Kaum brutzelt das erste Stück Fleisch auf dem Grill, sind auch schon die ersten Wespen im Anflug. Und sie sind ärgerlich: Hartnäckig umtänzeln sie fuchtelnde Hände und geben meist erst auf, wenn sie einen Happen abbekommen haben.
Dieses Jahr fiel dieser Kampf bisher oftmals aus: Die Wespenpopulation in der Region scheint vergleichsweise klein. Das ist auch Paul Imbeck aufgefallen. Er ist beim Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain zuständig für den Artenschutz. «Eigentlich sollte es zu dieser Jahreszeit deutlich mehr Wespen haben», sagt er.
Die kommen noch
Die Wespen-Expertin von ProNatura relativiert: «Ich habe heuer bereits sehr früh im Jahr Anfragen erhalten wegen herumfliegender Wespen», sagt Sabine Mari. Allerdings kenne sie die genauen Zahlen für die einzelnen Regionen nicht – gut möglich also, dass in der Nordwestschweiz die Wespenpopulation langsamer zunimmt als im Rest der Schweiz.
«Das Problem ist, dass es in diesem Jahr schon so früh so heiss ist», glaubt Mari. «Wir haben das Gefühl, dass wir bereits im Spätsommer sind – dann hat es natürlich viel mehr Wespen, die rumfliegen.» Sie glaubt, dass der Wespenbestand noch weiter wachsen wird.
Ganz sicher können das aber beide Experten nicht sagen. Denn es gibt viele Faktoren, die die Wespenpopulation dezimieren können. «Erst einmal kommt es darauf an, wie viele Königinnen überhaupt den Winter überleben. Dann müssen die genügend Nahrung finden für ihre ersten Jungen, die sie selbst aufziehen. Erst wenn diese Arbeiterinnen ausgewachsen sind, kann sich die Königin nur aufs Eierlegen konzentrieren», erklärt Paul Imbeck.
Kein Grund zur Sorge
Zu Beginn des Jahres hat es einen Kälteeinbruch gegeben. Dieser könnte das geringe Wespenaufkommen zum Teil erklären. Muss man sich gar Sorgen machen? Immerhin sind die gewiss manchmal lästigen Wespen durchaus wichtig für die Biodiversität, da sie als Jäger Insekten fressen, die sich ansonsten explosionsartig vermehren können.
Hier ist einer der wahrscheinlichsten Gründe, weshalb das Wespenvolk in diesem Jahr klein ausfällt: Wegen der langanhaltenden Trockenheit gibt es derzeit kaum Mücken – eine der wichtigen Nahrungsquellen der Wespen. Und auch unter Pestiziden leiden sie direkt und indirekt: Einerseits sind die Gifte für die Wespen tödlich, andererseits dezimieren sie die Zahl jener Insekten, welche die Wespe selbst jagt.
Dennoch sind sich beide Experten einig: Es gibt keinen Grund zur Sorge. «Es ist ein Phänomen von 2018. Es wird erst dann kritisch, wenn wir über mehrere Generationen eine kleine Population feststellen», sagt Imbeck. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Nahrungsgrundlage der Insekten verschwinde. Im Falle der Wespen sind dies andere Insekten, die sie als Fleischfresser verschlingen. Ähnlich tönt es auch von Sabine Mari: «Es ist völlig natürlich, dass die Populationsgrössen schwanken.»
Verwandte Feinde auf dem Vormarsch
Imbeck sieht diesen Sommer denn auch noch nicht verloren für die Wespenpopulation: «Es ist auch gut möglich, dass sich das Wetter jetzt zugunsten der Wespen bessert und wir bis zum Spätsommer noch viel mehr Wespen zu Gesicht bekommen.»
Es gibt allerdings noch einen anderen Grund, weshalb es so wenig Wespen hat. Es könnte an einer Verwandten liegen: «Es hat in der Region derzeit enorm viele Hornissen», sagt Mari. Und diese grosse Wespenart hat ihre kleine Cousine auf dem Speiseplan.