Seit Jahren verkaufen Suchtbetroffene und andere Freiwillige am Petersplatz heissen Most und Maiskolben. Dieses Jahr ist der Stand nirgends zu finden – wegen eines blöden Missgeschicks.
Ein frischer Maiskolben mit einer ordentlichen Menge Butter und Gewürzen, dazu ein Becher heisser, nach Zimt duftender Most – eine bewährte Kombination, um über die Herbstmesse zu schlendern und das rege Treiben zu geniessen.
Der Maiskolbenstand ist seit mehr als 15 Jahren auf dem Petersplatz. Umso grösser ist die Verblüffung vieler Messebesucher: Sie suchen den Stand vergeblich.
Hat die Messeleitung den Stand dieses Jahr nicht zugelassen? Wurde er einfach an einem neuen Standort platziert? Oder hat er sich etwa sang und klanglos komplett von der Messebühne verabschiedet? Wir sind der Frage nachgegangen.
Die Antwort darauf ist ärgerlich einfach: Der Verantwortliche Robert Schreiber hat den Anmeldeschluss verpasst. Vier Tage zu spät habe er das Projekt eingereicht, sagt er. Doch Daniel Arni, Leiter Messen und Märkte, macht keine Ausnahmen. «Bei uns werden alle gleich behandelt», sagt er.
Mais und Most gegen Drogenabhängigkeit
Die für den Maiskolbenstand verantwortliche Dachorganisation wechselte ein paar Mal, doch das Konzept blieb gleich: Der Verkauf von Most und Maiskolben finanzierte Non-Profit Organisationen zur Suchtprävention. In den Anfangsjahren arbeiteten ausschliesslich Suchtbetroffene am Stand. Danach waren dort einige Jahre Freiwillige ohne Suchthintergrund tätig. Und seit einigen Jahren werden die Mitarbeiter des «Jobshops» für den Maiskolbenstand eingesetzt.
Robert Schreiber ist Leiter des «Jobshops», einer Werkstatt für Betroffene mit Suchthintergrund. Die Werkstatt sei ein wichtiger Knotenpunkt zur Arbeitswelt. «Meine Leute bedauern es sehr, dass wir dieses Jahr nicht dabei sind», sagt Schreiber. Das Ausbleiben der Messe sei eine «kleinere Katastrophe». «Wir sind finanziell auf die Einkünfte des Messestandes angewiesen.»
Die Schuld für das Versäumnis nimmt Schreiber auf sich. Trotzdem kritisiert er das harte Vorgehen des Messebüros. «Anmeldeschluss war bereits im Januar – der Standplan wurde erst im April bekanntgegeben. Da hätte man doch für ein paar Tage die Augen zudrücken können.» Die Zusammenarbeit mit der Messeleitung sei bisher immer gut gewesen. Leiter Arni habe eigentlich «sehr interessiert» gewirkt. «Das Konzept ‹Mais und Most› schien ihm zu gefallen», sagt Schreiber.
Messeplatz bietet Alternative
Dass die Messeleitung dennoch hart blieb, hat einen Grund, sagt Arni: «Wir können es uns nicht leisten, emotional zu arbeiten, sonst ist die Anmeldeflut nicht zu bewältigen.» Auch er bedaure das Fernbleiben, denn der Stand sei attraktiv. «Doch wir erhalten jährlich 992 Bewerbungen, von denen wir 491 absagen müssen. Da wäre es nicht fair, wenn einige eine Sonderbehandlung erhalten würden.»
Seit vergangenem Samstag hat Schreiber zehn Anrufe erhalten. «Wir wollten gerade zu euch kommen, wo ist dieses Jahr euer Stand?», fragten Stammkunden. «Es zerreisst mich jedes Mal, wenn ich antworten muss, dass wir nicht dabei sind.»
Vergangenes Jahr wurde der Stand neu saniert, nun steht er regenfest lackiert im trockenen Lager – zumindest bis nächstes Jahr. Schreiber und sein Team hoffen, dass dann wieder alles reibungslos funktioniert. Mais-Liebhaber müssen allerdings nicht bis nächstes Jahr warten: Auf dem Messeplatz befindet sich ein anderer Maisstand. Er ist nicht zu verfehlen, ein grosser Plastikmaiskolben ragt in die Luft.
Schreiber hat aus seinem Fehler gelernt: «Ich werde mich sofort anmelden, sobald das Anmeldeformular zum Herunterladen bereit ist.»