler Zoos im schädlichen Handel mit Wildfischen.

Es ist ein langer Leidensweg, denn der Banggai-Kardinalfisch hinter sich hat vom Korallenriff in Indonesien bis in die Aquarien dieser Welt. Der kleine Riffbewohner ist eine von vielen hoch begehrten Arten. Das Geschäft mit Korallenriff-Fischen, die gefangen und als Zierfische verkauft werden, schädigt fragile Ökosysteme, das hat die TagesWoche in einer ausführlichen Reportage aufgezeigt

» Warum der Zolli mit seiner Kommuniktation versagt hat, analysiert Reto Aschwanden in diesem Kommentar: Stumm wie ein Fisch

Im Fokus steht dabei auch der Zoo Basel, der ein gewaltiges Ozeanium an der Heuwaage plant und dafür viele Millionen von privaten Spendern einsammelt. Der Meeresbiologe Thomas Jermann, Projektleiter des Ozeaniums, stellt sich der Kritik – und er klärt auf, wo und wie der Zoo Basel seine Fische besorgt und warum er glaubt, dabei nachhaltig vorzugehen.

(Bild: Zoo Basel (Torben Weber))

Herr Jermann, woher bezieht der Zoo Basel seine Fische?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir halten ja Tiere aus allen möglichen Klimazonen und Gewässern. Von den Süsswasserfischen züchten wir drei Viertel selber. Beim Wildfang arbeiten wir grundsätzlich mit Händlern zusammen, die wir gut kennen, von denen wir wissen, wie sie arbeiten.

Wie ist es im besonders sensiblen Bereich der Korallenriffe?

Korallen züchten wir selber. Bei den Fischen wenden wir uns an spezialisierte Firmen wie Cairns Marine für den Pazifik und Dynasty Marine in Florida. Diese beliefern vorwiegend Grossaquarien und arbeiten seit Jahren mit dem Zoo Basel zusammen. Ausserdem besteht ein reger Austausch zwischen europäischen Aquarien-Kuratoren. So können wir gewährleisten, dass unsere Fische aus nachhaltigen Quellen stammen und Fang und Transport nach bestem Standard erfolgen. Man sollte das, was wir machen, nicht verwechseln mit dem privaten Aquarienmarkt. 

Ein grosses Problem ist die Opferzahl während des Transportes. Bis zu 80 Prozent der Fische sollen während des Transports verenden, sagen Umweltschützer. Sterben für jeden Fisch, der den Zoo Basel erreicht, sechs weitere unterwegs?

Nein. Wir bestellen einen bestimmten Fisch, dann wird dieser für uns gefangen und zu uns geliefert. Es gibt praktisch keine Transportopfer. 

Wie viele Fische lässt der Zoo Basel jährlich aus dem Meer entnehmen?

Das variiert stark, im Schnitt sind es vielleicht hundert bis zweihundert.

Besonders problematisch ist der Fang und Import des Banggai-Kardinalfisches. Der hübsche Riffbewohner hat einen kleinen Lebensraum in Indonesien und ist aufgrund seiner Beliebtheit bei Aquarienbesitzern mittlerweile stark gefährdet. Auch im Zoo Basel findet sich der Banggai-Kardinalfisch. Besonders nachhaltig wirkt das nicht.

Wir waren 1996 eines der ersten Aquarien, die diesen Fisch hielten. Damals tauchte der Banggai-Kardinalfisch erstmals in europäischen Zoogeschäften auf. Das war besorgniserregend, gegen diese Entwicklung wollten wir etwas unternehmen. Deshalb haben wir mit den Aquarien in Amsterdam und Monaco ein Zuchtprogramm gestartet. Damit wollten wir den Markt für Wildtiere reduzieren. Es stellte sich dann aber bald heraus, dass sich der Fisch problemlos in Gefangenschaft vermehren lässt, was heute zumindest in Europa – und im Zoo Basel – auch getan wird. 

Das heisst, der Zoo Basel handelt mit Banggai-Kardinalfischen?

Nein. Wie gesagt, gab es keinen Bedarf mehr an Wildfängen für europäische Aquarien, diese züchten die Banggais selbst. Wie oft sich Fische vermehren, lässt sich steuern. Wir behalten unsere Nachzucht oder geben sie bei Bedarf an andere Zoos weiter.

Trotzdem werden in Indonesien nach wie vor jährlich Tausende Banggai-Kardinalfische gefangen. Offenbar besteht noch immer ein reges Interesse an Wildfängen.

Ja, es gibt noch immer schlechte Praktiken. Die Überfischung und die Zerstörung der Korallenriffe ist eine ökologische Katastrophe. Unserer Ansicht nach kann nur eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung daran etwas ändern. Man muss die Leute vom Wert ihrer Ressourcen überzeugen und ihnen ein anderes Auskommen verschaffen, etwa mit der Zucht von Korallen oder Schwämmen und vielleicht auch mit dem nachhaltigen Handel von Zierfischen. 

«Schweizweit wurden 2016 nur Meeres-Zierfische im Gesamtwert von 400’000 Franken importiert, das entspricht ein paar Tausend Fischen.»

Wie problematisch ist der Schweizer Zierfischhandel für Korallenriffe weltweit?

Ich glaube nicht, dass der Handel in der Schweiz einen grossen Einfluss hat. Der Import solcher Fische ist nicht ganz einfach, die Haltung auch nicht. Es gibt im Raum Basel nur zwei Zoogeschäfte, die überhaupt Meeresfische verkaufen. Schweizweit wurden 2016 nur Meeres-Zierfische im Gesamtwert von 400’000 Franken importiert, das entspricht ein paar Tausend Fischen.

Werden für das geplante Ozeanium Wildfänge gefährdeter Tierarten beschafft?

Wir holen gar nichts aus der Natur, was als gefährdet eingestuft wird. Das wäre völlig unsinnig und nicht vereinbar mit der Leitidee hinter dem Ozeanium: Aufzuzeigen, wie schön, aber auch wie fragil und schutzwürdig die Meere sind. Fünf Sechstel aller Tiere des Zoos Basel leben im Vivarium. Im Ozeanium werden ähnlich viele Arten leben, aber vermutlich mehr Individuen. Bei der Beschaffung der restlichen Tiere werden wir nichts machen, was in irgendeiner Form ein Korallenriff gefährdet. Ich bin Meeresbiologe, war lange Mitglied und auch Präsident der Artenschutzkommission des Bundesrats – nichts liegt mir ferner, als der Natur Schaden zuzufügen.

Sie behaupten, das Ozeanium werde helfen, die Besucher von der Notwendigkeit von Schutzmassnahmen der Ozeane zu überzeugen. Möglich ist doch auch der gegenteilige Effekt: Besucher sind derart fasziniert, dass sie sich selber ein Aquarium beschaffen.

Genau dies möchten wir mit unseren Informationen verhindern. Wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden, die Besucher über den Zustand und die Gefährdung der Meereslebensräume aufzuklären. Wir müssen das besser machen als manche kommerzielle Anbieter von Grossaquarien. Aber das können wir auch, denn der Zoo Basel soll gar keine Gewinne erzielen. 

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