Die erste Art im Jahr 1970 war auch eine Art «going public» für den Basler Galeristen Ernst Beyeler. Von diesem Zeitpunkt an machte der Kunsthändler seine Werke der Öffentlichkeit zugänglich.
Man kann einen Menschen sehr unterschiedlich zeigen. Und ein Mensch kann sich selbst sehr unterschiedlich präsentieren. Ist es ein gestelltes Bild? Bei Kurt Wyss müsste die Szene eigentlich echt sein. Sicher ein geläufiges Motiv: «Mensch am Telefon». Und das Telefon dürfte ein wichtiges Arbeitsinstrument dieses Mannes gewesen sein. Für Kauf und Verkauf. Mit wem spricht er, und was bespricht er? Telefoniert er mit einem Kunden? Einem anderen Galeristen? Seiner Frau Hildy?
Das ist nicht zu klären und letztlich auch Nebensache. Wichtig, sympathisch auch: Der Mann lacht. Tut er es, weil er sich mit der Person am anderen Ende des Drahtes über etwas Erfreuliches unterhält? Oder weil er bemerkt hat, dass ihn der Fotograf entdeckt hat? Und was bedeutet die Haltung der linken Hand? Sie wirkt, als ob er sich vom akustischen Messegetümmel abschirmen möchte. Die Haltung kann aber auch ohne diese Absicht zustande gekommen sein. Und das Bild im Hintergrund? Es steht – beziehungsweise hängt – hier einfach für «Kunst», konkret handelt es sich um einen Picasso («La fenêtre ouverte» von 1929), der hier gerade zu haben war.
Galerist, Hildy, Messe – mittlerweile dürfte jedem klar sein: Der Abgebildete ist der Kunsthändler Ernst Beyeler. Er verstand es, Kennerschaft und Liebe zum Kunstwerk mit Kommerz zu verbinden. Das Geschäft diente aber nicht einfach der Mehrung des Geldes, die Erträge flossen sogleich wieder in den Erwerb weiterer Kunst zurück.
Anfänglich mied Beyeler, fast wie ein Ban-kier, die Öffentlichkeit. Er liess grundsätzlich keine Fotografien zu und verbat sich Aufnahmen seiner Interieurs und Person. 1970 ändert das plötzlich. Damals wurde erstmals die Kunstmesse Art durchgeführt, die vom 13. bis zum 16. Juni zum 44. Mal in Basel stattfindet. Beyeler war ein gewichtiges Gründungsmitglied und trug mit seinem grossen Beziehungsnetz wesentlich zum Erfolg der Art bei.
Bei diesem «going public» durfte Kurt Wyss, der Beyeler schon seit Jahren kannte, den Galeristen endlich fotografieren. Das Lachen auf diesem Bild ist auch so etwas wie eine endlich eingetretene Zustimmung. 1970, also mit 49 Jahren, bewegte sich Beyeler bereits auf der Höhe seiner erfolgreichen Tätigkeit. Von 1970 an bemühte er sich, seine exquisiten Werke auch einem grösseren Kreis von Menschen zugänglich zu machen – eben mit der Teilnahme an der Basler Kunstmesse (bis 1992) und in späteren Jahren, wie bekannt ist, mit dem für seine Sammlung in Riehen erbauten und 1997 eröffneten Museum – der Fondation Beyeler.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.06.13