Zeitmaschine: Allegro

Einst ein sinnvolles Weihnachtsgeschenk: der Allegro-Schleif-und-Abziehapparat für Rasierklingen.

Mit Allegro wurden stumpfe Rasierklingen wieder scharf.

Wann der Mensch erstmals auf den Gedanken kam sich zu rasieren, lässt sich nicht genau sagen. Vielleicht haben sich schon in der Altsteinzeit einige modebewusste Herren Kinn und Wange geputzt. In der Bronzezeit war dies definitiv der Fall. Dies bezeugen diverse Funde von Rasierschabern aus jener Epoche.

Bereits in der Antike gingen allerdings die Meinungen darüber auseinander, ob man sich rasieren solle oder nicht. Die Griechen favorisierten gepflegte Bärte, die Römer glattrasierte Gesichter; die Gallier wählten einen dritten Weg: sie rasierten Kinn und Wangen und liessen imposante Schnäuze spriessen.

Nach dem Ende des Römischen Weltreichs neigte sich die Waagschale vorübergehend zugunsten des Bartes – sowohl der Prophet wie auch Karl der Grosse waren bekanntlich Bartträger –, doch auch ihr Beispiel konnte die Rasiermesser nicht nachhaltig gefährden. Dies sollte erst dem Amerikaner King Camp Gillette (1855–1932) gelingen.

Kurze Lebensdauer, grosser Umsatz

Gillettes im Jahr 1901 patentierter Rasierapparat und seine Nachfolgemodelle kamen zwei unterschiedlichen Bedürfnissen entgegen. Zum einen ermöglichten sie dem Käufer eine schnittverletzungsfreie Selbstrasur und ersparten ihm den Gang zum Barbier. Zum andern kamen die nur für einen Einsatz gedachten Wegwerfklingen aus billigem Walzstahl dem Verlangen Gillettes nach möglichst hohem Umsatz und Gewinn entgegen.

Die kurze Lebensdauer der neuen Klinge war auch ihre Achillesferse. Hier hakten Unternehmen wie die Allegro S. A. in Emmenbrücke ein, mit deren Apparaten man die stumpfen Klingen wieder schärfen konnte.

Erworben wurde der Apparat bei Emil Lüdin («Uhren, Bijouterie, Optik») in Pratteln.

Der Apparat auf unserem Zeitreise-Foto stammt aus dem Nachlass meines Vaters. Vielleicht gehörte er einst auch schon meinem Grossvater mütterlicherseits. Erworben wurde er bei Emil Lüdin («Uhren, Bijouterie, Optik») in Pratteln. Wann das geschah und in welchem Jahr er hergestellt wurde, ist nicht bekannt. Über die Geschichte der Herstellerfirma wissen wir dank der freundlichen Auskunft von André Heinzer, der als wissenschaftlicher Archivar im Staatsarchiv Luzern arbeitet, einiges mehr.

«Die Société Industrielle Allegro S. A.», so Heinzers Antwort auf unsere Anfrage, «figuriert per 31. Januar 1923 im Luzerner Handelsregister. Verwaltungsräte waren Alfred Sautier und Wilhelm Barsch, beide in Luzern wohnhaft. Firmenzweck war die ,Fabrikation von technischen Artikeln der Metallwarenbranche, Maschinen, Maschinenteile und Werkzeuge, Kauf und Beteiligung an ähnlichen Geschäften sowie die Betätigung auf industriellem und kommerziellem Gebiet in einschlägigen Branchen‘. 1927 kaufte die Firma die Industrie AG für technische Spezialitäten in Luzern.

Während des Zweiten Weltkriegs musste die Firma ihre Produktepalette den geänderten Marktbedingungen anpassen. Im Konkreten fragte sie bei der Überwachungsstelle kriegswirtschaftlicher Massnahmen nach, ob sie auch kleine versilberte Artikel wie Teesiebe, Tortenschaufeln, Gläseruntersätze, Konfitürendosen etc. fabrizieren dürfe, da der Export der Allegro-Schleif- und -Abziehapparate für Rasierklingen stark zurückgegangen und man nun auf Alternativen angewiesen sei, um die Belegschaft weiterhin halten zu können.
1979 erfolgte die Gründung der Allegro, Immobilien- und Verwaltungs AG, die sich vor allem dem Liegenschaftenhandel widmete. Die Liquidation der Firma erfolgte 1997.»

Heute sind Rasierklingenschärfgeräte allenfalls noch Sammlerobjekte. Der Grund dafür dürfte hauptsächlich im Siegeszug der elektrischen Rasierapparate zu suchen sein, die die Welt der Rasur stark verändert haben. Aber auch wer weiterhin die Nassrasur favorisiert, dürfte Mühe haben, seine Klingen zu schärfen. Die heutigen «Sicherheitsklingen» sind nämlich so gut eingebettet, dass man sie nur noch wegwerfen kann, wenn sie stumpf geworden sind.

Euripides.(Bild: Marie-Lan Nguyen)

Euripides.(Bild: Marie-Lan Nguyen) (Bild: Marie-Lan Nguyen)

Cäsar (Bild: Louis le Grand) (Bild: Louis le Grand)

Vercingetorix. (Bild: Jochen Jahnke) (Bild: Jochen Jahnke)

Euripides, der modernste Tragiker der Antike, trug Bart. Cäsar, ein aalglatter Taktiker, liess sich rasieren. Vercingetorix, französischer Nationalheld des 19. Jahrhunderts, mit typischem Gallierschnauz.

Quellen

Frank Gnegel: Bart ab. Zur Geschichte der Selbstrasur. Köln 1995

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