Nach seiner Freistellung als Chef des BaZ-Bundeshaus-Teams begann Christian Mensch mit der Arbeit an einem Buch über die «Basler Zeitung». Kann so etwas gut herauskommen?
Christian Mensch, der Autor von «Enteignete Zeitung?», hat im Mai 2011, gut ein Jahr nach der erstmaligen BaZ-Übernahme durch Financier Tito Tettamanti, nicht nur seine Stelle bei der Basler Zeitung gekündigt und auf sofortige Freistellung gedrängt. Er hatte – zehn Jahre zuvor – nach der Übernahme der «Weltwoche» durch denselben Tettamanti bereits dort seinen damaligen Job verloren, rausgeworfen von Chefredaktor Roger Köppel. Alle Voraussetzungen wären erfüllt, um eine Abrechnung mit rechtskonservativen Medienplayern zu erwarten.
Doch genau das ist «Enteignete Zeitung?» nicht. Was man dem Buch als Schwäche vorwerfen könnte, ist seine Stärke und macht es glaubwürdig, nämlich: die an Emotionslosigkeit grenzende Nüchternheit, die Faktendichte, die Detailbesessenheit, die Fülle von Anmerkungen auf fast jeder Seite, welche den Lesefluss streckenweise behindern. Der langen Einführung kurzer Sinn: «Enteignete Zeitung?» ist keine Abrechnung.
Fokus auf jüngster Geschichte
Wenn jetzt, im Frühsommer 2012, ein Buch über die «Basler Zeitung» respektive über die «National-Zeitung und Basler Nachrichten AG (NZBN)» erscheint, erwartet man in erster Linie Aufschluss über das, was seit Februar 2010 geschehen ist. Seit Tito Tettamanti und der Basler Medienanwalt Martin Wagner die NZBN der Familie Hagemann abgekauft, sie im November desselben Jahres an Moritz Suter weiterveräussert und sie – diesmal mehr oder weniger offiziell mit Christoph Blocher – im Dezember 2011 wieder zurückgeholt haben. Dies alles ist in prägnanter Ausführlichkeit beschrieben.
Nicht, dass dabei wesentlich Neues bekannt würde. Die meisten Fakten hat man irgendwann irgendwo lesen können. Aber derart, wie sie in «Enteignete Zeitung?» in einen Zusammenhalt gegossen sind, ergreifen sie einen aufs Neue: die Rolle etwa, die dem zwischenzeitlichen Verleger und früheren Crossair-Chef Moritz Suter von den heimlichen Besitzern zugeteilt wurde; Martin Wagners Flucht nach vorn; der Blindflug der Redaktion; der Auftritt Markus Somms; das Auftauchen von Blochers Beraterfirma Robinvest.
Warum ausgerechnet Basel?
Doch warum konnte dies alles geschehen? Warum fand dieser rechtskonservative Angriff auf eine Zeitung ausgerechnet in Basel statt, wo der Boden für rechtsbürgerliche Ideen nicht unbedingt der idealste ist? Letztlich darum, so der Autor, weil «die ‹Basler Zeitung› vor allem das Pech hatte, zum falschen Zeitpunkt» auf dem Markt zu sein, also: zum Verkauf zu stehen. Oder anders: Christoph Blochers SVP hat zwar Einfluss auf die «Weltwoche», aber ihr fehlt eine Tageszeitung. Und eine andere als die BaZ stand nicht zum Verkauf.
Warum sie derart abgewirtschaftet war im Jahr 2010, das erhellen andere Kapitel im Buch. Der Aufstieg und der Niedergang der Verlegerfamilie Hagemann, angefangen von der raffinierten Besitznahme des Verlags National-Zeitung durch den Wirtschaftsanwalt Fritz Hagemann über das zurückhaltende Wirken seines Sohnes Hans-Rudolf, der das Vermögen des Verlages durch seinen Konzernchef Peter Sigrist in Zürich verscherbeln liess. Bis zur unglücklichen Übernahme des Erbes durch Matthias Hagemann 1996, der vor einem Schuldenberg stand und keinen Weg fand, ihn abzutragen.
Fusion als Hypothek
Was für die Hagemanns im Jahre 1977 ein Triumph gewesen sein mochte, nämlich die Übernahme der «Basler Nachrichten» (offiziell «Fusion» genannt), wurde zur Hypothek. Zwar wurde die BaZ vorerst wirtschaftlich zu einem Erfolg, sie blieb aber ungeliebt in der Stadt. Die Bürgerlichen mochten sie nicht, die Linke ebenso wenig. Dem Bürgertum gelang es zwar, 1984 mit einer geheimen Vereinbarung zwischen Verleger und Handelskammer einen Fuss ins Unternehmen zu setzen, den gewünschten Einfluss auf die Zeitung gewannen sie nicht. Die Linken planten Anfang der 1990er-Jahre ein Gegenprojekt – doch die «Neue Zeitung» kam nie auf den Markt.
Verlautbarungsjournalimus wurde der BaZ vorgeworfen. Auch als Verleger Matthias Hagemann die Zeitung 2004 neu lancierte, murrten die Nörgeler weiter: «Zur traditionellen BaZ-Antipathie derjenigen, die noch immer die Fusion von 1977 betrauerten, gesellten sich linke Kritiker, die nur gerade so lange einen kritischen Journalimus wünschten, wie sie nicht selbst Objekte der Recherche wurden.»
Kritik von links, von rechts; Machtkämpfe zwischen Verleger und der Werbevermarktungsfirma Publicitas, die einen namhaften Aktienanteil am Unternehmen hatten; das Bemühen des Verlegers, eines der Lokalradios zu kaufen – all das und viele Konflikte und Intrigen mehr trieben die BaZ dorthin, wo sie im Februar 2010 strandete: auf dem Markt, wo vordergründig Tito Tettamanti und Martin Wagner die anderen Bewerber ausstachen.
Die Geschichte der «Basler Zeitung» sei ein Lehrstück über den Medienwandel, schreibt Christian Mensch. Ein Lehrstück, das über die BaZ hinausgeht und auch das Verhalten anderer Verlage analysiert. Das Lehrstück zeigt auch, dass die Vereinnahmung der BaZ durch rechtsbürgerliche Kreise durchaus auch positive Auswirkungen hat: In Basel sind – was in den letzten zwei Jahrzehnten undenkbar war – neue Medien aktiv geworden. Nicht nur die TagesWoche – auch Verleger Wanner aus dem Aargau bespielt das Terrain mit dem «Sonntag» und «bz Basel» neu.
Christian Mensch: «Enteignete Zeitung? Die Geschichte der ‹Basler Zeitung› – ein Lehrstück über den Medienwandel», mit einem Nachwort von Kurt Imhof, Verlag Schwabe, 2012, 180 Seiten, 24 Franken. Im Buchhandel ab Montag, 4. Juni 2012.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12