Die Jungpartei schlägt vor, Aufstockungen in Basel zu fördern, um damit mehr Wohnraum zu schaffen. Bei manchen Liegenschaften wäre das machbar, die Idee hat aber auch ihre Haken.
Statt Neues aus dem Boden stampfen lieber Bestehendes aufstocken: Diese Strategie zur inneren Verdichtung fordert die Arbeitsgruppe Stadtentwicklung der Juso Basel-Stadt. Unter dem Titel «Das Basler Dach» hat sie dazu kürzlich ein Ideenpapier veröffentlicht.
Das Anliegen wird im Juni ins Parlament kommen: Grossrat Tim Cuénod hat einen Anzug zu diesem Thema vorbereitet. Unter anderem möchte er die Frage stellen, ob in bestimmten Gegenden Aufzonungen geprüft und entsprechende baugesetzliche Regelungen angepasst werden können. Daran lehnt sich auch eine geplante schriftliche Anfrage von Sarah Wyss an den Regierungsrat an. Sie schlägt vor, einen «One-Stop-Shop» für Aufstockungen zu schaffen, um das Prozedere für solche Massnahmen zu vereinfachen.
In die Höhe statt in die Weite
«Unser Wunsch wäre, dass der Kanton als Vorbild mit eigenen Liegenschaften vorangehen würde», sagt Lukas Gruntz, Architekt und Leiter der Juso-Arbeitsgruppe Stadtentwicklung. Er verweist auf das in Genf angewandte Modell, wo Aufzonungen in den letzten Jahren forciert wurden. Auch Beispiele aus Basel hat er zur Hand: An der Birmannsgasse 47 wurde etwa ein zweigeschossiges Handwerkerhaus aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgestockt. Ein weiteres Beispiel findet sich am St. Johanns-Platz, wo ein markanter Dachaufbau zu sehen ist.
Aufhorchen lässt dabei, dass die Juso in ihrer Broschüre mit erhöhtem Gewinn argumentiert. Der Skepsis von Immobilien-Vertretern möchten die Verfasser nämlich mit einer Berechnung der Mieterträge begegnen: «Wir zeigen mit Beispielen auf, dass man durchaus eine solide Rendite erzielen kann», sagt Lukas Gruntz. Natürlich seien diese nicht so hoch wie bei einem Ersatzneubau, doch man benötige weniger Eigenkapital. Zudem sei es aus ökologischer Sicht sinnvoll und auch für die Identität der Stadt, da keine bestehende Bausubstanz vernichtet werde.
Ein Beispiel für eine bereits vollzogene Aufstockung in Basel: Fliessender Übergang zwischen Altbau und neuen Stockwerken an der Birmannsgasse 47. (Bild: sabarchitekten)
Aufstockungen sollen keine Mieterhöhungen verursachen
Mit dem Thema Nachverdichtung argumentierten Gegner der Stadtrandentwicklung, die 2014 an der Urne gescheitert ist. Schon damals mussten sie sich die Frage gefallen lassen, ob mehr Stockwerke als Teil von Sanierungen nicht die Mietpreise in die Höhe schnellen lassen und somit günstigen Wohnraum vernichten.
Lukas Gruntz ist sich dieser Problematik bewusst: «Wir wollen nicht, dass Aufstockung als Argument für Entmietung gebraucht wird.» Dementsprechend hält Tim Cuénod in seinem Anzug fest, dass gesetzlich verhindert werden soll, dass Aufstockungen durch Mieterhöhungen in den bestehenden Wohnungen subventioniert werden. «Neuer Wohnraum plus kurze Bauzeit minus Entmietung» – so lautet die Formel. Lukas Gruntz schlägt daher vorfabrizierte Holzelemente als Aufbau vor sowie einen rigiden Mieterschutz. In Genf etwa würden die Häuser stets in bewohntem Zustand aufgestockt.
Unterschätztes Potenzial bei bestehenden Bauten
Das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) zeigt sich durchaus offen für das Thema: «Das Planungsamt erarbeitet zurzeit eine zweite Zonenplanrevision, die dem Grossen Rat vorgelegt werden soll», sagt BVD-Sprecher Daniel Hofer. Dabei würden weitere Aufzonungen in einigen Gebieten vorgeschlagen. Zudem seien bei den Regelungen für Dachausbauten entsprechende Anpassungen des Bau- und Planungsgesetzes in Vorbereitung. Gleichzeitig wird aber die Bedeutung von Aufstockungen für mehr Wohnraum relativiert: «Die grossen Arealentwicklungen wie das Projekt Klybeckplus haben dafür mehr Potenzial», sagt Hofer.
Lukas Gruntz findet es schade, dass die «weniger spektakulären» Aufstockungen im Vergleich dazu bei den Behörden eher wenig Beachtung finden: «Betrachtet man das flächendeckend, gibt es auch im bestehenden Stadtraum viel möglichen Wohnraum.» Dabei stützt sich seine Arbeitsgruppe auf eine Studie des Swiss Real Estate Institute von 2012. Darin wird geschätzt, dass mit zusätzlichen Aufbauten – auch ohne Altstadt – Wohnraum für rund 25’000 Menschen geschaffen werden könnte. Die Verfasser räumen jedoch ein, dass diese Zahl mit Vorsicht zu geniessen sei, da sie zu wenig Rücksicht auf lokale Begebenheiten nehme und daher deutlich zu hoch sein könnte.
Noch wenig Interesse bei Eigentümern
Auch bei der Kantons- und Stadtentwicklung werden die Möglichkeiten von Aufstockungen thematisiert. Regula Küng, Leiterin der Fachstelle Wohnraumentwicklung, ordnet die Idee den «kleinen Potenzialen» zur Schaffung von Wohnraum zu, da Aufstockungen vergleichsweise selten realisiert würden: «Von diesen Potenzialen werden nur acht Prozent pro zehn Jahre genutzt.»
Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass rund 70 Prozent aller Wohngebäude in privater Hand sind. Auch Umnutzungen – letztes Jahr standen immerhin 68’000 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen leer – hätten einen geringeren Anteil. «Oft warten die Investoren bei Leerständen lieber ab, als die Liegenschaft teuer umzunutzen», sagt Küng.
Die Krux ist somit, dass all diese Nachverdichtungen im Ermessen der Eigentümer liegen und nicht verordnet werden können. Weitere Hürden sind Mindeststandards für die Belichtung. Anforderungen zur Erdbebensicherheit oder zum behindertengerechten Bauen sind zudem Kostenfaktoren.
Der Architekt und FHNW-Dozent Dominique Salathé, der die Aufstockung an der Birmannsgasse 47 realisiert hat, sieht weitere solche Massnahmen in Basel trotzdem als machbare Option. Dies müsse aber je nach Gebäudetypologie und statischem System von Fall zu Fall geprüft werden. Möglich wären weitere Stockwerke etwa an den Ringstrassen: «Das sind zum Teil sehr breite und gut belichtete Strassenräume», sagt Salathé. «Weiterbauen ist für einige Gebäude auch eine architektonische und städtebauliche Chance – die übrigens auch schon früher ganz selbstverständlich war.»
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Die Broschüre «Das Basler Dach» kann hier angeschaut werden.