Wirklich so schlimm? Stimmen aus dem Frauenbad im Eglisee

Das «Fraueli» sorgt für hitzige Diskussionen. Das Bad sei überfüllt, vor allem von Musliminnen aus dem Elsass. Aber wie ist die Stimmung vor Ort? Unsere Autorin hat sich umgehört.

Harmonischer als von den Behörden dargestellt: das «Fraueli» im Eglisee.

(Bild: zVg)

Das «Fraueli» sorgt für hitzige Diskussionen. Das Bad sei überfüllt, vor allem von Musliminnen aus dem Elsass. Aber wie ist die Stimmung vor Ort? Unsere Autorin hat sich umgehört.

Recherchieren kann unangenehmer sein: Wie bereits unzählige Male in diesem Sommer und in denjenigen davor biege ich nach dem Bezahlen im Gartenbad Eglisee nach rechts ein, ins Frauenbad. Es ist ein strahlend schöner Freitagnachmittag, die Wiese ist trotzdem spärlich besetzt, auch im Wasser ziehen nur gerade acht Frauen gemächlich ihre Längen. Dies ist also das «ständig überfüllte» Frauenbad, denke ich, das seit einigen Jahren für Polemiken sorgt und schliesslich zur Verabschiedung von neuen Regelungen geführt hat, die nächste Saison in Kraft treten sollen.

Das Sportamt will im Konflikt mit muslimischen Frauen, die vorwiegend aus dem Elsass kommen, erstmals klare Massnahmen ergreifen, die an einem runden Tisch mit acht Stammgästen des «Fraueli» erarbeitet wurden. Kindern, die älter als neun Monate sind, wird der Zutritt künftig verboten, gleichzeitig soll der Aufenthalt in Badekleidung Vorschrift sein, auch auf der Wiese.

«Parkartige Zustände» werden beklagt

Dass es so weit gekommen ist, begründet Peter Howald mit den momentan «parkartigen Zuständen» im Bad. Howald ist Leiter des Sportamtes Basel-Stadt und kritisiert, dass ganze muslimische Frauenscharen sich mit ihren Kindern und einem Picknick auf dem Rasen einrichten würden, ohne überhaupt zu baden. «Wir sind aber kein Frauenpark, sondern ein Frauenbad», sagt Howald, «und vor allem kein Bad für Kinder.» Die zahlreichen Familienbäder in der Stadt Basel würden die Bedürfnisse von Kindern viel besser abdecken als das «Fraueli» mit seinen zwei winzigen Plantschbecken, weshalb man dieses Angebot künftig ganz abschaffen wolle.

Howald ist sich darüber im Klaren, dass alles, was mit Religion zu tun hat, heutzutage politischen Zündstoff beinhaltet. Aus muslimischen Kreisen wird bereits Empörung über die neuen Regeln laut. So befürchtet Serhad Karatekin, Sekretär der Basler Muslimkommission, dass Islamfeindlichkeit hinter den Massnahmen des Sportamts steckt, schreibt die «bz Basel». «Es ist ein heisses Eisen», sagt Howald, «umso wichtiger ist es mir daher, klarzumachen, dass es uns primär um das Platzproblem geht. Muslimische Frauen sollen nicht gezielt verdrängt werden, weil sie Musliminnen sind, da das Bad aber an seine räumlichen Grenzen stösst, müssen wir handeln.»

Dass ein Frauenbad gerade für muslimische Badegäste besonders attraktiv sei, stelle an sich kein Problem dar, sagt Howald. Seit sich die Existenz der Badi aber auch im grenznahen Elsass herumgesprochen habe, kämen so viele in das Frauenbad, dass andere Stammgäste verdrängt wurden. Zudem komme es zu «zahlreichen Konflikten» zwischen muslimischen Frauen und dem Badepersonal, sagt Howald. Wie viele Konfrontationen es tatsächlich sind, lässt sich gemäss Howald nicht festmachen.

Die Spannweite reiche dabei vom Ignorieren von Baderegeln (Duschen vor dem Baden) bis hin zu Beleidigungen von Frauen durch die elsässischen Besucherinnen, die sich an oben ohne Badenden störten, sagt Howald. Besonders störend sei, dass die Musliminnen aus Frankreich «oft respektlos und fast schon aggressiv reagieren», wenn sie vom Badepersonal auf Vorschriften hingewiesen werden. Und vermehrt hätten Frauengruppen versucht, das Badepersonal von muslimischen Regeln zu überzeugen.

Welche «Stammgäste» beklagen sich eigentlich?

Mit diesen Informationen im Hinterkopf betrete ich also das Frauenbad, das für mich schon immer ein Ort zum Abschalten war, und staune darüber, wie sehr Wahrnehmungen auseinandergehen können. Wenn Howald über das Platzproblem klagt, klingt das logisch und plausibel. Trotzdem frage ich mich, während ich mein Badetuch grosszügig auf der halbleeren Wiese platziere: Welches Platzproblem?

Natürlich ist es nicht immer so angenehm leer im Frauenbad, vor allem an den Wochenenden liegen die Frauen oft dicht an dicht. Trotzdem empfinde ich die Debatte über das ständig überfüllte «Fraueli» als schwer übertrieben, hatte ich doch noch nie ernsthaft Mühe, ein Plätzchen zu ergattern, was an anderen Orten in Basel, zum Beispiel am Rheinbord, ganz anders aussieht.

Ich bin verwirrt. Wie nehmen die anderen Badegäste das Phänomen wahr? Und wer sind diese «Stammgäste», die am runden Tisch mit dem Sportamt mitdiskutierten und deren Meinung für die Zukunft des «Fraueli» eine so grosse Rolle spielt? Schliesslich sind ich, meine Familie und meine Freundinnen doch auch eine Art Stammgäste und wurden nie zu unseren Bedürfnissen befragt. Ist dieser «runde Tisch» ein einseitiges Sprachrohr der Altersgruppe «60+», die im «Fraueli» stark vertreten ist?

Aus den Augenwinkeln sehe ich Bea Kurz, eine langjährige Besucherin des «Fraueli», die in den letzten Jahren, als sich die Problematik mit den Musliminnen zuspitzte, vom Sportamt als Schlichterin beauftragt wurde. Sie läuft gerade zu einer muslimischen Frau, die mit ihren beiden Söhnen das Bad betritt. Der eine ist offensichtlich über acht Jahre alt, Jungs ist der Zutritt momentan nur bis zum Alter von sechs gestattet, worauf Kurz die Dame freundlich hinweist. Nach kurzem Wortwechsel verlässt die Familie das Bad. Heute also keiner der «zahlreichen Konflikte», von denen ich noch nie Augenzeugin wurde. Ich schnappe mir Bea Kurz, als sie auf dem Rückweg in ihre Liegestuhlecke ist. Wir kommen ins Gespräch, sie ist freundlich und geht offen auf meine Fragen ein.

«Ruheinsel» klingt verlockend

Kurz versichert mir, dass am runden Tisch sehr unterschiedliche Frauen sassen. «Wir waren also nicht nur Rentnerinnen», sagt sie lachend. Zur genauen Zusammensetzung des runden Tischs sagt sie nichts. Gemeinsam hätten sie die Bedürfnisse der Fraueli-Besucherinnen eruiert und seien zum Schluss gekommen, dass sie sich ein anderes Frauenbad wünschten, ein ruhigeres. «Musliminnen sind hier immer noch herzlich willkommen – einfach ohne Aufruhr. Wir denken, dass es schon genug schnelle, laute Orte gibt in dieser Stadt. Da darf es auch ein Bad geben, das nicht so ist. Wir wollen das ‹Fraueli› zu einer Insel der Ruhe machen, wo Frauen ganz unter sich sein können.»

Eine Ruheinsel nur für Frauen also – das klingt eigentlich nicht schlecht. Das findet auch die 60-jährige Brigitte*, die schon seit knapp zehn Jahren regelmässig ins «Fraueli» kommt. Dass ein akuter Handlungsbedarf bestehe, findet sie aber nicht: «Manchmal ist es schon sehr voll, aber im Wasser ist es meistens trotzdem angenehm, und das ist für mich die Hauptsache.» Sie könne sich allerdings vorstellen, dass das Personal dies anders wahrnimmt: «Es ist sicher anstrengend als Bademeisterin, mit so vielen Frauen und Kindern!»

«Manchmal kommt der Rassismus auch eindeutig von den Schweizerinnen.»

Sie findet, dass das neue Konzept für das Frauenbad verlockend klingt, trotzdem liegt ihr die kulturelle Durchmischung am Herzen: «Ich habe zwar auch schon gesehen, wie es Konflikte wegen Musliminnen gab. Manchmal kommt der Rassismus aber auch eindeutig von den Schweizerinnen», sagt Brigitte und schildert ein eigenes Erlebnis: Ihre Tochter hat einen afrikanischen Vater, als sie an der Stange beim Schwimmbecken turnte, wurde sie von einer älteren Schweizerin darauf hingewiesen, dass sie zwar wie ein Äffchen aussehe, dies aber keine Liane sei.

«Wie immer, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, kommt es auch zu Respektlosigkeit», sagt Brigitte, «entweder die Musliminnen oder die Schweizerinnen als respektlos zu verallgemeinern finde ich unfair.» Denn oft funktioniere das Neben- oder sogar Miteinander: «Andere Male bin ich schon oben ohne mit muslimischen Familien ins Gespräch gekommen, und meine Tochter hat hier früher viel mit deren Kindern gespielt.»

Sie finde es allgemein toll und wichtig, dass Musliminnen hier einen Ort hätten, wo sie schwimmen und auch Sport treiben können. «Ich habe schon miterlebt, wie Frauen in meinem Alter hier schwimmen lernten. Das waren drei Frauen über 50, die sich im Wasser amüsierten wie kleine Mädchen – ein berührendes Bild.» Brigitte ist aber auch der Meinung, dass Basel kein Frauenbad für das ganze Elsass anbieten könne. «Manchmal stehen sie wirklich plötzlich in Scharen auf dem Rasen – das ist dann schon zu viel. Es braucht einfach dringend ein muslimisches Frauenbad in Frankreich.»

«Wir kaufen ja auch in Deutschland ein, warum sollen Elsässerinnen dann nicht zu uns zum Baden kommen?»

Eine unaufgeregte Sicht auf den «Schwimmtourismus» der Elsässerinnen hat die 25-jährige Marlen*: «Ich finde, in einer Grenzregion ist es völlig normal, dass man gegenseitig voneinander profitiert. Wir fahren ja auch zum Einkaufen nach Deutschland oder Frankreich.» Auch der Lärm und die Platzverhältnisse störten sie bisher kaum. Sie möge es aber persönlich, wenn viel los sei, «ich denke, das ist eine Typenfrage».

«Ich kann mir gerade bei älteren Frauen schon vorstellen, dass sie das stört», sagt Marlen. Deshalb das ganze Konzept umzukrempeln, sei aber aus ihrer Sicht übertrieben. Sie habe die Badi bisher nur an den Wochenenden wirklich überfüllt erlebt, und die Altersgruppe der Rentnerinnen habe ja die ganze Woche über Zeit fürs «Fraueli» und könne am Wochenende schlimmstenfalls etwas anderes unternehmen.

Lena* ist Ende 20 und wurde vor wenigen Wochen Mutter. Das neue Kinderverbot kann sie nicht verstehen: «Ich komme schon sehr lange ins ‹Fraueli› und hatte mich gefreut, in den kommenden Jahren auch mit meiner Kleinen zu kommen.» Ansonsten könne sie nicht viel sagen zum neuen Konzept des «Fraueli»: «Ich habe mich damit noch zu wenig beschäftigt. Allerdings geniesse ich es hier immer sehr und finde daher nicht, dass sich unbedingt etwas verändern muss.»

Da das «Fraueli» nur am Wochenende wirklich voll sei, versteht sie nicht, weshalb für die ganze Woche neue Regeln gelten sollen: «Einen kinderfreien Tag oder ein kinderfreies Wochenende würde ich viel eher verstehen.» Sie sehe auch immer dieselben Gesichter – «von einer ‹Verdrängung der Stammgäste› habe ich nie etwas bemerkt.»

«Obwohl ich Kinder liebe, unterstütze ich die neue Regel – im Alter ist man so lärmempfindlich!»

Anders erlebt dies Sonja*, die 70 Jahre alt ist. Einige ihrer Bekannten seien auf das Familienbad umgestiegen, weil ihnen im Frauenbad zu viel los sei. Sie selbst hat eine gespaltene Meinung zu der Problematik: «Ich muss sagen, ein Teil von mir denkt: Jesses, wir sind doch alles Menschenkinder. Wenn Musliminnen uns dann aber ihre Regeln aufdrängen wollen, hat meine Toleranz ein Ende.»

Das neue Kinderverbot findet sie sinnvoll, am besten fände sie es, wenn nicht einmal Säuglinge das Bad besuchen könnten. «Ich liebe zwar Kinder, aber mit Kindergeschrei im Hintergrund kann ich einfach nicht abschalten. Im Alter ist man so lärmempfindlich, das kann man sich als junge Person gar nicht vorstellen.»

Auch junge Frauen sollen ins neue «Fraueli» kommen

Peter Howald, Leiter Sportamt Basel-Stadt, bestätigt, dass die meisten Beschwerden im «Fraueli» von älteren Frauen kommen. Auf die Frage, weshalb die Meinung ein paar langjähriger Stammgäste ein derartiges Gewicht hat (schliesslich seien die Musliminnen auch Stammgäste), antwortet Howald: «Wir sind mit so vielen unterschiedlichen Meinungen und Bedürfnissen konfrontiert. Wir können es unmöglich allen recht machen.» Die Frauen der Altersgruppe 60+ würden auf jeden Fall einen grossen Teil der Stammkundschaft ausmachen.

Mit der Umgestaltung des «Fraueli» will das Sportamt aber auch junge Frauen anziehen, die ruhebedürftig sind. Es soll künftig eine Ruhe-Ecke mit Holzliegen und einer Buvette geben, wo heute die Kinderbecken sind. «Es muss ja nicht überall Schaiawaia sein», sagt Howald, «jetzt gibt es halt einmal ein ruhiges, erholsames Bädli.»

Komisch, denke ich, als ich das «Fraueli» mit gemischten Gefühlen verlasse. Denn für mich gab es dieses «erholsame Bädli» schon immer.

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* Die Nachnamen sind der Redaktion bekannt, auf Wunsch der Protagonistinnen wurde auf eine Publikation verzichtet.

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