Wir müssen nicht mit Faschos reden!

Rechtsaussen-Politiker sagen Unsägliches und bekommen dafür auch noch eine Plattform. Damit muss Schluss sein.

Sagt Populisten die Meinung! Leute, die die Demokratie untergraben, verdienen keinen Schutz.
  • Januar 2017: AfD-Politiker Björn Höcke ereifert sich darüber, dass Deutschland ein «Denkmal der Schande» in der Hauptstadt stehen habe. Er meint das Holocaust-Denkmal.
  • Januar 2018: Der österreichische Innenminister Herbert Kickl rät, Asylsuchende «konzentriert an einem Ort zu halten».
  • Juni 2018: AfD-Politiker Alexander Gauland sagt, Hitler und die Nazis seien «nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte».

Die Populisten überbieten sich im Sagen des Unsäglichen. Auch die Schweiz macht mit beim Trend. Fast kein Monat vergeht, in dem nicht ein SVP-Mitglied einen rassistischen oder sexistischen Rant auf den Social Media, im Parlament oder gar in der hauseigenen Zeitung loslässt.

Ein tragischer Höhepunkt war Roger Köppels irrer Text über den Nazi und Kriegsverbrecher Herman Göring in seiner eigenen Zeitung «Die Weltwoche», in dem unter anderem Sachen standen wie: «Irgendetwas muss der noch kaum arrivierte, blauäugige Göring gehabt haben.» Köppel ist Verleger, Chefideologe der SVP, Nationalrat und regelmässig in deutsche Talkshows eingeladene Reizfigur, wenn die deutschen Populisten langweilig werden und zur Abwechslung mal einem Schweizer Hitzkopf eine Plattform geboten werden soll; eine auch von ausländischen Hetzern bewunderte Koryphäe des Tabusbruchs.

Eine kalkulierte Expansion

Vor noch nicht achtzig Jahren wurden Millionen Menschen Opfer einer mörderischen Ideologie. Heute überbieten sich die genannten Herren darin, die Schreckenszeit des Zweiten Weltkriegs zu verniedlichen, zu relativieren oder gar zu romantisieren. Immer wenn eine solche Äusserung fällt, geht ein Zwitschern durch die medialen Mengen und die Zeitungen sprechen von gezielter Provokation, also Holocaust-Verharmlosung zu Promozwecken à la Kollegah und Farid Bang. Aber ist es das wirklich?

Ich glaube, es geht eher um kalkulierte Expansion. Man sagt das Unsägliche so lange, bis es normal wird. Immer ein bisschen hemmungsloser – bis irgendeiner sagt, man müsse auf Gruppe soundso schiessen, und niemand mehr empört ist.

Ich finde den Begriff der Provokation auch deswegen nicht ganz zutreffend, weil ein Mensch, der provozieren will, meistens bewusst etwas überzeichnet und extremer ausdrückt, als er es selbst denkt. Bei den rechten und Rechtsaussen-Parteien geschieht wohl eher das Gegenteil. Diese grenzwertigen Äusserungen sind nur eine Andeutung des hässlichen Gedankengutes, das hinter Namen wie AfD, Identitäre Bewegung usw. steckt.

Auf dem wutbürgerlichen Nährboden gedeiht ein neues verrücktes Weltbild.

Der Wutbürger versteht die Codes. Man ist sich längst einig, was man mit den Flüchtlingen und Muslimen am liebsten machen würde, man «weiss», wie die jüdischen Banker ihre Strippen ziehen, und man weiss, wo diese linken Träumer und über-emanzipierten Frauen eigentlich hingehören.

Dass nur wenige verblendete Bürger wirklich glaubten, das «christliche Abendland» werde vom Islam bedroht oder dass eine verschworene Elite den einfachen Bürger mit Chemtrails, Impfungen und inszenierten Terroranschlägen unterjoche und wir uns an Russland und Putins Weisheiten orientieren sollten, halte ich für falsch. Die Realität sagt etwas anderes: Front National, AfD, SVP, FPÖ, Lega, um nur mal die naheliegendsten Abgründe zu nennen und den braunen Schlamassel in Polen, Ungarn und  Slowenien auszublenden.

Die schweigende Mitte

Sehen wir es ein: Die europäischen Parlamente werden infiltriert von Rassisten, Putin-Verehrern, Verschwörungstheoretikern, religiösen Fanatikern und Holocaustleugnern. Gewählt werden diese Populisten zum einen von einem aktiven Mob von Wutbürgern, zum anderen, grösseren Teil von den Passiven, den Anständigen, den Schweigenden, von der Mitte. Auf diesem wutbürgerlichen Nährboden gedeiht ein neues verrücktes Weltbild. Fast hätte ich Wertesystem geschrieben, aber im Zusammenhang mit diesem Konstrukt ist der Begriff für den Allerwertesten.

Die angeblichen Werte sind inzwischen so weit ins Rechte und Absurde gedriftet, dass man seine Nazi-Gesinnung offen zur Schau tragen kann und dafür auch noch gewählt oder in TV-Sendungen eingeladen wird. Als Diskussionspartner auf Augenhöhe versteht sich. Dieser Zustand ist für mich unerträglich. Deshalb lege ich mich mit den Populisten und deren Zudienern an, deshalb ist mein Twitter-Account eine wütende Bestie, die höchstens mal mittels schwarzem Humor ein wenig besänftigt wird.

Und genau diese Wut wünschte ich mir von der Mitte, die uns eigentlich aus dem Populisten-Schlund retten sollte. Wir müssen alle aktiv werden. Wir müssen mit unserem Kumpel reden, der Ganser-Vorträge besucht, Ken Jebsen verehrt und Code-Wörter für die jüdische Weltverschwörung kennt. Wir müssen mit unseren Eltern streiten, die SVP wählen. Wir müssen unsere gläubigen Freunde wachrütteln, die im Islam die grösste Gefahr für Europa sehen.

Der Zweite Weltkrieg ist keine 80 Jahre her, die letzten Zeitzeugen sterben. Die Profiteure des Vergessens wüten schon.

Die Konsequenz davon werden unbequeme Situationen sein, Streit unter Freunden, vielleicht Zerwürfnis. Die Konsequenz eines Siegeszuges des Populismus im 21. Jahrhundert wären Tod und Verwesung. Der fucking Weltuntergang. Der Zweite Weltkrieg, der von genau jenem Gedankengut angetrieben wurde, das jetzt als wieder vertretbar verkauft werden soll, kostete Abermillionen von Menschen in Europa das Leben. In einer Zeitspanne von sechs Jahren. Das ist keine 80 Jahre her, die letzten Zeitzeugen sterben gerade. Die Profiteure des Vergessens wüten schon.

Ich will nicht mehr zuschauen. Holocaustleugner, Rassisten, Sexisten, Fundamentalisten und Verschwörungstheoretiker haben in politischen Positionen, in Fernsehsendungen und auf sozialen Plattformen nichts zu suchen. Das ist nicht undemokratisch. Die Demokratie muss Leute, die sie untergraben wollen, nicht schützen. Wir müssen nicht mit Faschos reden. Wir müssen die irrationalen Ängste des Bürgers nicht ernst nehmen. Wir müssen die moderne Gesellschaft und den Frieden bewahren.

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