Zum Tod von Alois Bischof

Er war Journalist, Schriftsteller, Dichter, Fotograf und Lehrer. Am 20. April ist Alois Bischof im Alter von 64 Jahren in Basel gestorben.

Alois Bischof. (Bild: Claude Giger)

Er war Journalist, Schriftsteller, Dichter, Fotograf und Lehrer. Am 20. April ist Alois Bischof im Alter von 64 Jahren in Basel gestorben.

Beim Gehen hat er den Kopf hoch getragen. Und ruhig hielt er ihn. Ich dachte immer, dass sich Gedanken in dieser Haltung wohl gut in Worte verwandeln lassen.

Komm, wir gehen ins Kino oder wandern nach Weihnachten!

Mit feinspürigen Sinnen hat er die Umwelt erfasst, Farbnuancen erkannt, Gesichter durchschaut und Launen der Natur mit Worten beschrieben, die man riechen konnte.

Alois Bischof hat sich der Sprache lustvoll bedient, wovon seine Reportagen und Berichte im «Du», im «Magazin», der «Zeit» und der WOZ, seine Gedichte (wie in seinem Band «Unterwegs») und sein düsterer Roman «Das Verhängnis» zeugen. Sie sind nie trocken oder öde. Süffig die Texte, sorgfältig und eigensinnig, voller Adjektive und Sätze, die man langsam liest.

Über die Jahre hinweg hat sich ein ansehnlicher Berg an Texten unterschiedlichster Inhalte aufgetürmt. Darin umschrieben sind unter vielem anderen Bohrtürme vor der Küste Englands, die Grossgiesserei Sulzer (wie im Bildband «1310 Grad Celsius»). Ja, da war eine grosse Freude an grossen Maschinen und Konstrukten – er hat ja früher auch diese tollen Motorräder geritten, voller Lust und gerne ganz «solo» seine Touren gedreht; wenn jemand mitfuhr, war er vorsichtig und die Neigung in der Kurve war kleiner.

Atheist, und doch irgendwie katholisch

Da sind Schriften über Vreni und andere speziell begabte Menschen, denn seine eigentliche Liebe galt den Menschen, und da beeindruckte er uns alle mit seiner Gutmütigkeit und Toleranz. Da sind Berichte über das Zusammenleben im Kleinbasel, das er liebte, viele Porträts von unterschiedlichsten Menschen präzise in allen Schattierungen, respektvoll «gezeichnet», da sind auch Fotos, oft schwarz-weiss, intim und stilvoll.

Alois mit seinem beherzten Lachen, dem durch die buschigen Brauen gut geschützten ernsten Blick, dem Fotoapparat, der Zigarette, dem Glas, dem Hund, der Mütze … Alois, der über Ängste sprechen konnte, der kleine Messdiener, der schrecklich schöne Alois, der auch mal als Model eine sehr gute Falle gemacht hat. Wow.

Alois, der eigentlich Atheist war und doch irgendwie katholisch. Wer seinen Roman «Das Verhängnis» gelesen hat, hat vielleicht auch einen kennengelernt, der sich in abtrünniger Düsterkeit suhlen kann. Leiden. Angst.

Manchmal rochst du nach Rom, manchmal nach Paris, manchmal weiss ich nicht wonach.

Alois, schwamm gerne im Rhein zu Kleinbasel und in der «Badhütte» in Rorschach.

Süss und voller Achtung klangen seine Worte, sprach er etwa von Niklaus Meienberg, Robert Walser, Pier Paolo Pasolini, Irène Schweizer, Friedrich Glauser, Else Lasker-Schüler, Frederico Fellini, John Berger, Leonard Cohen oder Bob Dylan (Letzteren zitierte er oft und laut).

Voller Verachtung aber, mit elitär erhobenem Kinn wurde das mediokre Mittelmass mit saftigen Ausdrücken und arroganter Ignoranz abgetan, und die zeitgenössische Kunst hatte es allgemein nicht nur leicht mit ihm.

The times, they are a-changing.

Ach, warum bin ich nicht zu den Lesungen gekommen, wo, wie ich gehört habe, ein lauschiges Grüppchen Zuhörender an seinen Lippen hing, in der ehemaligen Brauerei, wo er jetzt oft Gast war, in der Kulturbeiz 113.

Alois, der so diskret sein konnte und seine Freundin nicht immer allen vorstellte. Da gab es getrennte Welten. Sein grosser Freundeskreis aus den Lokalen, die er täglich besuchte, warme Brüderlichkeit, die gemeinsamen Bubentreffen, viel Alkohol, viel Qualm, viel Lachen und Schwelgen, und dann der ganz private geschützte Raum, das warme Nest, die Küche, die Blumenvasen mit den bräunlich verdorrten Rosen, die Freundin … Papier, Papier, Papier und leere Flaschen.

Da gibt es seine «Wahlfamilie», Klaus heissen sie, einen Halbbruder H, und B, das Göttimeitli im Osten, den Vetter J in Liechtenstein, die ihm Verbindlichkeit und Treue bedeuteten und jetzt mit uns weinen.

Alois, der Lehrer. An der Schule für Gestaltung im Vorkurs lernte er das Unterrichten lieben. Wenn ich dachte, er hätte ein spezielles Herztürchen zu Menschen mit Behinderung oder zu «traurigen Gestalten», dann erfuhr ich jetzt von einem weiteren Törchen zu seinen Studentinnen und Studenten.

Bis zuletzt hat er an der Berufsfachschule für Gesundheit in Münchenstein Kulturwissenschaft unterrichtet und dort einen tiefen Eindruck hinterlassen. Die Schülerinnen und Schüler haben ihn «berührt» und er strahlte, wenn er von ihnen erzählte.

Alois, der Schelm. Er hat sich viel zu früh aus dem Staub gemacht. Er hat dabei einiges aufgewirbelt. Viele stehen wieder etwas enger zusammen und suchen gemeinsam nach Trost.

Wahrscheinlich sitzt er aber bereits mit Niklaus Meienberg zusammen und stösst auf uns alle an.

Kleines Lied

Nie hat man ihn für sich alleine gehabt
«Flüchtig» stand auf seinen Fersen
SIE war sehr viel schneller als ihre schwarzhaarige Nachfolgerin
Und er ritt sie mit grosser Lust, mit Tempo und Pfeffer im Arsch
Ich durfte mit.
An seinem langen aber schmalen Rücken klebend,
flogen wir über Felder im benachbarten Elsass
Nüchtern, meist ziemlich nüchtern, der elegante Tanz auf seiner schreienden Yamaha


Am 20. Mai findet zwischen 18 und 20 Uhr in der 8-Bar eine Feier zu Alois‘ Ehren statt.

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