Wochenthema: Ein Kind – um jeden Preis?

Jedes hundertste Kind in der Schweiz wird im Reagenzglas gezeugt. Künftig soll es auch erlaubt sein, risikoträchtige Embryonen auszusortieren. Was darf die ­Medizin? Wie weit dürfen wir in die Evolution ­eingreifen? Und welche gesellschaftlichen Folgen hat das? In unserem Wochenthema haben wir nach Antworten gesucht.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Jedes hundertste Kind in der Schweiz wird im Reagenzglas gezeugt. Künftig soll es auch erlaubt sein, risikoträchtige Embryonen auszusortieren. Was darf die ­Medizin? Wie weit dürfen wir in die Evolution ­eingreifen? Und welche gesellschaftlichen Folgen hat das? In unserem Wochenthema haben wir nach Antworten gesucht.

Inszenierung ist Teil des Konzepts von Annegret Raunigk, deren Schwangerschaft europaweit Schlagzeilen macht. Bei RTL und «Bild am Sonntag» steht sie exklusiv unter Vertrag. Diese Medien berichten als Erste, wenn die 65-jährige Berlinerin und Mutter von 13 Kindern in ein paar Wochen ihre Vierlinge zur Welt bringt. Die Reproduktions­medizin machts möglich.

Der Fall Raunigk markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung, die vor 30 Jahren begann. Und er wirft Fragen auf: Was darf die ­Medizin? Wie weit dürfen wir in die Evolution ­eingreifen? Welche gesellschaftlichen Folgen hat das?

Diesen Aspekten der Fortpflanzungsmedizin sind wir in unserem Wochenthema nachgegangen:

Die Geschichte des ersten «Retortenbabys»

Als 1985 das erste Schweizer «Retortenbaby» geboren wurde, waren Befruchtungen im Reagenzglas noch eine Seltenheit. «Retortenbabys sind Kinder wie andere auch», sagt die bald 30-jährige Jelena heute. «Einzig unsere Entstehung ist speziell – auch wenn gewisse vielleicht meinen, wir seien nicht wirklich Menschen.»

Zum Porträt: «Jelena, das erste Retortenbaby der Schweiz, wird 30»

In der Schweiz wird jedes hundertste Kind im Reagenzglas gezeugt

Immer mehr Paare wollen mit ärztlicher Hilfe Eltern werden. Das macht Reproduktionsmedizin zu einem guten Geschäft. Heute wird hier­zulande jedes hundertste Kind im Reagenzglas gezeugt.

Zum Artikel: «Der Kinderwunsch ist stärker als die Natur»

Diese Infografik erklärt die wichtigsten Methoden der künstlichen Befruchtung

IUI, IVF, ICSI – Hä? Künstliche Befruchtung ist nicht gleich künstliche Befruchtung. Wir erklären die drei wichtigsten Methoden in einer Infografik.

Zur Infografik

Der lange Weg zum Wunschkind

Für ihren Kinderwunsch nehmen die Paare viel auf sich. Hormon­spritzen belasten den Körper, Arzttermine kosten Zeit und viel Geld – oft Zehntausende Franken. Franziska und Benjamin haben einen langen und schmerzvollen Weg auf sich genommen – die Geschichte ihrer Kinder Anna und Noah haben sie uns erzählt.

Zum Poträt der Familienentstehung: Jetzt gibt es keinen Platz mehr im Kinderzimmer

Die Erfolgschancen sind begrenzt

Trotz der grossen Anstrengungen bei der künstlichen Befruchtung bleibt der Kinderwunsch oft unerfüllt, wie der Basler Reproduktionsmediziner Christian De Geyter im Interview sagt.

Zum Interview: «Bei einem Drittel der Patientinnen klappt das Kinderkriegen grundsätzlich nicht»

Präimplantationsdiagnostik: Worum geht es – und worauf lassen wir uns ein?

In der Fortpflanzungsmedizin geht es längst nicht mehr nur darum, Unfruchtbaren zu Nachwuchs zu verhelfen. Bei der Präimplanta­tions­diagnostik (PID), über die wir am 14. Juni abstimmen, geht es auch um Optimierung. Dank der PID können Em­bry­o­nen in der Petrischale untersucht und im Falle von Erbkrankheiten aussortiert werden. Bislang war das in der Schweiz verboten.

Zum Hintergrund: «Die Angst vor den Designer-Babys»

Sinkt die Akzeptanz gegenüber Behinderten?

Kritiker warnen vor einem weiteren Eingriff in die natürliche Reproduktion. Bei einem Ja zur PID würde die Unterscheidung in «lebenswerte» und «nicht lebenswerte» Embryonen institutionalisiert, meint etwa Stefanie Dadier vom Behindertenverband Insieme: Die ­Akzeptanz gegenüber Behinderten würde weiter sinken.

Zum Debattenbeitrag: «Glück lässt sich nicht im Reagenzglas testen»

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinkt die Gesetzgebung der Schweiz hinter der medizinischen Entwicklung hinterher. Eine Anpassung ist nötig. Dabei gilt es, die Warnungen der Kritiker ernst zu nehmen – auch wenn der Verfassungstext die PID streng ­reguliert und es verbietet, künstlich «bestimm­te Eigenschaften herbeizuführen». Der Fall der Vielfachmutter Annegret Raunigk zeigt, wie leicht medizinischer Fortschritt missbraucht werden kann.


Lesen Sie mehr zum Thema künstliche Fortpflanzung und Präimplantationsdiagnostik in unserem Dossier zum Wochenthema.

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